Ehrlichkeit

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Seine Augen weiten sich, er öffnet seine Lippen als würde er etwas sagen wollen, doch dann schließt er diese wieder. Langsam läuft er an mir vorbei in den Flur. Einen Augenblick später höre ich wie sich die Haustür schließt.
Kraftlos sinke ich auf meinem grauen Sofa zusammen und lasse meinen Tränen freien Lauf. Klar haben wir uns in unserer Beziehung schon ein paar mal gestritten, doch noch nie mussten wir danach erstmal verschiedene Wege gehen um Abstand zu gewinnen. Natürlich ist unsere Beziehung nicht perfekt auch wenn wir das gerne behaupten würden. Julian hat immer versucht dass niemand mitbekommt wenn es mal zwischen uns gekriselt hat. Grade da er in der Öffentlichkeit steht ist es besser den Schein einer perfekten Beziehung aufrecht zu halten. Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich mich ein wenig beruhigt. Mein Blick fällt auf den schwarzen Tisch vor mir, darauf liegt ein Schlüssel. Es ist der Schlüssel zu meiner Wohnung, den ich Julian damals gegeben habe damit er immer vorbei kommen kann wenn er möchte. Hat er ihn vergessen oder mit Absicht hier gelassen? Wieder zieht es schmerzhaft in meiner Brust. Wie konnte er nur so etwas sagen? Sich so verhalten. In diesen Mann habe ich mich damals nicht verliebt.

Als meine Mutter mir eine Stunde später die weiße Haustür öffnet zieht sie mich direkt in eine liebevolle Umarmung.
,,Schön dass du uns besuchst", man spürt wie sehr sie sich freut. Da ich unter der Woche  arbeite und am Wochenende dann immer bei Julian bin sehe ich meine Eltern nicht so oft wie ich es gerne tun würde. ,,Musst du heute nicht arbeiten?", möchte meine Mutter von mir wissen während wir in die Küche laufen. Etwas überrumpelt entgegne ich nur knapp: ,,Ich habe früher Feierabend gemacht heute." Mit einen leichten Nicken ihrerseits ist das Thema damit abgehakt.
,,Da hat Dortmund uns ja ganz schön alt aussehen lassen auf dem Platz", lacht mein Vater als er nun auch die Küche betritt. Auch er zieht mich in eine herzliche Umarmung.
Und schon wieder muss ich wie automatisch an Julian und gestern Abends denken.
Doch ich kann meine Emotionen vorerst noch kontrollieren.
,,Wie du weißt werde ich in zwei Wochen 50 Jahre alt und wir haben uns entschieden  mit der ganzen Familie zu feiern. Wir dachten daran in dem kleinen Saal hier um die Ecke zu feiern in dem wir damals den Geburtstag von Oma gefeiert haben, erinnerst du dich? Wir würden gerne auch Julian's Familie dabei haben. Schließlich sind wir ja sozusagen eine große Familie."

Diese Aussage war definitiv zu viel für mich. Meine Augen füllen sich wieder mit Tränen.
,,Oh Gott hab ich etwas falsches gesagt? Ist alles gut bei euch?", erkundigt sich meine Mutter panisch und legt ihre Hand auf meinen Rücken. ,,Was hat er denn angestellt?", mischt sich mein Vater ein. Da ich ehrlich gesagt keine Lust habe ihnen alles zu erzählen, da sie ihn dann wahrscheinlich hassen würde entscheide ich mich für: ,,Wir haben uns gestern gestritten. Es ist momentan etwas angespannt zwischen uns und das ist dann eben eskaliert. Das legt sich aber bestimmt ganz bald wieder." Zumindest hoffe ich das.
Mein Vater atmet tief aus und macht mir mit leiser stimme klar: ,,Egal was passiert ist. Du kannst immer zu uns kommen."
Glücklich aber total verheult schenke ich meinen Eltern ein Lächeln und nehme sie in den Arm.

Es war wirklich schön bei meinen Eltern. Wir verbringen viel zu selten viel Zeit mit einander, da ich oft unterwegs bin. Nun liege ich eingekuschelt in meinem Bett und starre an die Decke. Plötzlich klopft es an meiner Tür. Verwirrt stehe ich auf und laufe auf meine diese zu. Langsam öffne ich sie und erblicke zu meiner Verwunderung Julian. Er sieht total fertig aus. ,,Müsstest du nicht wieder in Dortmund sein?", will ich von ihm wissen. Er lehnt sich leicht gegen den Türrahmen und nuschelt: ,,Das Team ist ohne mich geflogen. Ich konnte hier nicht einfach so weg, ohne mit dir zu reden, auch wenn ich ehrlicherweise nicht genau weiß was ich jetzt sagen soll." Leicht schwankt er hin und her.
,,Du bist betrunken", stelle ich fest. Er nickt beschämt. Behutsam ziehe ich ihn in meine Wohnung. Als er auf meinem Bett Platz nimmt fixieren seine Augen mich.
Leicht nervös versuche ich diesem Blick auszuweichen. Er sieht total traurig aus, was mich ebenfalls traurig werden lässt.
,,Natalie es tut mir leid. Ich meine das ernst ich hab mich verhalten wie ein Arschloch und das hast du absolut nicht verdient. Dich zu verlieren wäre das schlimmste was mir passieren könnte." Er greift nach meiner Hand und schaut mir tief in die Augen.
,,Ich denke du solltest erstmal schlafen. Lass uns morgen früh darüber reden wenn du wieder komplett nüchtern bist", entgegne ich ihm leise.
Doch er zieht mich zu sich. Da er immer noch auf meinem Bett sitzt, stehe ich nun zwischen seinen Beinen, er legt seine Arme um meine Hüfte. Sein Griff zieht mich fest gegen ihn. Leicht unentschlossen lege ich schließlich meinen Hände auf seinen Schultern ab. Zufrieden atmet er tief aus, was mir automatisch ein Schmunzeln entlockt.
Dann zieht er mich runter auf das Bett, umklammert mich und beginnt mich zu küssen. Diese Küsse werden immer fordernder, seine Finger gleiten unter mein Shirt und über meinen Bauch. ,,Nein das sollten wir jetzt lieber lassen", stoppte ich ihn. Es ist einfach unpassend grade. Wir müssen erst vernünftig mit einander reden. Er küsst mich sanft auf meine Stirn und dreht sich auf die andere Seite.

Durch Sonnenstrahlen die meine Nase kitzeln werde ich am nächsten Morgen geweckt. Als ich mich drehen möchte spüre ich wie ein schwerer Arm um meinen Oberkörper geschlungen ist. Ich befreie mich aus seinem Griff und drehe mich so dass ich direkt in seine Augen sehen kann. ,,Es tut mir leid wegen gestern Abend. Keine Ahnung was mich dazu getrieben hat zu trinken und du hattest Recht Sex wäre nicht die Lösung gewesen in dieser Situation. Ich schätze ich habe mich in diesem Moment einfach nach deiner Nähe gesehnt. Man ich habe das wirklich nicht so gemeint Natalie. Es war total dumm was ich gesagt habe, ich war dumm. Nicht nur an diesem Tag sondern generell in letzter Zeit. Du kannst nichts dafür wie es bei mir läuft und ich lasse meine Laune an dir aus, was total schwachsinnig ist. Als du mich aus deiner Wohnung geworfen hast war ich total am Ende, weil ich Angst hatte dich zu verlieren wenn sich nichts ändert. Aber genau das möchte ich, mich ändern. Wir sollten mehr kommunizieren und weniger diskutieren. Klar Fußball ist ein großer Teil meines Lebens, doch du bist mir viel wichtiger. Und dieses vorspielen der Perfektion vor unseren Familien und Freunden muss auch aufhören, wenn uns jemand deshalb helfen kann sind es doch grade diese Menschen. Ich werde wirklich versuchen an mir zu arbeiten, mich zu ändern. Denn ich möchte dich nicht verlieren, niemals. Ich liebe dich verdammt."

Während er spricht habe ich mich leicht aufgesetzt und lasse jedes Wort auf mich wirken. Julian streicht immer wieder leicht mit seinen Fingern über meinen Arm.
,,Du hast mich ziemlich verletzt mit dem was du gesagt hast. Ich hoffe wirklich dass du endlich aufhörst alles in dich reinzufressen. Und bitte hör auf zu denken dass wir beide das perfekte Paar sein müssen. Das sind wir nämlich nicht Julian. Es ist mir wichtig dass du weißt, dass ich immer hinter dir stehe und dich unterstütze. Doch irgendwie hatte ich seit Wochen das Gefühl du interessiert dich nicht so richtig für mich. Ich brauche keine teuren Geschenke von dir oder öffentliche Liebesbeweise. Ich möchte einfach Zeit mit dir verbringen, stundenlang mit dir kuscheln, Gespräche führen, egal über was, ich möchte einfach bei dir sein. Doch irgendwie kam das alles in letzter Zeit immer zu kurz. Auf meiner Geburtstagsfeier war ich wirklich wie frisch verliebt, durch dein Verhalten hast du mich wirklich unfassbar glücklich gemacht. Wieso kann es nicht immer so sein, diese Streitigkeiten wollen wir doch beide nicht."
Jetzt setzt sich auch Julian aufrecht hin, nimmt meine Hand und verspricht mir: ,,Ich werde alles tun was in meiner Macht steht um dich zur glücklichsten Frau zu machen. Wieder mehr für dich, für uns da sein. Ich meine wie lange ist es her dass wir beide zu zweit schick essen waren? Du hast so viel mehr verdient als ich es dir gegeben habe und das ist mir jetzt auch bewusst."
Nach diesen Worten treffen sich unsere Lippen. Mein Herz macht einen Sprung. Meine Hände wandern automatisch in seinen Nacken um ihn näher an mich ran zu ziehen.
Julian zieht mich auf seinen Schoß ohne seine Lippen von meinen zu lösen. Als ich dann allerdings den Kuss beende sehe ich sofort Unsicherheit in seinem Blick. ,,Schau mich nicht so an, es ist alles gut. Ich war gestern bei meinen Eltern und meine Mutter hätte dich und deine Familie gerne bei ihrem Geburtstag dabei", erkläre ich und fahre ihm durch seine Haare. Was ihm ein Lächeln entlockt: ,,Also wenn du mich nicht mehr hasst bin ich sehr gerne dabei und meine Familie freut sich sicherlich auch sehr über die Einladung."
Seine Antwort lässt mich kurz mit dem Kopf schütteln, doch dann ziehe ich ihn zu einem Kuss an mich ran. Ich denke das ist Antwort genug.

Erstmal möchte ich mich für über 100 Reads bedanken und euch einen schönen Sonntag wünschen. <3
Was halten wir von seiner Entschuldigung und wird er sich wirklich langfristig ändern?

Leider kann ich den nächsten Part frühestens erst am Mittwoch hochladen, da ich lange arbeiten muss.

GoosebumpsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt