Verrückt

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Tatsächlich habe ich es geschafft abzuwarten.
Doch es fiel mir unfassbar schwer. Jede Minute dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Eine Ewigkeit ohne Gewissheit, ohne Julian. Natürlich schmerzt es immer noch. Doch ich habe diese Zeit für mich genutzt. Nachdem ich immer wieder mit Erinnerung an ihn konfrontiert wurde, denn dieses Haus ist voller Gegenstände die mich an wunderschöne Momente mit Julian erinnern, weiß ich nun was ich möchte. Denn ich liebe diesen Mann.
Wir haben so viele tolle Momente zusammen erlebt und ich möchte noch so viele mehr mit ihm zusammen verbringen. Er hat mir geholfen mich zu entwickeln, mein Leben zu genießen und mich gelernt wirklich zu lieben. Noch nie in meinem Leben hatte ich mir solche Gefühle für eine Person überhaupt ausmalen können. Ich habe es zerstört das ist mir bewusst, doch ich möchte darum kämpfen. Julian hatte Recht, er hat wirklich viel an sich gearbeitet. Dafür muss er belohnt werden, denn er hat es verdient so behandelt zu werden wie er mich behandelt hat. Ich kann zwar nicht sagen wodurch, doch ich verstehe ihn nun was das Thema Zukunft angeht mehr.
Für ihn war es immer ein Wunsch irgendwann Familie zu haben. Am liebsten mehrere Kinder, damit sie auf einander aufpassen können. Für mich klang das immer süß, doch nie hatte diese Aussage Tiefgründiges in meinen Augen. Doch jetzt weiß ich dass es auch mir seiner eigenen Situation zusammenhängt. Er hat schließlich selber zwei jüngere Brüder und die drei sind unzertrennlich. Genau das wünscht er sich auch für seine Kinder.
Da ich Einzelkind bin konnte ich diese Gedanken nie nachvollziehen. Wahrscheinlich habe ich nie wirklich zwischen den Zeilen lesen können. Meine Gedankengänge werden durch ein Piepsen durchbrochen. Ein schneller Blick auf mein Handy verrät mir wer mich jetzt stört.
,,Ich würde mich freuen wenn du heute Abend im Stadion bist, lass uns danach reden. Und danke für deine Geduld Kleines." Sofort wird mir heiß, es ist so weit und Julian möchte endlich mit mir reden.

Mit meinen neuen Erkenntnissen und Mut mache ich mich tatsächlich auf den Weg ins Stadion. Etwas mulmig ist mir zugegebenermaßen schon als ich mich nervös auf meinen Platz fallen lasse. Natürlich hat er mir ein Ticket besorgt, deswegen weiß er natürlich auch wo er mich suchen muss.
Das Spiel läuft leider nicht ganz so gut für die Mannschaft, denn sie haben mit einem Tor Unterschied verloren. Ich bin mir sicher dass dies die Stimmung nicht unbedingt verbessern wird.
Nachdem immer mehr Leute das Stadion nach Abpfiff verlassen bekomme ich eine Nachricht dass ich auf Julian an den Parkplätzen warten soll.
Dort angekommen bietet mir allerdings ein sehr unerwartetes Bild. Der Blonde steht an seinem Auto, doch nicht allein. Diese Vanessa steht schräg vor ihm und scheint mit ihm zu diskutieren. Für einen Moment bleibe ich versteinert stehen. Will er mich eigentlich für blöd verkaufen? Er bestellt mich hier her damit ich die beiden sehe? Wahrscheinlich möchte er sich wegen der Sache mit Marc an mir rächen.. Als ich sehe wie Julian die Frau vor ihm versucht loszuwerden und sie immer wieder an ihren Armen von ihm wegzubewegen verstehe ich die Situation allerdings.

Mit schnellen Schritten laufe ich auf die beiden zu.
,,Julian hier ist bist du also", gebe ich gestellt mit hoher Stimme von mir.
Schnell sieht Vannesa mit hochgezogener Augenbraue an. Julian's Blick ist irgendwas zwischen Dankbarkeit und Verwunderung. Meine Finger umfassen sein linkes Handgelenk und drücke meinen Körper an ihn. Sofort kribbelt meine Haut unter den Berührungen. Auch er räuspert sich leise als meine Fingernägel leicht über seine Haut kratzen.
,,Was machst du denn hier? Ich dachte Julian hätte dich endlich in die Wüste geschickt", diese Stimme quietscht nervig in meinen Ohren. Was bildet sich diese zickige Tussi eigentlich ein? Obwohl sie ja theoretisch gar nicht Unrecht hat. ,,Ich wüsste nicht wann das passiert sein sollte. Die Frage ist eher was du hier machst? Wir beide würden jetzt gerne nach Hause fahren."
Meine Aussage entlockt Julian ein leichtes Lachen. Ich weiß zwar nicht woher mein Selbstvertrauen kommt, doch wenn es funktioniert habe ich absolut nichts dagegen.
Eingeschnappt dreht sie sich um und stampft davon.

,,Danke wirklich. Ich konnte sie einfach nicht loswerden, keine Ahnung was in sie gefahren ist. Sie war einfach da und hat irgendwas von einer zweiten Chance geredet... Es tut mir leid, das sah jetzt wahrscheinlich ziemlich unvorteilhaft aus."
Er hatte Recht. Darauf hätte ich verzichten können, doch der Fakt dass er mit mir reden macht mich glücklich.
Doch meine Gedanken in diesem Moment in Worte zu fassen fällt mir unfassbar schwer. ,,Wir sollten lieber verschwinden, steig ein", bietet er mir an und steigt in das graue Auto neben ihm.
Ohne überhaupt zu wissen was genau er vor hat willige ich sofort ein. Im Innenraum des Autos umhüllt mich direkt sei typischer Duft. Es macht mich wahnsinnig. Ich muss wissen wie Julian über uns denkt und das am besten sofort, doch er verliert die ganze Fahrt über kein Wort.

Als wir wenig später an unserem Platz am Phönixsee angekommen sind kann ich mich nicht weiter zurückhalten.
,,Könntest du Bitte etwas sagen? Ich halte das nicht mehr aus", platzt es aus mir heraus.
Abrupt bleibt er stehen. Lautstark atmet er ein, es wirkt so als würde er Kraft sammeln wollen.
,,Ich habe über alles nachgedacht. Ja es hat mich natürlich total überfordert, ich habe unsere Liebe in Frage gestellt und wusste einfach nicht wohin mit mir. Ich möchte mich entschuldigen für die blöde Ausdrucksweise letztens... das hätte ich auch anders formulieren können. Nachdem Streit bin ich erst einmal geflüchtet, doch ich habe schnell gemerkt wie alleine ich mich ohne dich fühle Natalie. Ich meine wir haben so viel überstanden, weil wir ein Team sind. Das kann nicht einfach so aufhören.
Alles was uns diese Pause gezeigt hat, ist dass es nicht besser wird wenn wir nicht reden. Und ich bitte dich mich ausreden zu lassen.
Ja es war absolut scheiße von dir, doch ich wusste schließlich davon und ich habe nunmal für mich entschieden diese Sache so anzunehmen und zu ignorieren. Wahrscheinlich war das die falsche Herangehensweise, denn mir sind als ich dort vor der Praxis stand total die Sicherungen durchgebrannt. In diesem Moment ist mir komischerweise das erste mal so richtig bewusst geworden, dass du wirklich mit diesem Mann geschlafen hast. Dabei bist du doch meine Kleine. Das klingt total dumm, da ich es ja davor schon wusste ich weiß....
Es tat einfach weh. Ich hätte dir zuhören sollen und nicht einfach abhauen.. doch ich habe es nicht ausgehalten. Der Fakt dass du mich wegen dem Testergebnis angelogen hast, hat mir den Rest gegeben. Ich hatte mich mental wirklich darauf eingestellt... naja dass wir eventuell ein Kind erwarten könnten. Dieses Spiel mit meinen Gefühlen..es ging einfach nicht mehr."
Seine Hände zittern leicht, weswegen er diese nervös knetet. Ihm fließen leise Tränen aus seinen Augenwinkeln. Vorsichtig nähere ich ihm. Ich hätte alles erwartet, doch nicht dass er sich entschuldigt und mich nun fest an sich zieht. Er legt seinen Kopf auf meiner Schulter ab. Diese Nähe tut so gut, ich kann es kaum beschreiben.
,,Du bist der letzte der sich entschuldigen muss Julian. Ich habe diesen Fehler begangen und ich würde alles tun um ihn rückgängig zu machen, das musst du mir glauben. Dieser Seitensprung hat dafür geführt dass ich mich gefühlt habe wie Dreck! Ich kann deine Reaktion verstehen.. ich hätte dich wahrscheinlich genau so angeschrieben. Aber ich habe unsere Pause genutzt, um nachzudenken. Es klingt vielleicht völlig verrückt, aber ich habe glaube ich endlich verstanden wieso dir das Thema Kinder so am Herzen liegt. Es ist dir wichtig, also ist es das für mich auch, denn du bist mir wichtig. Ich hatte Angst zu jung, zu unerfahren oder ungeeignet zu sein, deinen Kindern schlichtweg keine gute Mutter. Es hat mich maßlos überfordert. Doch so absurd er klingt, ich denke wir wären bereit. Wie du meintest, wir sind ein Team, vorausgesetzt du möchtest noch mit mir in einem Team sein. Denn ich weiß jetzt wie sehr ich dich liebe und brauche Julian. Klar können wir das Geschehene nicht ändern, es zu vergessen wird auch nicht leicht, aber ich würde es versuchen."
Während meines Monologes habe ich mich langsam von ihm gelöst um in seine Augen sehen zu können. Diese glänzen feucht im Sonnenlicht. Es tat gut sich alles von der Seele zu reden auch wenn es schmerzt. Unsere Worte sind verletzend, doch sie sind nötig um das Vertrauen wieder herzustellen.

Julian schließt seine Augen, atmet tief durch und verschränkt unsere Finger miteinander.
Leicht überfordert warte ich bis er seine Stimme wieder findet. Nervös beiße ich auf meiner Lippe rum, als er beginnt mit seinem Daumen über meinen Handrücken zu streichen. Verdammt was macht er nur mit mir? Wieso sagt er jetzt nichts? Sein Gesichtsausdruck verwandelt sich in ein kleines Lächeln: ,,Dann sage ich jetzt mal etwas Verrücktes. Du wärst eine tolle Mutter, das weiß ich. Ich würde gerne wieder in das Haus einziehen, ich halte es im Hotel nicht mehr aus. Natürlich nur wenn du mich wieder dort haben möchtest.''
,,Wieso in alles in der Welt sollte ich dich nicht mehr bei mir im Haus haben? Also sind wir wieder in einem Team?," kichere ich ihm entgegen während er seine Hände in meinen Nacken legt. Die einzige Antwort die ich auf meine Frage bekomme ist ein Kuss. Doch dieser sagt mehr als tausend Worte.

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