Kapitel 22: Drei Jahre? (1.282)

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Taehyung:

„Hey, was ist?" „Drei Jahre?" fragt er nur. „Drei Jahre?" wiederholt er und schluchzt erneut auf.

Nun kommen auch mir Tränen aus den Augen und ich spüre, wie Jungkook mich fester an sich drückt. Deshalb tue ich es ihm gleich und vergrabe mein Gesicht in seine Haare. Sein ganzer Körper wird von Schluchzern durchschüttelt und er versucht krampfhaft seine Schluchzer irgendwie zu dämpfen, indem er sein Gesicht tiefer in meine Brust vergräbt.

Seit ich ihn kenne, habe ich ihn noch nie so aufgelöst gesehen.

Jungkook versuchte mir gegenüber immer stark zu bleiben, weil er wusste, dass auch ich Probleme hatte. Er wollte mich nicht zusätzlich auch noch mit seinen plagen.

Natürlich hat er auch mal die ein oder andere Träne vergossen, jedoch hat er nie so aufgelöst gewirkt dabei. Er hat diese Träne immer mit einem Lächeln überspielen wollen und ich hasse mich selbst dafür, dass es auch immer klappte. Dass er mich mit seinem Lächeln immer davon abbrachte, ihn nach seinem Befinden zu fragen. Wenn er lächelte, wurde mir immer warm ums Herz und es ließ mich vergessen, dass er zuvor noch eine Träne vergossen hatte.

Er hatte schon immer ein Talent darin, seine wahren Gefühle zu verstecken.

Es schmerzt unfassbar in meinem Herzen, ihn so aufgelöst, ja fast schon verloren zu sehen.

Ich kann nichts anderes machen, als ihn näher an mich zu drücken und ihm einige Küsse in seinen Haarschopf zu drücken. In der Hoffnung, ihn dadurch irgendwie beruhigen zu können, doch so wirklich zu funktionieren scheint es nicht.

„Das ist damals also wirklich alles passiert?" fragt er mit schwacher Stimme, während er noch immer schluchzt. „Ja. Es tut mir leid, Jungkook." beantworte ich seine Frage, woraufhin er sich, falls überhaupt möglich, noch näher an mich kuschelt, was ich nur all zu gerne erwidere.

Ich war nie wirklich für ihn da, aber er immer für mich. Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie er damals — in der wohl schlimmsten Phase (mit Ausnahme von seinem Verschwinden) meines Lebens — für mich da war.

Es war einfach eine schlimme Woche. Jeden Tag waren Yoongi und Namjoon bei mir und haben mir die fiesesten Sachen an den Kopf geworfen. An dem Tag konnte und wollte ich einfach nicht mehr. Es war so schlimm, dass ich am letzten Tag der Woche nichtmal in die Schule gehen wollte. Ich erzählte meinen Eltern, es würde mir nicht so gut gehen, weshalb sie mich zuhause ließen und an ihre Arbeiten fuhren. Den ganzen Tag saß ich alleine mit meinen Gedanken und zusammengekauert in irgendeiner Ecke meines Zimmers, was keine gute Idee war.

In einer Depri-Phase sollten Menschen bestmöglichst nicht alleine sein, weil sie dann auf die dümmsten Ideen kommen können, genau wie ich.

Den ganzen Tag ignorierte ich die Anrufe und Nachrichten von Jimin, Hoseok und Jungkook. Ich las sie mir zwar durch, doch antwortete nicht.

Letztendlich entschied ich mich dazu, meine Depression im Bad weiter auszuleben, was natürlich noch dümmer war, denn mir sprangen die Rasierklingen gerade zu entgegen.

Geleitet von meinen schlimmen Gefühlen nahm ich mir eine und setzte mich nun im Bad auf den Boden. Angelehnt an die Badewanne. Eine ganze Weile betrachtete ich die Rasierklinge einfach, während mir unentwegt Tränen aus den Augen kamen.

Während ich sie so anstarrte, vernahm ich wie sich die Tür unten öffnete und eine besorgte Stimme nach meinem Namen rief, bis sie letztendlich bei mir im Bad ankam.

„Oh Gott, Tae!" vernahm ich seine Stimme, ehe er schnellen Schrittes auf mich zu kam und mir die Rasierklinge aus der Hand nahm.

Als er das tat, zog ich meine Beine nur noch näher an meinen Körper und schluchzte noch mehr auf. Ich konnte mich erst wieder ein bisschen beruhigen, als er mich in seine Arme schloss.

Niemals werde ich Jungkook's besorgtes und zugleich geschocktes und trauriges Gesicht vergessen. Bis heute weiß ich nicht, was mich damals auch nur daran denken ließ, denn sterben wollte ich nie. Egal wie schlimm das Mobbing war, hatte ich nie vor zu sterben. Ich wollte leben.

Doch wäre Jungkook damals nicht aufgetaucht, hätte ich für nichts mehr garantieren können.

Er hörte mir immer zu und war immer für mich da, doch ich Idiot habe ihn nie wirklich nach seinem Befinden gefragt.

Zurückblickend hätte mir dabei immer so viel auffallen können, wenn ich ihn nur gefragt hätte.

Er war so verdammt oft in Gedanken versunken und auch mehrere Male geschahen merkwürdige, ja fast schon magische Sachen in seiner Nähe. So ging plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung, einer der Hydranten vom Schulhof kaputt, während Namjoon und oder Yoongi direkt davor waren, weshalb sie nass wurden. Jungkook, Jimin und Hoseok schienen schon vorher gewusst zu haben, dass das passieren wird, denn sie sahen schon vorher in diese Richtung und sagten auch mir, dass ich dort hinsehen soll. Mittlerweile ist mir klar, dass Jungkook dafür verantwortlich war. Dass er dafür sorgte, dass ihnen wenigsten ein bisschen Karma widerfährt, für all die Scheiße, die sie mir immer angetan haben.

Ich gehe mittlerweile auch stark davon aus, dass in den Zeiten, in denen er so in seinen Gedanken versunken war, er entweder darüber nachgedacht hat, mir von seiner Magie zu erzählen oder dass er in diesen Zeiten an die beiden Typen dachte, die ihn und Jin tot sehen wollten. Dass er darüber nachdachte, ob es wirklich okay wäre, dass er sich mit mir trifft, obwohl es auch mich in Gefahr bringen könnte.

So verdammt viel hätte mir auffallen können, wenn ich nur näher hingesehen und gefragt hätte.
Ich hätte mehr für ihn da sein sollen, so wie er auch immer für mich da war.

„Aber ich verstehe das nicht." reißt mich Jungkook's schwache und noch immer leicht zitternde Stimme aus meinen Gedanken, wobei er sich insgesamt jedoch etwas beruhigt hat und keine Schluchzer mehr seinen Körper erschüttern. „Wenn schon drei Jahre vergangen sind, warum tröstest du mich dann und hast nichts dagegen, dass ich mich so an dich klammere? Warum behandelst du mich noch immer so wie damals?" „Wieso sollte ich nicht?" frage ich irritiert.

„Weil drei Jahre vergangen sind. Drei verdammte Jahre, Tae. Du willst mir doch nicht erzählen, dass sich bei dir im Leben seitdem nichts geändert hat. Dass du keine Beziehung mehr eingegangen bist, seitdem. Wenn du mich jetzt wirklich schon drei Jahre nicht mehr gesehen hast und dachtest ich sei tot, warum hast du dann keine Beziehung? Oder hast du eine? Wenn ja, warum behandelst du mich dann dennoch so? Geht das nicht schon fast als Betrug durch? Was würde er oder sie davon halten, dass du hier mit deinem Ex-Freund im Bett liegst und er sich an dich klammert, wie ein Affe?"

Nach diesen Worten seinerseits kann ich nicht anders, als kurz zu lachen und ihm daraufhin erneut einen Kuss auf sein Haarschopf zu drücken. „Du bist so niedlich." sage ich, während ich ihm durch seine Haare streiche. „Ich habe bereits seit drei Jahren keine Beziehung mehr. Du warst meine erste und einzige Beziehung." „Du bist seit drei Jahren Single? Wieso denn?"

„Weißt du, ich konnte dich nie als 'Ex-Freund' bezeichnen. Dein Verschwinden kam so plötzlich, dass ich mich nie wirklich damit abfinden konnte. Auch ein halbes Jahr später, wo wir einfach einen leeren Sarg beerdigt haben — um wenigstens eine Möglichkeit zu haben, uns von dir zu verabschieden und damit abzuschließen — konnte ich mich nicht damit abfinden. Ich hatte innerhalb der Zeit zwar einige Verabredungen, doch es fühlte sich jedes Mal so an, als würde ich dich betrügen und mit niemandem spürte ich auch nur ansatzweise eine solche Verbindung, wie ich sie mit dir spüre. Liegt wohl an diesem Magier-Verbindungskram, von dem Jin mir erzählt hat. Obwohl du nicht mehr da warst, habe ich nie aufgehört dich zu lieben, Jungkook."




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Ghost Of You {TaeKook}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt