Am kommenden Tag traf Ich vor lauter Aufregung eine gute Stunde zu früh ein. Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und stand jetzt etwas verloren in Roulons kunterbuntem Unterschlupf. Der Monsterjäger saß noch im Morgenrock am Frühstückstisch, trank Tee und blätterte in einer Zeitung. Er ließ sich durch meine Ankunft nicht beirren und blickte nicht einmal von dem Artikel auf, den er gerade las. Die dicke Hornbrille die er trug, ließ seine Augen riesig wirken. Wortlos schob er mir ebenfalls eine Tasse Tee hin.
Ich rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her, während mein Gegenüber gespielt interessiert in der Zeitung blätterte und leise vor sich hinmurmelte. Die Augen auf die Schlagzeile von Seite Drei geheftet, fragte er emotionslos: „Was hältst du von der Handelsallianz zwischen Eisenstadt und Werthers Textilien? Wenn du mich fragst, ist das der direkte Weg in eine vollständige Monopolisierung des Marktes. Die Leute werden sich irgendwann noch umschauen... aber auf mich hört ja keiner!".
Wie so oft in Roulons Nähe wusste ich nicht recht, was ich darauf antworten sollte. „Hm, ich.. bin nicht so interessiert an der Wirtschaft. Als Soldat bekomme ich einen festen Sold, weißt du?"
„Dein Sold wird durch Steuergelder finanziert. Der Besitzer der Eisenstadt ist mit der Prinzessin verheiratet, ich glaube kaum, dass der Kerl Steuern zahlen muss", es schwang kein Vorwurf in der Stimme des Monsterjägers mit, sondern absolute Gleichgültigkeit. Er knüllte die Zeitung zusammen und warf sie schulterzuckend hinter sich. „Mir kann es ja egal sein, habe schon vor Jahren aufgehört, Steuern zu zahlen. Ist viel zu anstrengend und lohnt sich nicht... Bist du bereit für einen kleinen Ausflug in die Katakomben?"
„Definitiv", strahlte ich und sprang auf, so gut mir das mit meinem lahmen Bein gelang.
Wenig später ritten wir auf Laila durch die Kanalisation. Auf dem Artar fühlte ich mich erstaunlich sicher und Roulon und ich scherzten gut gelaunt, während wir durch die verworrenen Kanäle unter der Stadt irrten. Ich hatte die Orientierung längst verloren, sorgte mich aber kaum noch. Je mehr Zeit wir dort unten verbrachten, desto weniger verstand ich die blinde Angst der Bevölkerung vor der Kanalisation. Wir begegneten nicht einem einzigen Lebewesen auf unserem Weg und inzwischen hielt ich das Gerede von den Monstern im Untergrund für übertrieben. Als ich Roulon das sagte, wurde er ernst. „Lass dich nicht täuschen, Leutnant. Die Kanalisation ist zwar weniger gefährlich, als die Katakomben, aber sicher bist du hier trotzdem nicht. Auch hier lebt die ein oder andere Kreatur die dir den Gar ausmachen kann und glaub mir, ich hätte dich nicht hierher gebracht, wenn ich nicht wüsste, dass es zumindest einigermaßen sicher ist!"
Diese Aussage beunruhigte mich etwas. „Wieso gehen wir dann nicht einfach an der Oberfläche weiter? Das wäre doch viel ungefährlicher."
„Weil ich mich lieber von einem Dutzend Drachen durch die Katakomben jagen lasse, bevor ich auch nur in einziges Mal die Handelsgasse betrete und mich dort überreden lasse, einen Teppich zu kaufen", murrte der Monsterjäger. Ich musste grinsen.
Schließlich betraten wir über ein Loch im Boden die wahren Katakomben. Sofort veränderte sich die Atmosphäre um uns. Die dumpfen Geräusche der Stadt über uns verstummten beinahe augenblicklich. Die Stille, die, wie ich inzwischen weiß, überall in den Katakomben herrscht, schnürte mir beinahe die Kehle zu. Das hier war ganz anders, als unser gestriger Aufenthaltsort, der so nah an der Oberfläche lag. Wir wanderten nun über einen gigantischen Geröllhaufen nach unten, Laila kletterte behände tiefer und tiefer, hinab in die Dunkelheit. Bald roch ich kalten Lehm und fremdartige Pflanzen wucherten zwischen den Felsen und spendeten mattes Licht. Ich klammerte mich an Roulon und versuchte so leise wie möglich zu atmen.
Unter der Kanalisation und dem, was der Gnom als Zwischenebene bezeichnet hatte, taten sich die echten Katakomben in all ihrer Größe auf, Säulen mit gigantischem Ausmaß ragten empor und stützten die Decke über uns, durch den Schein der fluoreszierenden Pflanzen wirkte alles, wie aus einem Traum. Ich sah Pilze, die mannshoch waren, eingestürzte Plattformen und Tempelteile mit eingravierten Fratzen darin und überall gab es die merkwürdigen Schriftzeichen, die man auch in der Kanalisation fand. Lailas Pfoten fanden den Grund der gigantischen ersten Tiefenschicht.
DU LIEST GERADE
Herr der Katakomben
AdventureEin Veteran, der großes Interesse an der verbotenen Untenwelt hat, freundet sich mit dem berüchtigten Monsterjäger Roulon an, und hofft, durch ihn nicht nur die Katakomben zu erkunden, sondern vielleicht sogar den alten Fluch aufzuheben, der auf Vig...