18 - Der Farbenmischer und das Ei

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Das folgende Abenteuer mit Roulon, das ich hier schildern möchte, initiierte weder ich, noch er selbst, sondern Tony Lamar, die eines Tages überraschend vor meiner Tür stand. Wir trafen uns inzwischen häufig und ich nutzte ihren Geheimgang, wann immer es mir gelang, meinen Bewachern zu entkommen. Tony log den Soldaten mit eiskalter Manier ins Gesicht. Wenn jemand nach mir verlangte, war ich ihrer Erklärung nach entweder im Ankleideraum (dieser Logik zufolge musste ich inzwischen in Kleidern ersticken) oder hatte ihre Schneiderei längst wieder verlassen. Von den bedrohlichen Mienen der Soldaten ließ sie sich nicht einschüchtern, hatte sie doch den Gefährlichsten von ihnen geheiratet.

Heute jedoch sah die Frau des Oberst gehetzt und panisch aus, als sie sich keuchend im Türrahmen abstützte und die schmerzende Seite hielt.

„Es ist etwas passiert", murmelte sie, noch bevor ich ein Wort sagen konnte, „und ich benötige deine Hilfe!"

Ich war verblüfft. „Selbstverständlich! Sofern ich helfen kann?!"

„Du kannst, und du musst, wenn nicht einem guten Freund von mir der Gar ausgemacht werden soll!"

„Geht es um Roulon? Steckt er in Schwierigkeiten?"

„Nein, nein. Es geht um Techtel den Farbmischer! Er ist ein alter Freund von mir und braucht dringend Hilfe. Sofort! Soldaten sind auf dem Weg zu ihm und mein Mann ist nicht da, um sie aufzuhalten."

„Was hat er denn getan?", fragte ich und zog mir schon meinen Mantel über. Mir schwante Übles.

„Unwichtig! Aber ich weiß nicht, wie ich die Soldaten davon abhalten soll, seine Wohnung zu durchsuchen...", Tonys Stimme zitterte und ich hatte eine vage Ahnung, was die Soldaten dort vorfinden würden, also zögerte ich nicht, eilte ich in mein Schreibzimmer und kramte Papier und Stift hervor. „Sag mir nur, was ihnen den Verdacht für die Durchsuchung gab, dann kann ich ein Schreiben aufsetzen und sie vielleicht davon abhalten!", rief ich durchs Haus.

Tony druckste herum: „Also, ich..."

„Nun komm schon", drängte ich, „oder willst du, dass die Soldaten schneller bei ihm sind, als wir?"

Es kostete sie einige Mühe, die richtigen Worte zu finden, doch schließlich brachte sie gepresst hervor: „Er... hat etwas aus den Kolonien gestohlen... Ein ... ein Ei."

„Ein Ei?", ich streckte den Kopf aus der Tür meines Büros, „was wollen die Soldaten damit? Eierkuchen machen?"

Tony verdrehte die Augen. „Es ist natürlich kein gewöhnliches Ei - nur bitte, mach schnell, lass dir was einfallen. Als ich losgelaufen bin, waren sie schon auf dem Weg zu Techtel!"

Ich schrieb in Windeseile ein Dokument, das den Farbmischer Techtel Meglay von jeglichem Verdacht des Diebstahls eines ominösen Eies freisprach, da er in der betreffenden Nacht des Geschehens, von dem ich weder wusste, worum es sich handelte, noch wo es stattgefunden hatte, gar nicht vor Ort gewesen war.

Dann jagte ich gemeinsam mit Tony durch die Oberstadt. Wir kamen keine Sekunde zu früh, denn vor Techtels Haus hatte sich bereits eine Traube von Soldaten versammelt, die ihrem Hauptmann dabei zusahen, wie er mit dem Farbmischer stritt, der sich offenbar weigerte, sie einzulassen.

Mit verschränkten Armen stand der stämmige, blonde Mann wie ein Torwächter vor dem Haus. Er war nicht sonderlich groß, wirkte aber dennoch einschüchternd. Die Stimmung schien kurz davor, zu kippen, es war an der Zeit, einzugreifen und eine Straftat zu begehen!

„Einen Moment", keuchte ich und wedelte mit dem Dokument, das ich eigenhändig gefälscht hatte, vor der Nase der Soldaten herum.

„Ich erhielt soeben dieses Schriftstück hier, es wird sich zweifelsohne als richtig erweisen, da es vom obersten Gericht kommt. Dieser Mann ist unschuldig, der Verdacht gegen ihn wird fallengelassen."

Herr der KatakombenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt