Die Lage im Süden des Landes, wo die Aufstände begonnen hatten, eskalierte endgültig, als Rebellen die Schwarzen Minen einnahmen, Vigolerias wichtigsten Kohle-Lieferanten. Gleichzeitig sorgten gezielte Angriffe in den Kolonien für eine Knappheit von jedem lebensnotwendigen Gut, ich hörte Gerüchte, dass selbst in Vigolerias Hauptstadt Mangel herrschte, hier in der Oberstadt gab es längst rationierte Nahrung und man verteilte lebenswichtige Güter in der großen Halle. Die Wassermassen, die aus den Statuen der großen Mauer quollen, sorgten für unsere Sicherheit, genau wie der eingebaute Mechanismus, den Spiegelstein zu entladen, der die Statuen zu regelrechten Geschütztürmen verwandelten, doch die Vorräte wurden trotzdem knapper und knapper.
Ich hatte keine Gelegenheit, Roulon von der aktuellen Situation zu berichten, denn er war nach unserem Abenteuer spurlos verschwunden, ich wusste nicht einmal, ob er noch lebte. In Colossus war es vermehrt zu kriegsähnlichen Zuständen gekommen und verheerende Brände hatten nun auch fast das komplette Hafenviertel und einen Teil der Zentralstadt zerstört.
Es gelang mir Kontakt zu Henry dem Wirt aufzunehmen, und ich erfuhr, dass es auch um das Gnomviertel schlecht stand, obwohl die verblieben Gnome, die sich nicht der Rebellion angeschlossen hatten sich ausdrücklich aus den Streitereien herauszuhalten versuchten. Henry gestand mir, dass sein Wirtshaus durch eine Explosion massive Schäden erlitten hatte, woraufhin ich ihm ein wenig Geld schickte, das in der Oberstadt ohnehin wertlos geworden war. Danach hörte ich nichts mehr von ihm.
Die ständige Angst, die uns verfolgte, seit der Anführer der Rebellion aufgetaucht war, machte mich langsam wahnsinnig. Die Bewohner der Unterstadt liefen dem Mann wie Ratten hinterher, versprach er ihnen doch Wohlstand und Gerechtigkeit, doch so schön das klingen mochte, wusste ich doch, dass nichts davon wahr werden würde, so lange wir nicht die Katakomben erschlossen. Warum nur begriff das außer mir niemand? War der Irrglaube über diese Welt so tief, dass nicht einmal der Hungertod ihn beiseite fegen konnte?
Inder darauffolgenden Nacht weckte mich ein durchdringender Donnerschlag, so laut, dass ich zitternd in meinem Bett saß und meine Frau laut aufkreischte. Sie war mit ihren Nerven genau wie ich am Ende, also beruhigte ich sie, so gut ich konnte, doch in mir schrie alles danach, einfach davonzulaufen. Und das tat ich schließlich!
Nachdem meine Frau wieder eingeschlafen war, stand ich auf und verließ das Haus. Es herrschte eine Ausgangssperre, doch in der Oberstadt waren inzwischen so wenige Soldaten stationiert, dass es ein Leichtes war, an den verblieben Patrouillen vorbeizuschleichen.
Ich hatte kein wirkliches Ziel vor Augen, als ich in den Brunnen stieg, wollte nur weg hier, einen Moment lang die Freiheit außerhalb der Mauern spüren und mich wieder wie ein Mensch fühlen.
Es kam mir riskant vor, die Straßen der Unterstadt zu nutzen, wo noch immer beständig Kämpfe wüteten, auch wenn gerade die Soldaten die Oberhand zurückgewonnen hatten – Dieser Umstand änderte sich aber beinahe tagtäglich.
Ich entschied, unterirdisch weiterzugehen, eine kluge Entscheidung, wie sich bald zeigte, denn kurz darauf hörte ich Schreie und Klingen die aufeinanderschlugen und sogar Schüsse. Mir fröstelte bei dem Gedanken, dass die Rebellen inzwischen sogar Gewehre besaßen. So schnell ich konnte, eilte ich unter den Scharmützeln hindurch.
Inzwischen kannte ich die Gänge des Abwassersystems und ließ mich nicht mehr von den Geräuschen und umherirrenden Schatten verschrecken. Wer hätte einmal gedacht, dass die Kanalisation von Colossus sicherer sein würde, als die Straßen der Stadt?! Es war beschämend und amüsant zugleich.
Zielstrebig suchte ich nach dem kürzesten Weg zu Roulons Behausung, doch dort angekommen musste ich bestürzt feststellen, dass sie völlig zerstört war. Irgendjemand hatte all sein Hab und Gut gestohlen, Trümmer zeugten davon, dass jemand gewaltsam hier eingedrungen war. Als ich mich näherte, entdeckte ich einige Bettler, die es sich zwischen den Überresten von Roulons Eigentum bequem gemacht hatten. Als ich die mutwillige Zerstörung sah, kochte es in mir. Plötzlich hasste ich dieses Volk, mein Volk, das sich die Köpfe einschlug und um die letzten Ressourcen an der Oberfläche kämpfte, anstatt sich die Welt unter ihren Füßen zunutze zu machen. Eigentlich hatten es diese Dummköpfe doch nicht besser verdient.
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Herr der Katakomben
AdventureEin Veteran, der großes Interesse an der verbotenen Untenwelt hat, freundet sich mit dem berüchtigten Monsterjäger Roulon an, und hofft, durch ihn nicht nur die Katakomben zu erkunden, sondern vielleicht sogar den alten Fluch aufzuheben, der auf Vig...