16 - Familienprobleme

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An jenem Abend, an dem ich nach zwei Monaten aus den Katakomben stieg, die ich meinem Empfinden nach nur Tage zuvor betreten hatte, versammelte sich meine Familie nach meiner Rückkehr in unserem Haus und ich musste reinen Tisch machen. Meine Frau war wahnsinnig vor Sorge gewesen, nachdem sie erfuhr dass ich mein angebliches Ziel in den Kolonien nie erreicht hatte. Daraufhin hatte sich mein Sohn aufgemacht, mich zu suchen, was natürlich vergebliche Liebesmüh war, und mein Bruder verwischte seit Wochen die Spuren meines Verschwindens, doch die Gerüchte, ich hätte mir unehrenhaft das Leben genommen oder sei gar desertiert, hielten sich wacker, selbst nachdem ich wieder aufgetaucht war. Meine hochschwangere Tochter, deren letztes Trimester offenbar problematisch verlief, weinte ohne Unterlass. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, nie war es meine Absicht gewesen, jemanden zu verletzen und so beichtete ich voller Reue. Ich bemühte mich redlich, meiner Familie meine Begeisterung für die Katakomben begreiflich zu machen, doch sie wollten nichts von meinen Träumen und Hoffnungen wissen, im Gegenteil, der Gedanke an meine Frevelhaftigkeit ekelte sie an. Schließlich gab ich es auf, mich zu erklären, und mein Bruder rang mir das Versprechen ab, mich vorerst ruhig zu verhalten. ‚Vorerst' bedeutete in seinen Augen natürlich für immer! Bedrückt verließen alle das Haus und Varius legte mir nahe, meine sinnlosen Erkundungen aufzugeben, nicht ohne die Drohung auszusprechen, sich sonst persönlich darum zu kümmern.

Seine Reaktion verwunderte mich nicht, niemand war bedachter auf die Ehre unserer Familie, als mein älterer Bruder. Erfolg war schon immer sein Antrieb gewesen und obwohl auch ich für meine hart erkämpften Siege bekannt war, war Varius mir dennoch immer einen Schritt voraus gewesen, weil er noch härter arbeitete und noch konzentrierter vorging, um seinem Ruf als waschechter Fiersmore gerecht zu werden.

So überraschte es mich auch nicht, dass Varius kurz nach meiner Heimkehr damit begann, gefährliche Fragen zu stellen. Ich hatte meiner Familie nicht von Roulon erzählt, sondern lediglich erwähnt, zufällig einen Monsterjäger dort unten getroffen zu haben, aber mein Bruder nutzte jede Chance, um mir weitere Informationen zu entlocken und das war weit unangenehmer als das strafende Schweigen meiner Frau. Das letzte, was ich wollte, war Roulon in Gefahr zu bringen, obwohl ich bezweifle, dass der Monsterjäger sich vor Vigolerias Streitmacht fürchtet.

Mein Bruder Varius jedoch war kein gewöhnlicher Soldat und ich hegte die Befürchtung, dass der draufgängerische Gnom ihn unterschätzen würde. Ich wusste, dass Varius mir notfalls in die Untenwelt folgen und meinen Freund selbst zur Strecke bringen würde, wenn er die Gelegenheit bekäme, also blieb mir keine andere Wahl, als die Katakomben vorerst zu meiden.

Mehrere Wochen harrte ich der Situation und in Anbetracht der Tatsache, dass sich in den Kolonien großer Ärger anbahnte, hatte ich ohnehin genug zu tun, um mich abzulenken. Die anfänglichen Unruhen im Süden wuchsen sich nun schon seit gut einem Monat zu regelrechten Aufständen aus.

Die Sorgen schwelten in mir. Zwar erledigte ich brav meine Aufträge, doch ich wusste, dass ich so nicht ewig weitermachen konnte. Wann immer ich das Haus verließ, folgte man mir. Ich bin noch immer Soldat genug um zu erkennen, wenn ein Schatten an mir klebt, wie Dreck an einer Schuhsohle, und als ich eines Abends gleich mehrere Personen entdeckte, die mir - ihrer Meinung nach klammheimlich - nachschlichen, entschied ich mich für eine Auszeit und bog in die Marktstraße ein. Zielgerichtet betrat ich das erste Haus in der Reihe und steuerte auf Tony Lamar zu, die hinter der Ladentheke ihrer Schneiderei stand. Sie blickte mich überrascht an, als ich mich schwer atmend auf den Tresen warf und schnaufte: „Schaff mir diese Idioten vom Hals. Die zwei Trottel vor der Tür verfolgen mich schon den ganzen Tag, der dort hinten im Busch seit einer Woche, und der vierte, der sich versucht hinter dem Brunnen zu verstecken, ist mein eigener Sohn. Rette mich!"

Tony sah mich für einen Moment ausdruckslos an, dann grinste sie breit. „Du hast den vergessen, der vor der Tür auf und abläuft, wie ein hungriges Raubtier, aber ich helfe doch immer gerne!" Sie winkte mich hinter den Tresen, als mein Aufpasser gerade von einer jungen Dame abgelenkt wurde, die durch die Straßen stolzierte, und schob mich mit sich.

Herr der KatakombenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt