5 - Bernadette

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Als ich einige Zeit darauf erneut Roulons Unterschlupf aufsuchte, erwartete mich dort das reinste Chaos, was gemessen an der Tatsache, dass ich den Raum noch nie aufgeräumt gesehen hatte, beinahe lächerlich klingt und doch der Wahrheit entsprach; Auf dem Boden lagen zahllose Metallteile, Schrauben und Zahnräder verstreut und der Monsterjäger saß hochkonzentriert dazwischen und schraubte an einem Rohr herum, dass verdächtig nach dem Lauf einer Waffe aussah. Für diejenigen, die es nicht wissen sollten: Es ist in ganz Vigoleria verboten, als Zivilist eine Schusswaffe zu besitzen, geschweige denn, sie mit sich herumzutragen oder sie zu modifizieren. Auf jedes dieser Vergehen steht die Todesstrafe, doch Roulon wirkte gelassen wie immer und begrüßte mich nur geistesabwesend, während er sich gerade hochgradig strafbar machte.

In der hinteren Ecke des Raumes hatte sich Laila zusammengerollt und kaute auf einem Knochen herum, der größer war als ich.

„Entschuldige die Unordnung, aber es ist höchste Zeit, dass ich die Gute hier...", der Monsterjäger tätschelte das Rohr mit einem lauten Plonk, „...mal wieder auf den neuesten Stand der Technik bringe. Setz dich und nimm dir ein paar Kekse, dann erzähle ich dir ein wenig über Bernadette!"

„Bernadette?", echote ich, während ich durch das Chaos watete und hockte mich dann neben Laila. Sie schob ihren Kopf in meine Seite, was mir beinahe das Hüftgelenk auskugelte, und ich begann vorsichtig sie zu streicheln.

„Das ist der Name meiner Waffe, hab sie nach meiner Mutter benannt. Ich finde die Vorstellung amüsant, wenn mir in brenzligen Situationen ausgerechnet meine gute alte Ma weiterhilft. Ist doch lustig oder? Kann nicht jeder behaupten, von einer waschechten Bernadette getötet worden zu sein... Aber jetzt hilf mir mal, sie wieder zusammenzuschrauben. Laila hat sich vorhin auf die Einzelteile gesetzt und jetzt ist nichts mehr dort, wo es mal war!"

„Warum hast du Laila überhaupt hierhergebracht? Sie sieht nicht sonderlich glücklich aus und kann sich ja kaum bewegen!"

Der Monsterjäger brummte leise vor sich hin. „Normalerweise mache ich das auch nicht, aber mir geht es im Moment nicht sonderlich gut, und dann habe ich sie gerne bei mir!"

Ich wusste nicht recht, ob ich darauf etwas erwidern sollte. Roulon erzählt gerne Geschichten und spart nicht mit den Details, was sich selbst angeht, ist er jedoch sehr schweigsam. Ich habe ihn selten über Privates sprechen hören und so wagte ich nicht, ihn zu fragen, woran er leidet und habe es auch bis heute nie erfahren. Das einzige, was einen Hinweis darauf gibt, wie er sich fühlt, ist die Anwesenheit Lailas, die er immer bei sich hat, wenn es ihm augenscheinlich nicht gutgeht.

„Gibst du mir mal das Teil dort drüben?", Roulon deutete auf eine große schwarze Schraube und ich reichte sie ihm.

„Eine funktionierende Waffe ist in den Katakomben sehr wichtig, selbst, wenn man wie ich eigentlich kein großer Jäger ist... Es kann immer vorkommen, dass du angegriffen wirst und dann ist es klüger, derjenige zu sein, der das Feuer eröffnet. Die meisten Bewohner der Untenwelt lassen dich in Ruhe, solange du sie nicht reizt, aber einige sind gefährliche Räuber, die es in die Flucht zu schlagen gilt. Diese Waffe hier hat mir schon einige Male das Leben gerettet... und nicht nur vor Monstern!"

„Was meinst du damit?"

Roulon sah zum ersten Mal auf und antwortete mit leichter Belustigung in der Stimme: „Na, andere Monsterjäger natürlich. Glaubst du, wir sind die besten Freunde, nur weil wir alle verrückt genug sind, die Katakomben zu durchforsten?"

Ich war ein wenig überrascht über diesen Einwurf, denn in meiner naiven Vorstellung hatte ich genau das angenommen.

„Viele Monsterjäger sind dort unten nicht nur auf der Suche nach Ungeheuern, sondern insbesondere nach antiken Schätzen. Wenn es sich dabei um ein sehr altes oder wertvolles Objekt handelt, kann es schon mal zum Streit kommen und dann schadet es nicht, im Vorteil zu sein."

„Wurdest du schon oft von anderen Monsterjägern überfallen?", fragte ich und reichte dem Gnom einen weiteren Satz Schrauben und mehrere Drähte.

„Ständig. Inzwischen haben die Dummköpfe eingesehen, dass es nicht sonderlich klug ist, jemanden anzugreifen, der auf einem Artar reitet... und abgesehen davon schleppe ich nur selten große Schätze mir mir herum. Wenn ich etwas finde, das ich gebrauchen kann, nehme ich es natürlich an mich, aber die meisten meiner Entdeckungen studiere ich und lasse sie dort, wo sie herkommen. An der Oberfläche richten die Artefakte ja doch nur Schaden an. Da ist es mir lieber, wenn sie am Grund unserer Welt vermodern."

So langsam verstand ich, warum Roulon trotz seiner offenkundigen Expertise herumlief wie ein Landstreicher, und obwohl ich einsah, dass seine Sicht der Dinge einer gewissen Logik nicht entbehrte, tat mit der Gedanke weh, dass der Monsterjäger die großen Schätze die er fand, nicht an die Oberfläche brachte.

„Vielleicht könnten einige der Dinge, die du dort unten findest, ja auch etwas Gutes bewirken", hielt ich also dagegen, und der Gnom nickte bedächtig, „Das stimmt. Vor einigen Jahren fand ich ein Artefakt, das kaputte Dinge reparieren kann. Ich habe es den Bewohnern in den Elendsvierteln geschenkt. Leider hat es nur wenige Tage gedauert und ein besonders großer Dummkopf kam auf die Idee, es auseinanderzunehmen und die Einzelteile auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen."

„...Was ist mit dem Kerl passiert, der das Artefakt verkauft hat?", fragte ich besorgt. Ich stellte mir Roulon zwar nicht gerade als rachsüchtigen Mann vor, trotzdem sagte mir mein Gefühl, dass die Geschichte nicht sonderlich fröhlich für den Dieb geendet hatte.

„Ich sah ihn auf dem Schwarzmarkt und habe die Leute in den Slums über sein Tun informiert. Den Rest haben sie dann wohl selbst erledigt", meinte er achselzuckend und seine Gleichgültigkeit jagte mir einen leichten Schauer über den Rücken. „Danach habe ich noch einige Male versucht, den Slumbewohnern zu helfen, aber so recht geklappt hat es nie. Habe einige der alten Gebäude in den ärmeren Vierteln der Stadt sanieren lassen und ein halbes Vermögen hineingesteckt, aber nach knapp einem Jahr sah alles wieder aus wie vorher." Er seufzte und schraubte das letzte Teil an das Gewehr, das jetzt bedrohlich und wuchtig aussah. „Manchmal könnte man meinen, die Krankheit, die unsere Welt zerstört, hätte auch die Köpfe der Menschen vergiftet. Allerdings... wenn ich es recht bedenke... Menschen waren schon immer dumm... Nichts für ungut". Dem konnte ich wenig entgegensetzen.

Roulon betrachtete sein Werk zufrieden und schulterte die Waffe. Er verzog keine Miene, obwohl das fremdartige Gewehr sehr schwer sein musste.

Schusswaffen sind mir nicht fremd, auch wenn nur hohe Dienstgrade sie tragen dürfen. Als Metallkavallerist besaß ich selbst eine Pistole, aber die große Trommel und die vielen Magazine, die der Monsterjäger jetzt in die Waffe stopfte, zeugten von einem gänzlich anderen Kaliber.

„Ob ich Bernadette wohl einmal in Aktion sehen dürfte?", fragte ich vorsichtig und Roulon schenkte mir ein mitleidsvolles Lächeln. „Wünsch dir lieber, dass es niemals so weit kommt, Leutnant!"

Herr der KatakombenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt