Diana hielt ihr Wort. Wann immer ich die Oberstadt verließ, sorgte sie dafür, dass meine Beschatter mich aus den Augen verloren und log dreist über meinen Verbleib, wenn doch jemand Fragen stellte, und so konnte ich Roulon auch weiterhin treffen, ohne ihn den wachsamen Augen meines Bruders auszusetzen. Es war eine Zeit des Glücks, die letzte, bevor die Lage im Süden außer Kontrolle geriet.
Die Aufstände in Gravinth und Rival eskalierten und die geltenden Regeln wurden maßgeblich und über Nacht verschärft. Es wurde dadurch schwieriger, den Monsterjäger zu treffen, doch ich nahm das Risiko auf mich, auch wenn es bedeutete, dass ich vor dem Kriegsgericht landen oder wegen Hochverrats gehenkt werden konnte. Die Möglichkeiten, mich mit meinem Doppelleben zu ruinieren, wuchsen von Tag zu Tag, trotzdem war es in meinen Augen den Aufwand wert. Ein Leben ohne Abenteuer war für mich inzwischen dasselbe, wie tot zu sein.
Von meinem liebsten dieser gefährlichen Treffen möchte ich hier berichten. Ich hatte mal wieder eine verschlüsselte Nachricht von Roulon erhalten, der mich im Gnomviertel erwartete und ich zögerte keine Sekunde, seinem Ruf Folge zu leisten.
Mein Gesicht war tief unter der Kapuze meines Umhangs verborgen, als ich mich in die Unterstadt wagte. Es war früher Abend und ungewöhnlich still, die Bewohner des Gnomviertels hatten sich entweder in ihre Häuser zurückgezogen oder erledigten rasch die letzten Geschäfte auf dem Markt. Selbst hier bemerkte man die angespannte Stimmung, obwohl die südlichen Kolonien weit entfernt waren. Ich sah Roulon schon von weitem, als ich den Marktplatz betrat, er gestikulierte wild mit den Händen und war von einer Schar Gnome umringt, die meisten davon natürlich weiblich. Sie lauschten ihm andächtig und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, denn der Monsterjäger spielte gern mit seinem Charme und wusste, wie er die Aufmerksamkeit auf sich zog. Am ersten Tag habe ich es wegen seiner schmutzigen Erscheinung und den dreckigen Kleidern nicht bemerkt, aber Roulon ist ein überaus gutaussehender junger Mann und er weiß, wie er seine Zuhörerschaft, mich übrigens eingeschlossen, um den Finger wickeln kann. Verstohlen sah ich mich um, Gnome wuselten an mir vorbei, die meisten von ihnen beachteten mich nicht, fast alle jedoch blieben kurz vor der Traube um Roulon stehen.
Anfangs hatte ich ein mulmiges Gefühl dabei, ihn in solch großen Menschenmengen zu sehen, denn schließlich wird der er steckbrieflich gesucht und jeder öffentliche Auftritt erhöhte sein Risiko, doch eines Tages geschnappt zu werden. Inzwischen ist mir jedoch klargeworden, dass es keinen allzu großen Grund zur Furcht gibt. Roulon gleicht einer Spinne, die sich sorgsam und über einen langen Zeitraum hinweg ein riesiges Netz an Kontakten in der Stadt gesponnen hat. Jeder kennt den Monsterjäger, viele mögen ihn oder benötigen etwas von ihm, und so harmlos er aussehen mag, würde es doch kein Mensch jemals wagen, den Herrn der Katakomben festzunehmen. Händler kaufen und verkaufen seine Waren oder zahlen viel Geld, damit er sie vor Monstern schützt, ein Großteil der gutbürgerlichen Unterstädter hat Schulden bei ihm und sogar einige Soldaten gehören zu Roulons besten Kunden. Es ist eine gefährliche Existenz, er lebt nicht grundlos in der Untenwelt, aber der Monsterjäger brauchte dieses Abenteuer und so verwunderte es mich nicht, das er auch heute die wildesten Geschichten vor seiner Entourage zum Besten gab und sich nicht im Entferntesten daran störte, dass ihm sogar einige Soldaten zuhörten.
Ich stellte mich unauffällig in den Schatten eines Baumes und wartete, bis mein Mentor seine Anekdote beendet hatte. Er entdeckte mich und kam freudestrahlend auf mich zu. „Du bist spät! Ist alles in Ordnung?", fragte er, seine Wangen glühten vor Freude über den Applaus, den er soeben eingeheimst hatte. Ich hatte keine Lust, mit ihm über meine familiären Probleme oder die Vorkommnisse in den Kolonien zu sprechen und ihm so die Laune zu verderben, also nickte ich nur und zwang mich zu einem Lächeln.
„Komm mit, ich will dir etwas Spannendes zeigen", Roulon zog aufgeregt an meinem Ärmel, „ich verspreche dir, es wird dich umhauen. Das habe ich noch nie jemandem gezeigt, dabei ist es gar nicht weit von hier. Wir können dorthin laufen."
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Herr der Katakomben
AvventuraEin Veteran, der großes Interesse an der verbotenen Untenwelt hat, freundet sich mit dem berüchtigten Monsterjäger Roulon an, und hofft, durch ihn nicht nur die Katakomben zu erkunden, sondern vielleicht sogar den alten Fluch aufzuheben, der auf Vig...