Das Ticket

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1 Jahr später

Yamaguchi PoV
Ich seufzte. Der Tag zog sich so unendlich wie Kaugummi und die Sonne, die durch das offene Fenster des Seminarraums schien, schien uns alle zu verspotten. Nur wenige Kommilitonen lauschten noch den Ausführungen des Professors sondern sehnten das baldige Ende dieses langen Unitages herbei. So auch ich: ich hatte meinen Kopf müde auf meiner Hand abgestützt, schaute zu meinem Professor, war jedoch mit meinen Gedanken wo ganz anders.

Ich hatte sehr schlecht geschlafen, wie so oft in letzter Zeit. Träume hielten mich nachts wach, seltsame Träume, die ich mir nur bedingt erklären konnte, die an meinem Unterbewusstsein kratzten und Gefühle und Emotionen in mir hochkommen ließen, die ich nie ganz vergessen, nur sehr lange Zeit unterdrückt hatte.

Allgemeine Unruhe machte sich plötzlich breit. Ich schreckte aus meinen Tagträumen und schaute nach oben. Meine Kommilitonen um mich herum packten ihre Sachen zusammen und machten schleunigst, dass sie aus dem Raum kamen, bevor es sich der Prof möglicherweise noch anders überlegte. Ich tat es ihnen gleich, steckte meine Bücher ein und schulterte meinen Rucksack. Wie so oft in der letzten Woche holte ich mein Handy im rausgehen aus meiner Tasche, scrollte fast automatisch durch meinen Chatverlauf und ging auf die letzten Nachrichten, die mittlerweile ein wenig weiter unten aufgelistet wurde.

Tsukki [18:23 Uhr]: Hey Yamaguchi...
Tsukki [18:30 Uhr]: Ich hab nächste Woche ein Spiel in deiner Stadt. Vielleicht willst du ja vorbei kommen? Gib Bescheid, dann kann ich dir Tickets hinterlegen. Gruß, Tsukishima

Wie immer, wenn ich diese Nachrichten las fing mein Herz an zu klopfen und ich spürte, wie meine Ohren rot anliefen. Und gleichzeitig bildete sich eine so unfassbar große Wut in meinem Bauch, eine Wut auf Tsukishima, der nach unserer Abschlusszeremonie mit einem einfachen "Tschüss" verschwunden ist, auf keine Nachricht und keinen Anruf reagiert hatte, bis ich es irgendwann aufgegeben hatte. Und eine Wut auf mich selber, weil ich nicht dran geblieben bin, obwohl ich wusste, dass Tsukishima einfach nur vor seinen Problemen und seiner Angst wegrannte. Ich wusste, wie sehr er sich vor anderen verschloss, selbst vor mir. Und wahrscheinlich hab ich ihn mit meinem Kuss verschreckt, ja, ganz sicher sogar.

Und trotzdem hatte ich gemerkt, wie er darauf eingestiegen ist, wie er mich gepackt hatte und an die Wand gedrängt hatte. Das war keine Übersprungshandlung. Er hat in diesem Moment seinen Gefühlen nachgegeben, doch dann Angst bekommen die Kontrolle ein Mal in seinem Leben abzugeben.

Und jetzt schrieb er mir aus dem Nichts heraus eine solche Nachricht und ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Als er mir die Nachricht vor einer Woche geschickt hatte hatte ich natürlich direkt geschaut, wann und wo genau seine Mannschaft spielen wird. Doch ich hatte ihm weder geantwortet, noch mir Tickets besorgt, auch wenn es mir bei beiden Sachen in den Fingern gejuckt hatte.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich drehte mich um und blickte in das grinsende Gesicht meines Kommilitonen Daiki. "Hey Yamaguchi! Wie gehts dir?", sprudelte er direkt los und bevor ich irgendetwas antworten konnte fuhr er auch schon fort: "Hör mal... hast du heute Abend schon etwas vor?" Ich schaute ihn etwas nervös an. Daiki versuchte schon seit einer Weile mich in seinen Freundeskreis zu holen, doch ich war immer noch etwas nervös, was fremde Menschen anging. Ohne Tsukki neue Leute kennen zu lernen war nach wie vor schwierig für mich.

Andererseits... war das vielleicht auch eine Möglichkeit ihn endlich zu vergessen. Aber wollte ich das? Nein, eigentlich nicht. Daiki griff mein Zögern auf und setzte lächelnd hinterher: "Keine Sorge, nichts schlimmes! Ich hab Karten für ein Volleyballspiel bekommen. Und du hast doch mal erzählt, dass du früher Volleyball gespielt hast. Komm schon, die ganze Runde kommt mit" Mir rutschte bei seinen Worten das Herz in die Hose. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass er für genau dieses Spiel Karten gekauft hat? Wie hoch konnte der Zufall sein? Wie sehr wollte mein Schicksal mich herausfordern?

"Ich... ich weiß nicht Daiki...", murmelte ich verlegen. "Keine Ausreden! Wir treffen uns eine halbe Stunde vorher davor, ja? Du wirst sehen, es wird dir gefallen!" Mit den Worten drückte er mir das Ticket in die Hand und winkte mir dann fröhlich zu, bevor er um die nächste Ecke verschwand. Ich starrte ihm noch kurz hinterher und senkte dann meinen Blick auf die Karte in meiner Hand. Das Team, das gegen unsere Hochschulmannschaft spielte war natürlich kein geringeres, als Tsukishimas.

"Verdammt", fluchte ich und stopfte das Ticket wütend in meine Jackentasche, bevor ich mich in Richtung der Wohnheime begab. Wieso ausgerechnet jetzt? Warum meldete er sich jetzt, wo ich gerade angefangen habe mich damit abzufinden, dass er kein Interesse mehr an unserer Freundschaft, an mir hatte?

Found Again || Tsukishima x YamaguchiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt