Schweigen

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Yamaguchi PoV
Ich hatte immer noch das Gefühl von Kentarus Händen auf meinem Körper, doch Tsukkis Arm um meinen Schultern breitete eine angenehme Wärme aus, die sich langsam über meinen ganzen Körper verteilte. Er bugsierte mich aus der Bar hinaus und als wir in die kühle Nacht traten atmete ich die frische Luft ein. Wir blieben kurz stehen und ich nahm einige tiefe Atemzüge bevor ich die Augen öffnete und in Tsukkis besorgtes Gesicht sah.

"Hey", murmelte er und ich spürte, wie seine Finger meine Wange hinauf und hinab strichen. "Alles okay? Ich... es tut mir sehr leid, was da passiert ist", raunte er weiter und ich spürte, wie seine Hand zitterte. Ich glaube ich hatte Tsukki noch nie so verzweifelt gesehen. Ich nickte und nahm seine Hand in meine, bevor ich sie zu meinen Lippen führte und seine Innenfläche leicht küsste. "Mir geht es gut, keine Sorge. Können wir... wer... wer war das?", stotterte ich etwas nervös, da ich schon förmlich sehen konnte, wie Tsukki seine imaginären Mauern um sich herum aufbauen wollte und tatsächlich: er verzog das Gesicht und entzog mir seine Hand. "Das... das muss dich nicht kümmern. Schlimm genug, dass er dich... gefunden und mit dir gesprochen hat. Vergiss es einfach, ja? Ich verspreche dir, das das nicht wieder vorkommen wird", sagte er und sein Blick wurde fest.

Meine Augenbrauen verengten sich. "Ist das dein Ernst? Nachdem das passiert ist? Gib es zu: er war auch der Grund, warum du so überstürzt von mir abgehauen bist. Hat er Yuki etwas angetan? Hat er dir etwas angetan?", herrschte ich ihn an. „Tsukki, sag mir endlich was los ist!" Er straffte die Schultern und wandte sich von mir ab. Er lief in Richtung seines Zuhauses, sprach jedoch kein weiteres Wort mehr. Das brachte meine Wut zum überkochen. Ich holte ihn ein und griff nach seinem Arm.

„Tsukki! Bleib jetzt stehen!" - „Nein Yamaguchi! Es dreht sich nicht immer alles um dich! Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig! Es muss dich nicht interessieren, was meine Probleme sind, okay? Wann begreifst du endlich, dass du dich nicht immer in mein Leben einmischen kannst?", schrie er mir ins Gesicht und ich schaute perplex zu ihm hoch. Er stand etwas schwer atmend vor mir und blickte zu mir herab. Dann schloss er seine Augen und rieb sich mit seinem Zeigefinger und Daumen auf seinem Nasenrücken, als ob er einen besonders starken Kopfschmerz vertreiben wollte. Er sah unendlich müde aus. Geschafft. Gebrochen. 

„Hör zu: das alles hätte nicht passieren sollen. Lass uns jetzt bitte einfach heim gehen und dann... wäre es vielleicht besser wenn du morgen früh zurück fährst", sagte er ruhig und mit unergründlicher Miene zu mir. Er stieß mich mit seinen Worten weg und das wusste er ganz genau. Ich spürte, wie sich die Tränen in meinen Augenwinkeln sammelten und drohten, meine Wangen hinab zu laufen.

„Tsukki...", flüsterte ich und streckte die Hand nach seiner Wange aus, doch er drehte sein Gesicht weg, was mir viel mehr weh tat, als seine Worte. Ich spürte, wie meine Dämme brachen und die Tränen meine Wangen hinab liefen. Ich folgte Tsukki, der sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. Seine Haltung hatte etwas von einem kranken, alten Mann, er ließ die Schultern hängen, seine Hände waren tief in den Taschen seiner Jacke vergraben, sein Kopf war gesenkt. Ich sah ihm an, dass ihn diese Diskussion genauso sehr mitnahm, wie mich. Wieso wollte er nicht mit mir über seine Probleme reden? Ich konnte ihm doch helfen! Für ihn da sein! Wieso also wollte er sich partout nicht öffnen?

Wir liefen schweigend nebeneinander her, ich stumm weinend, bis meine Tränen irgendwann versiegt waren, bis sein Hauseingang in Sicht kam. Ich hörte, wie Tsukki das Schloss seiner Tür öffnete und ich trat hinter ihm in sein kleines Apartment ein und schloss die Tür leise. Als ich mich umdrehte, stand Tsukki einfach nur mitten im Raum, mit dem Rücken zu mir und machte keine Anstalten, sich weiter zu bewegen. Vorsichtig bewegte ich mich auf ihn zu und streckte meine Hand nach ihm aus. 

Als ich ihn am Arm berührte zuckte er zusammen und ich zog meine Hand wieder zurück. Doch dann sah ich wie er leicht zitterte. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. "Ich räum dir einen Futon raus. Du kannst dich gern frisch machen", sagte er leise und von mir abgewandt. Ich presste die Lippen aufeinander und schnappte mir meine Waschtasche, um in das kleine Bad zu verschwinden. Ich wusste, dass ich Tsukkis Mauern gerade nicht durchbrechen konnte, egal was ich sagte, also fügte ich mich einfach dem, was er sagte. 

Nachdem ich mich kurz gewaschen hatte und meine Zähne geputzt waren, trat ich wieder aus dem Bad heraus. Sofort verschwand Tsukki darin und schloss die Tür. Ich seufzte schwer und ließ mich auf dem Futon auf dem Fußboden nieder. Der Mond schien hell durch das Fenster und ich gab mich kurz der Ruhe hin. 

Ich hatte einen Entschluss gefasst. Egal, was Tsukki umtrieb, ich werde nie wieder zulassen, dass er mich verlässt oder sich vor mir verschließt. Ich wollte, dass ich genauso für ihn da sein kann, wie er es damals für mich war. Und nichts würde mich davon abhalten. Grimmig vor Entschlossenheit kuschelte ich mich in das Futon ein und schloss die Augen. Morgen war ein neuer Tag. Tsukki wird schon sehen, dass ich mich nicht mehr so leicht unterkriegen lasse. Dieser Gedanke ließ mich meine Müdigkeit einholen und ich schlief bald daraufhin ein, sodass ich gar nicht mehr mitbekam, wie Tsukki wieder ins Zimmer kam. 

Found Again || Tsukishima x YamaguchiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt