Du hast mich

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Yamaguchi PoV

Nervös trippelte ich von einem Fuß auf den anderen als ich vor dem Fakultätsgebäude, wo Tsukkis Probevorlesung stattfand, wartete und blickte immer wieder auf meine Uhr. Ich konnte Tsukki nicht vom Bahnhof abholen, da ich heute selbst noch eine Prüfung geschrieben habe und erst vor einer halben Stunde raus war, als die Vorlesung schon im vollen Gange war.

Als ich meinen Prüfungsraum verließ und einen Blick auf mein Handy geworfen hatte, hatte ich mehrere kryptische Nachrichten von Tsukki auf dem Handy gefunden. Zwar war nicht wirklich ersichtlich, was genau passiert war, aber irgendetwas schien ihn zu beschäftigen. 

Ich musste noch weitere zehn Minuten warten, als sich die Türen öffneten und mir ein Schwarm junger Menschen entgegen kam. Ich entdeckte Tsukki, der wie immer seine Mitmenschen überragte, und eilte auf ihn zu. Auch er entdeckte mich, grinste leicht und kam mir hastig entgegen. 

"Tsukki! Wie war es?", fragte ich ihn aufgeregt, als wir voreinander standen. Er hob beruhigend die Hände und lächelte mich an. "Du bist ja aufgeregter als ich. Wie war deine Prüfung?", fragte er zurück und ich schüttelte den Kopf. "Gut, aber das ist doch jetzt vollkommen egal! Hat es dir gefallen? Wie war der Professor? War Rin auch da?", sprudelte es aus mir heraus. Tsukki seufzte tief und ging langsam den Weg, der vom Unigelände führt entlang. "Es war... gut...", fing er an doch dann schüttelte er kurz den Kopf und fuhr fort: "Nein, das stimmt nicht. Es war wirklich großartig." 

Er schaute zu mir herunter und ich sah ein seltenes Leuchten in seinen Augen. Doch so schnell, wie es da war, erlosch es auch wieder und er blickte ausdruckslos nach vorn. Ich wartete, dass er was sagen würde, doch er blieb stumm. Also versuchte ich es vorsichtig: "Aber...? Was ist los, Tsukki? Was beschäftigt dich?" 

Wieder seufzte er schwer und presste die Lippen aufeinander. "Meine Eltern waren heute unangekündigt bei mir. Sie... haben mich zur Rede gestellt, warum ich in letzter Zeit so oft beim Training und in Vorlesungen gefehlt habe. Außerdem..." Hier stockte er und rieb sich den Nacken, als ob er nachdachte, ob er die folgenden Worte wirklich sagen sollte. Ermutigend schaute ich ihn von der Seite an und er sprach weiter: "Außerdem haben sie nach dir gefragt. Sie haben... gefragt, ob du verantwortlich dafür bist... ob du mich ablenkst..." 

Das verschlug mir erst einmal die Sprache. Ich kannte Tsukkis Eltern schon sehr lang, schließlich sind wir seit wir Kinder waren befreundet. Ich bin eigentlich auch immer gut mit ihnen ausgekommen. Dass sie mir jetzt unterstellten, ich würde Tsukki von seinen Pflichten ablenken... 

Tsukki musste gemerkt haben, dass mich diese Neuigkeit schon etwas getroffen hatte. Er blieb stehen und griff nach meinen Schultern. "Hey, schau mich an. Sie haben keine Ahnung, okay? Sie wissen nicht, was in meinem Leben alles schief läuft und dass sie eigentlich für den Großteil verantwortlich sind. Ich lass nicht zu, dass sie dir die Schuld an den Dingen geben, die sie selbst verbockt haben... oder für die Kentaru verantwortlich ist. Verstehst du mich?", setzte er nach und schüttelte mich leicht. 

Ich nickte und griff mir mit meinem Daumen und Zeigefinger zwischen meine Augen. "Mach dir keine Gedanken, Tsukki. Ich war nur etwas überrascht. Ich dachte deine Eltern würden mich besser kennen", antwortete ich und massierte mir weiter mein Nasenbein. Wieso wollten seine Eltern ihn nur so sehr in einen Käfig zwängen, in den er überhaupt nicht reinpasste? 

Tsukki hielt mich immer noch an den Schultern fest und ich schaute nach oben in sein schönes Gesicht. "Und was jetzt?", fragte ich ihn. Er schaute mich an und schloss dann kurz die Augen. "Ich weiß es nicht, Yamaguchi. Ich bin selbst so überfordert mit der Situation. Ich bin hin und her gerissen zwischen dem, was mir Sicherheit, aber keine Freude bereitet und dem, was mir Spaß macht, wo ich aber nicht weiß, wo es hinführen wird. Was ist wenn es schief geht? Was ist, wenn ich so viel Energie in etwas stecke und am Ende rauskommt, dass es doch nicht ist, was mich erfüllt?" 

Ich musste ein wenig grinsen und er schaute mich verwundert an. "Entschuldige, ich hatte glaube ich gerade ein Déjà-vu von unserem Trainingscamp aus der Oberstufe", lachte ich und ich sah, wie es bei ihm Klick machte und er ebenfalls etwas lachte. "Tsukki, wann begreifst du endlich, dass du nicht allein auf dieser Welt bist? Fehler sind da, um gemacht zu werden! Du wirst nie erfahren, wie etwas sein könnte, wenn du es nicht versuchst! Und du vergisst etwas wichtiges", sagte ich bestimmt und sein Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an. "Was denn?", fragte er und ich schlug mir mit der Hand auf die Brust.

"Du hast mich! Egal, was kommt, ich werde immer für dich da sein", rief ich aus und plötzlich wurde mir bewusst, dass wir immer noch mitten auf dem Campus waren und einige Studenten neugierig beobachteten. Ich lief rosa an und meine Wangen fühlten sich plötzlich ganz heiß an. Doch das war nichts im Vergleich zu Tsukkis Blick, den er mir zuwarf. Sein Mund stand vor Überraschung leicht offen stehen und seine Augen schauten überfordert zu mir herab. Dann blinzelte er und griff plötzlich nach meiner Hand. Er lief los in Richtung der Wohnheime und zog mich hinter sich her. 

"Tsukki, warte, wo willst du denn hin?", rief ich überrascht aus. "Zu dir. Ich halt es einfach nicht mehr aus", antwortete er mir und ich spürte, wie mein Gesicht noch eine Spur dunkler wurde. Mein Herz schlug schnell in meiner Brust und ich beeilte mich, mit Tsukki Schritt halten zu können. 

Found Again || Tsukishima x YamaguchiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt