Teil 17

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*Rafaels Sicht*

Schweigend ließ ich mir das Essen schmecken und machte mir ein paar Gedanken. Ich konnte nicht anders. Immer wieder ließ ich meinen Blick zu ihr wandern. Beobachtete sie verstohlen. Sie hatte etwas an sich, das mir gefiel und doch gleichzeitig etwas Angst machte. Halt. Angst war nicht das richtige Wort. Sorge. Genau, es machte mir sorgen. Sie machte mir sorgen. Dabei kannte ich sie doch gar nicht. Irgendetwas schien sie zu belasten. Sie wich meinen Blicken immer wieder aus. Warum? Was hatte ich ihr getan? Oder lag es gar nicht an mir? Etwas anderes, das sie vielleicht erlebt hatte? Nachdem Essen schleifte Jukka uns raus zum rauchen. Ich wäre gerne hier geblieben. Bei ihr. Doch Jukkas Blick ließ keine Wiederrede zu. Widerwillig stand ich auf und folgte ihm, Mikke und Tapsi nach draussen. Die ganze Zeit überlegte ich schon, wie ich sie ansprechen konnte. Vorsichtig und behutsam, damit sie keine Angst bekam.

"Wir sollten auch bald los. Muss morgen wieder früh raus" meinte Mikke zu mir. Alles in mir sträubte sich dagegen. Ich wollte noch nicht los. Ich wollte hierbleiben. Ich hatte das Gefühl, sie... Ja, was eigentlich? Beschützen? Ja, genau das war es. Ich wollte sie beschützen. Vor allem.

"Ich geh noch eben ins Bad, dann können wir los" erwiderte ich, ging rein, nahm mein Rucksack und verschwand ins Bad. Aus diesem kramte ich einen Stift und einen kleinen Zettel raus und schrieb etwas auf. Dann faltete ich ihn so oft, das er ganz klein war und behielt ihn in der Hand. Ich hoffte auf eine Chance, ihr diesen zu geben. Ich ging wieder ins Wohnzimmer, wo Mikke schon fertig angezogen auf mich wartete. Ich verabschiedete mich von Jukka und Tapsi und als Jukka gerade mit Mikke abgelenkt war, ging ich zu Lilja.

"Es hat mich sehr gefreut, deine Bekanntschaft zu machen" sagte ich leise, sah dabei fest in ihre Augen und ließ den Zettel auf ihren Sessel fallen. Sie erwiderte den Blick, etwas trauriges lag in ihren Augen. Ich lächelte sie sanft an und machte mich mit Mikke auf den Heimweg.

*Liljas Sicht*

Ich genoss die kurze Ruhe, als die Jungs draussen waren. Ich ließ den Nachmittag noch mal Revue passieren. War ein bisschen zu viel mit einmal gewesen und doch habe ich es genossen. Also die meiste Zeit davon. Ich kam kaum zum grübeln und hab Jukka etwas besser kennen gelernt. Und dieser hatte recht, sie waren nett. Und doch war da noch irgendwas anderes. Ich wusste nur nicht was. Tapsi kam wieder rein gerannt und machte es sich vor dem gemütlichen Kamin bequem. Mikke und Jukka kamen langsam nach und unterhielten sich angeregt. Wo war Rafael? War er schon weg? Ohne sich zu verabschieden? Würde er das wirklich tun? Nachdem er immer wieder zu mir rüber geschaut hat? Ich erschrak über meine eigenen Gedanken und schob sie in eine dunkle Ecke. Mikke zog sich an und da kam Rafael ins Zimmer rein. Er verabschiedete sich von Jukka und Tapsi und kam zu mir. Er schaute mich an und diesmal hielt ich diesen Stand. Sein Blick hatte etwas bittendes an sich.

"Es hat mich sehr gefreut, deine Bekanntschaft zu machen" sagte er leise zu mir, ließ etwas auf meinen Sessel fallen und lächelte mich warm an, bevor er sich umdrehte und mit Mikke auf den Heimweg machte. Ich schaute auf dem Sessel nach und fand einen Zettel, der oft gefaltet wurde. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte und überlegte, ob ich nachschauen sollte oder lieber nicht.

"Alles ok bei dir?" fragte Jukka mich in dem Moment und ich umschloss mit der Hand den Zettel. Warum tat ich dies? Wollte ich nicht, das er davon etwas mitbekam? Was war denn so schlimm daran? Ich nahm den Block und schrieb auf

"Alles ok. Bin nur ziemlich müde. War etwas viel heute. Trotzdem danke ich dir, das du mich überredet hast. War jetzt nicht so schlecht :) Gute Nacht". Er las es sich durch und grinste.

"Jederzeit wieder. Schlaf gut, bis morgen".

Ich ging nach oben und wie auf Kommando folgte mir Tapsi. Oben machte sie es sich in meinem Bett bequem. Es fühlte sich an, als ob Tapsi schon immer da war. Ich kraulte sie hinterm Ohr und legte den Zettel auf den Nachttisch. Ich konnte mich noch nicht dazu durch ringen, ihn zu lesen. Wer weiß, was da stand? Rafael kannte mich doch gar nicht. Was wollte er dann von von mir? Warum wollte er, das ich neben ihm sitzen sollte? Warum schaute er mich, wenn auch nur kurz, immer wieder an? Ich war doch eine komplett fremde für ihn. Genau so, wie für mich selber... Wollte er wissen, was vorhin los war? Das würde er nicht erfahren. Ich wüsste gar nicht, wie ich ihm das erklären sollte. Und ich wollte es auch nicht. Oder doch? In meinem Kopf fing es langsam wieder an zu pochen. Ich sollte aufhören, so viel zu grübeln. Ausser Kopfschmerzen brachte mich das kein Stück weiter. Ich nahm mir ein paar von den neuen Sachen und ging duschen. Ich genoss das fast heiße Wasser auf meiner Haut und versuchte, abzuschalten. Alles auszublenden und meinen Kopf frei zu bekommen. Das pochen wurde langsam schlimmer. Doch wie immer hörte mein Körper nicht auf mich. Und mein Kopf schon mal gar nicht. Wie selbstverständlich wanderten meine Gedanken immer wieder zu Rafael und dem altbekannten warum. Ich stieg aus der Dusche, trocknete mich ab, zog mich an und kuschelte mich zu Tapsi ins Bett. Obwohl ich größer als sie war, hatte ich den wenigsten Platz von uns, wie ich schmunzelnd feststellte. Ich kraulte sie ein wenig, bis ich erschöpft einschlief.


Lost Memories (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt