Teil 24

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*Rafaels Sicht*

Wer ruft denn mitten in der Nacht an. Genervt griff ich nach meinem Handy und schaute drauf. Zweimal musste ich schauen, bis ich realisierte, das es wirklich Lilja war. Ich ging ran.

"Hey Lilja. Was gibt's?" fragte ich. Doch es kam keine Antwort. Ist sie nur ausversehen auf den Hörer gekommen? Dabei konnte ich sie deutlich atmen hören. Was war das? Es klang, als ob sie weinte. Nun fing ich langsam an, mir Sorgen zu machen. War etwas passiert?

"Lilja? Ist alles ok bei dir?" fragte ich sie nun und konnte die Besorgnis nicht unterdrücken. Nun konnte ich es deutlich hören, das sie weinte.

"Ist etwas passiert? Gib mir irgendein Zeichen, wenn du Hilfe brauchst" meinte ich und hoffte, sie konnte sich irgendwie verständlich machen. In der Zwischenzeit war ich schon lange aufgestanden, hatte mir irgendwie Hose und Schuhe angezogen.

"Juukkkkaaa" kam es sehr zögerlich, verzweifelt und ängstlich. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Irgendwas musste mit Jukka passiert sein, sonst hätte er sich doch gemeldet.

"Ist Jukka was passiert? Seit ihr Zuhause? Ich fahr sofort los und bin gleich bei euch. Mach unten das Tor auf" erwiderte ich, schnappte mir noch während des redens meine Jacke und Autoschlüssel und schmiss die Tür hinter mir ins Schloss. So schnell ich konnte, lief ich zum Auto, zog mir unterwegs die Jacke an und fuhr, so schnell ich konnte zu Jukka. Unterwegs kamen mir die schlimmsten Gedanken. Warum rief er nicht selber an?

Hat er sich schwer verletzt? Oder gar noch schlimmer? Ich gab noch mehr Gas und hatte immer wieder Probleme, das Auto auf der Strasse zu halten. Scheiss Wetter. Mit einmal ging ich voll in die Eisen. Nun hätte ich fast die Waldeinfahrt zu Jukkas Haus verpasst. Von weitem sah ich, dass das Tor auf war. Ich parkte, stieg aus, knallte die Tür zu und rannte zur.Eingangstür. Diese stand offen. Ich machte sie zu und lief, laut Liljas Namen rufend, durchs Haus. Bis ich beide im Wohnzimmer fand.

"Um Himmels willen. Was ist passiert?" fragte ich, während ich mich neben Jukka hockte. Lilja nahm meine Hand und legte sie auf Jukkas Stirn. Gott, er glüht ja. Gleichzeitig versuchte Sie mir irgendwas mit der Couch zu zeigen. Verzweifelt und völlig ängstlich schaut Sie mich dabei an. Ich war in dem Moment einfach nur dankbar, das sie mich angerufen hat.

"Verdammt, er verbrennt ja förmlich. Wir bringen ihn ins Schlafzimmer, dann rufe ich den Arzt" während des redens, stand ich auf, hob Jukka vorsichtig hoch und trug ihn die Treppen hoch in sein Zimmer. Lilja rannte vor, öffnete die Türen und machte das Licht an. Ich legte ihn aufs Bett und zusammen zogen wir ihm die völlig durchgeschwitzten Klamotten aus. Lilja deckte ihn zu und blieb bei ihm, während ich Jukka sein Handy suchte und seinen Arzt anrief. Dieser versprach, so schnell wie möglich zu kommen, wäre aber noch bei einem anderen Notfall.

"Weist du, ob er irgendwo ein Fieberthermometer oder ähnliches, hat?" fragte ich Lilja, doch sie schüttelte nur den Kopf. Ich rannte ins Bad und durchwühlte sämtliche Schränke. Alles mögliche fand ich, nur kein Fieberthermometer. Ich rannte ins andere Bad und dort wurde ich endlich fündig. Zurück bei Jukka, machte ich es an und steckte es in sein Ohr. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis es piepte. Ich schaute entsetzt drauf und spürte förmlich, wie sich sämtliche Farbe aus meinem Gesicht verabschiedete. Ich konnte gerade nichts sagen und hielt es Lilja einfach nur vors Gesicht.

Sie schaute erst mich und dann Jukka panisch an. Sie hockte sich neben ihm aufs Bett, ließ ihren Tränen freien Lauf und rüttelte ihn immer heftiger. Kurz ließ ich Sie gewähren, überfordert, was ich nun machen sollte. Doch als Sie ihn schon fast mit Gewalt schüttelte, legte ich vorsichtig meine Arme um ihre, zog sie vorsichtig vom Bett runter, setzte mich auf den Boden und sie auf meinen Schoß.

Ich war mir nicht sicher, ob sie dies überhaupt mitbekam. Keine Sekunde ließ sie Jukka aus den Augen. Ich ließ meine Arme um ihren Oberkörper und drückte sie sanft an mich. Sie starrte weiterhin aufs Bett, wo Jukka lag und schien mit ihren Gedanken weit weg. Würde es wieder so werden, wie den Tag im Wohnzimmer? Wo ihr anscheinend nur Jukka helfen konnte? Was sollte ich denn dann machen? Kurz darauf fing sie leicht an zu wippen und da ich sie festhielt und irgendwie Angst hatte, sie los zu lassen, wippte ich mit ihr mit. Ihre Tränen flossen unaufhörlich weiter, doch kein laut drang über ihre Lippen. Ich spürte, wie ihre Tränen auf meinen Armen landeten.

Lilja, wie kann ich dir nur helfen? Spürst du meine Anwesenheit? Fühlst du, das ich dir helfen möchte? Das ich für dich da bin? Immer? Ich hielt sie einfach nur fest und hoffte, das es das richtige war. Was hatte Jukka an diesem Abend gemacht? Richtig, er sprach leise mit ihr. Doch ich wusste gerade nicht, was ich sagen soll. Wusste ich ja auch nicht, ob Jukka wieder gesund werden würden. Natürlich wird er wieder gesund. Was dachte ich denn hier.

Ich fing leise an zu singen. Ein Lied, was meine Oma mir als kleines Kind immer vorgesungen hat, wenn ich mir weh getan oder Angst hatte. Ganz langsam ließ das wippen nach und die Tränen versiegten. Doch ihr Blick war weiter hin starr auf Jukka gerichtet. Ich weiß nicht, wie lange wir hier schon sitzen. Hab jegliches Zeitgefühl verloren. Und doch würde ich noch tagelang hier weiter mit Lilja auf dem Schoß sitzen, wenn es ihr hilft. Mit einmal schien es, als würde wieder leben in sie kehren. Sie sah sich kurz im Raum um und wendete den Kopf dann langsam in meine Richtung. Sah mir einfach nur in die Augen. Und ich versank regelrecht in die ihren. In diese fast blass blauen, traurigen Augen, die solch eine Angst ausstrahlten, das man sie am liebsten vor alles beschützen möchte.

*Liljas Sicht*

Zwischen meinen gedankengängen nahm ich irgendwann eine leise Stimme wahr. Jemand sang. Leise und wunderschön hörte sich das an. Und mir kam diese Stimme so bekannt vor. Das Lied allerdings kannte ich nicht. So schaute ich weiterhin zu Jukka und versuchte, alle meine Aufmerksamkeit auf das Lied und diese Stimme zu lenken. Ich spürte, das meine Tränen mit jedem gesungenem Wort mehr trockneten. Und irgendwann war auch das wippen verschwunden. Still saß ich hier.

Bei irgendjemanden auf dem Schoß, dessen Arme immer noch um mich lagen. Und doch war es mir nicht unangenehm. Es fühlte sich sogar recht gut an. Eine unheimliche Ruhe breitete sich, langsam aber sicher, in mir aus. Durchströmte meinen ganzen Körper. Ich atmete tief durch und sah mich kurz in Jukkas Zimmer um. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen und drehte meinen Kopf.

Ich drehte ihn zu der Person, in dessen Armen ich lag. Auf dessen Schoß ich sitze und der diese sanfte, liebliche Stimme besaß. Als erstes nahm ich seine blauen Augen wahr. Blau, wie der Ozean. So klar und rein. Ruhig und sanft, mit einem kleinen funkeln ruhten seine Augen auf den meinen. Liebevoll lächelte er mich an und mein Herz machte einen kleinen Sprung. Wollte es weg? Was passiert hier? Warum war mir das nicht unangenehm? Warum hatte ich keine Angst? Und warum fühlte es sich einfach nur so gut an? Ich würde sogar sagen, fast ein bisschen besser, als bei Jukka.

Oh mein Gott, was dachte ich hier nur. Ich löste mich vorsichtig aus seiner Umarmung und setzte mich wieder zu Jukka ans Bett. Rafa nuschelte irgendwas von Zigarette und war schon auf dem Weg nach unten. Hatte er es auch gefühlt? Diesen kurzen Moment von Freiheit? War es ihm unangenehm? Oder hatte ich irgendwas falsch gemacht? Hat er etwas erwartet? Eine Erklärung? Was anderes? Ich schob die Gedanken schnell beiseite, nahm Jukkas Hand und streichelte diese mit meiner anderen Hand. Du musst schnell wieder gesund werden, Jukka. Ich brauche dich doch.


Lost Memories (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt