Teil 27

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*Rafaels Sicht*

"Was suchst du denn?" fragte ich. Sie schaute mich wieder an und machte mit ihrer Hand eine komische Bewegung.

"Du suchst was zum schreiben?". Wieder nickte sie. Ich setzte sie aufs Bett und ich meinte kurz so etwas wie Enttäuschung in ihrem Blick zu erkennen. Ich ging zum Tisch, nahm mir den Block, Stift und die Taschentücher und setzte mich auf den Sessel. Ich nahm all meinen Mut zusammen und atmete tief durch.

"Möchtest du zu mir kommen?" fragte ich leise und hielt meine Arme auf. Ein minimales Lächeln huschte über ihre Lippen und mein Herz hatte kurzzeitig einen Aussetzer. Sie stand auf, kam auf mich zu und setzte sich, wenn auch etwas zögerlich, wieder auf meinen Schoß. Ich lächelte sie an, legte langsam meinen Arm um ihre Taille und ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Sie nahm mir den Block und den Stift aus der Hand und es hatte mit einmal den Eindruck, als wenn sie einen Rückzieher machen wollte.

Sollte ich sie ermutigen? Oder es dabei belassen und abwarten, ob sie irgendwann von alleine kommt? Doch wie konnte ich ihr helfen, wenn ich nichts wusste?

"Es ist ok, wenn du es mir nicht sagen möchtest" flüsterte ich ihr zu und lächelte sie leicht an. Sie sah mich lange an. Schweigend und ohne eine Miene zu verziehen. Dann nahm sie den Stift und schrieb etwas auf. Anschließend reichte sie mir den Block und ich hatte mit einmal etwas Angst, nachzuschauen. Doch ich riss mich zusammen und las es mir durch.

"Ich hatte Angst, das du mich alleine gelassen hast. Doch dann wurde ich wach und du warst noch da. Und dann brach irgendwie alles über mich zusammen." stand dort geschrieben. Wie kommt sie denn auf die Idee, das ich sie alleine lassen würde? Niemals könnte ich das. Dafür was sie mir schon viel zu wichtig geworden.

Ich überlegte mir gut, wie ich die nächsten Worte formierte. Wollte ich sie ja nicht erschrecken oder überfordern, mit Gefühle, die sie vielleicht gar nicht hat.

"Lilja, ich habe dir meine Freundschaft angeboten und dieses Angebot werde ich nicht zurück ziehen. Weder in guten, noch in schlechten Zeiten. Ich werde so lange an deiner Seite bleiben, bis du mich weg schickst. Freunde unterstützen und helfen sich in jeder Lebenslage. Ich werde dich nicht alleine lassen, wenn du das nicht möchtest, ok? Wenn dich irgendetwas belastet, du etwas brauchst oder ich dir einfach nur etwas gutes tun kann, dann sag es mir. Oder schreib es auf und ich werde mein bestes geben, dies zu erfüllen. Egal, was es ist" flüsterte ich schon fast. Ich sah, wie sie über die Worte nachdachte, bis sie schließlich nickte. Dabei umspielte ein minimales Lächeln ihre Lippen.

Erschöpft lehnte sie ihren Kopf an meine Brust. Ich streichelte mit dem Daumen sanft über ihren Rücken und kurz danach hörte ich ihr gleichmäßiges Atmen. Ich angelte nach der Decke, die auf dem anderen Sessel lag und deckte uns beide etwas zu. Ich legte beide Arme um sie und genoss die Nähe zwischen uns. Die Wärme, die sie ausstrahlte. Ihren zarten Duft, der meine Sinne fast benebelte. Oh, wie sehr musste ich mich gerade zusammen reißen, um sie nicht zu küssen. Ich spürte an meiner Brust, wie sich ihr Brustkorb gleichmäßig hob und senkte. Mein Herz raste förmlich und ich hatte das das Gefühl, das es gleich platzen würde. Noch nie hatte ich einer Frau gegenüber so intensive Gefühle. Noch nie schaltete sich mein Verstand fast automatisch aus, wenn ich nur an sie dachte. Doch fühlte sie dies auch? Oder war ich für sie nur ein Freund? Ich lehnte meinen Kopf an den Sessel und schloss für einen Moment die Augen. Doch dieser Moment reichte aus, um einzuschlafen. Einzuschlafen, mit der Frau im Arm, an der ich gerade mein Herz verlor.

*Liljas Sicht*

In seinen Worten und seinen Augen, lag soviel Ehrlichkeit, das ich keine Sekunde an seinen Worten zweifelte. Freunde. Das klang schön. Ich nickte und merkte, wie ein kurzes Lächeln über mein Gesicht huschte. Seine Augen strahlten mich einfach nur an. Ja fast als funkeln könnte man das bezeichnen. Dieser Moment war einfach nur wunderschön. Ich sitzte freiwillig auf seinen Schoß. Seine Hand spürte ich an meinem Rücken. Fühlte, wie sein Daumen sanft über diesen streichelte. Ungewohnt war dieses Gefühl definitiv. Doch auch beruhigend. Es war, als wenn es das natürlichste der Welt war. Keine Angst. Keine Zweifel. Keine Panik. Nur mein Herz, das schneller schlug und gleichzeitig eine wohltuende Wärme durch meinen Körper fließen ließ.

Müde lehnte ich meinen Kopf an seine Brust. Nur kurz ausruhen wollte ich. Wie kann es sein, das irgendwie alles so vertraut mit ihm ist? Wo wir uns doch fast gar nicht kannten? Und doch fühlte es sich richtig an. Ging es ihm auch so? Und mit diesen Gedanken schlief ich ein.

Als ich wieder die Augen öffnete, war es schon hell draussen. Ich saß immer noch auf Rafas Schoß. Auch er schlief und sah dabei schon süss aus. Doch diesen Gedanken schob ich gleich wieder beiseite. Ich drehte mich so um, das ich Jukka sehen konnte und er war wach. Er schaute uns einfach an. Als er sah, das ich wach war, lächelte er mich an. Es schien ihm besser zu gehen.

Ich kletterte vorsichtig von Rafas Schoß runter, um ihn nicht zu wecken, deckte ihn wieder zu und setzte mich zu Jukka aufs Bett. Als erstes messte ich bei ihm Fieber. 39,2 grad. Sah doch schon viel besser aus. Ich nahm Jukkas Hand und strich ihm seine verschwitzten Haare aus dem Gesicht.

"Was ist passiert? Ich weiß nur noch, das wir auf der Couch gesessen haben" flüsterte er. Ich nahm den Block und schrieb es ihm kurz auf. Er las es sich durch, schaute mich danach an und legte seine Hand auf meine Wange.

"Du schaust etwas blass aus. Ich hab dir bestimmt ein ordentlichen Schrecken eingejagt. Das wollte ich nicht. Gut, das du Rafa geholt hast. Er war dir bestimmt eine große Hilfe" sprach er leise und streichelte meine Wange dabei. Ich lächelte ihn kurz an und reichte ihm dann den mittlerweile kalten Tee. Er trank ihn in einem Zug aus und ich ging runter, um ihm neuen zu kochen.

Tapsi stand winselnd vor der Tür und so öffnete ich diese, damit sie raus konnte. Doch dort stand ein Riese von Mann. Gefühlt bestimmt 2m groß und nicht gerade schmal. Vor Schreck knallte ich aus Reflex die Tür zu und rannte nach oben. Ich kannte ihn nicht. Hatte ihn noch nie gesehen und ordentlich Angst. Was, wenn er zu den Typen gehört, die mir das angetan haben? Vielleicht suchten sie mich ja, weil sie Angst hatten, das ich sie bei der Polizei verraten würde? Wenn es so war, hatten sie mich nun gefunden. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was sie Jukka, Rafa oder mir antun würden. Doch so, wie ich ausgesehen hab, wollten sie garantiert nicht reden. Ich hätte weggehen sollen, als es mir besser ging. Nun hab ich unschuldige Menschen da mit reingezogen. Ich wollte nicht, das ihnen einer weh tat. Ich musste hier weg, sobald sich die Möglichkeit dazu bot.

Niemand dürfte Jukka etwas antun. Das hatte er nicht verdient. Und Rafa auch nicht. Tapsi. Oh gott, Tapsi ist draussen bei ihm. Ich hörte, wie es unten an der Tür klopfte und mein Herz raste, wie verrückt. Oben bei Jukka wusste ich nicht, was ich machen sollte.

"Was ist los? Du schaust aus, als ob du einen Geist gesehen hast" fragte Jukka mich. Und durch mein Lärm ist auch Rafa wach geworden. Er hörte, wie es klopfte und wollte runtergehen.

Lost Memories (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt