Kapitel 11 | Vermutungen.

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Ich hatte noch nicht einmal mein Klassenzimmer erreicht, da vernahm ich auch schon Taddl's tiefe, vertraute Stimme, die aus dem Stimmengewirr unüberhörbar hervor stach.
Er saß breit lächeln auf seinem Stuhl, mit einem weißen Pflaster auf der Nase das er sich von meinem Faustschlag eingeholt hatte.
Um ihn herum, wie könnte es anders sein, nach Aufmerksamkeit lechzende Mädchen, die ihm Besorgnis und Interesse vorheuchelten, sogleich wurde mir wieder leicht übel.
Als ich nun mit hoch erhobenem Haupt in die Klasse schritt, stob die Meute auseinander so das ich mich problemlos neben Taddl hinsetzen konnte und ihn provokant dabei ignorierte.
Natürlich spürte ich schlagartig den röntgenden Blick, der kalten stahlblauen Augen auf mir haften. Ich registrierte nur, als Taddl die Mädchen gespielt nett darum bat zu verschwinden, ehe er mir bestimmend auf die Schulter tippte. Das war ziemlich mutig von ihm gewesen denn er hätte sogleich noch einen Schlag kassiert, hätte ich mich nicht in diesen traurigen, kühlen blauen Augen für einen Herzschlag verloren die mich vorwurfsvoll anstarrten.
Wieso sah er mich denn so vorwurfsvoll an?
Und wieso ließ mich dies nicht kalt?
"Was?", fragte ich trocken und mied Taddls durchdringlichen Blick.
Der King schürzte die Lippen und zog eine Augenbraue eitel nach oben.
Es war fast so, als hätte Taddl verschiedene Persönlichkeiten. Einmal war er normal, einmal wieder der Macho und wenn man ihn ganz genau betrachtete war er verletzt und doch nur ein kleiner Junge der sich nach Nähe sehnte... oder ein psychisch geschädigter Vergewaltiger.
"Können wir nach der Schule reden?", Taddls stimme klang gedrückt und obwohl er ein arrogantes Glitzern in den blauen Augen hatte meinte er es ernst.
Einerseits wollte ich wirklich nichts mehr mit Taddl zutun haben, aber irgendwie musste ich ja den Rest des verdammten Schuljahres gut überstehen also nickte ich nur knapp.
Ich war besonders darauf bedacht meine Miene so undeutbar wie nur möglich zu gestalten damit Taddl ja nichts in den falschen Hals bekam.
"Gut, dann kommst du mit zu mir."
Warte.
Nein.
Ganz sicher nicht.
Ich blinzelte unsicher, was Taddl registrierte und ihn aufseufzen ließ. "Wir können aber auch gerne zu dir gehen, wenn du dich dann vor mir sicherer fühlst.", die letzten Worte waren mit einem Schuss traurigem Sarkasmus unterlegt was mich irgendwie leicht provozierte.
Der Junge ließ es tatsächlich so wirken als wäre ich der böse. Zumindest versuchter er mir ein schlechtes Gewissen einzureden. "Wenn du dich nicht beherrschst, kann ich dir gerne noch mal auf deine schöne Nase schlagen.", knurrte ich genervt und der neben mie sitzende grummelte nur unzufrieden.
Diesmal hatte ich ihm gezeigt, das man nicht einfach so mit mir umspringen konnte und welche Konsequenzen es hätte, würde er es nochmal versuchen.
Um ehrlich zu sein, ich hätte es verstanden und akzeptiert das Taddl ein bisschen auf mich stand, womöglich jedenfalls, aber die Aktion am Samstag konnte ich dem älteren wohl nie verzeihen.

(N)ever. | TARDYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt