Nach der Physikstunde hatten wir Pause und da es heute warm, gingen wir anstatt in die Cafeteria nach draußen und setzten uns an einen Tisch. Also Lena, ihr bester Freund Irdis und ich. doch wenig später kamen noch drei andere dazu, aus unserer Parallelklasse. Ewan und Kyle mit seiner Freundin Fedrica, die von allen einfach nur Fedi genannt wurde. Während Kyle und Fedi eher mit sich beschäftigt waren, wurde ich quasi von Ewan und Irdis mit Fragen bombardiert. Ich blieb einfach ruhig und beantwortete ihre Fragen so weit es eben ging, aber eigentlich war unsere Stimmung ganz ausgelassen und wir lachten auch mal hier und da über etwas. Naja, also so weit alles prima, bis Fedi anfing mich irritiert zu mustern. Und plötzlich wurde sie ganz nervös, fuhr sich durch die Haare und beugte sich etwas zu mir rüber.
"Ehm, unterbricht mich sofort wenn ich falsch liege aber ... warst du das nicht vor einem Jahr, die von Jeremys Dad ..." sagte sie leise und brach sofort ab, als Lena ihr gegen die Schulter schlug.
"Spinnst du?" fragte Lena leise und sah dann schnell zu mir rüber. Ich hatte den Blick stur auf den Tisch gerichtet, die Lippen zu einer geraden Linie verzogen, alle Farbe war mir aus dem Gesicht gewichen. Also wusste es hier doch jeder. oder zum mindest einige. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper und mir war gleichzeitig warm und kalt.
"Ehm ... Sandra?" fragte Irdis neben mir. ich zuckte leicht zusammen und sah dann kurz zu ihm auf, bevor ich meinen Blick wieder auf den Tisch.
"Wie viele in etwa wissen hier davon?" fragte ich direkt heraus und sah dann wieder auf, sah abwechselnd von Irdis zu Lena, zu Ewan, Kyle und schließlich zu Fedi. Diese zupfte nervös an ihren Haarspitzen herum.
"Naja, so ziemlich jeder. Oder jedenfalls unser Jahrgang und der unter uns, würde ich sagen" murmelte sie und zuckte die Schultern. ich lies meinen Blick über den Schulhof gleiten und blieb dann kurz bei den Footballern und Cheerleaderinnen hängen.
"Weist du, Jeremy ist eben der so ziemlich beliebteste hier. Da hat sich das mit seinem Dad und ..." weiter kam Kyle nicht, denn da war ich aufgesprungen und Richtung Eingang der Schule geeilt. Jetzt, wo ist wusste das die Hälfte der Schule genau wusste, wer ich war und was geschehen war, fühlte ich jeden Blick wie eine Flamme auf mir. Mein Atem kam viel zu schnell und in meinem Kopf bildete sich ein Nebel, der schwarze Punkte vor meinem Auge tanzen ließ. Ich eilte immer weiter, bis ich schließlich meinen nächsten Klassenraum, den Kunstraum, fand und mich direkt nach ganz hinten auf einen der Hocker hinter einer Staffelei setzte und die Augen schloss, um wieder ruhig zu werden. Ich wendete die Atemtechnik an, die meine Therapeutin mir gezeigt hatte, wenn ich mal in so eine Situation kam und ich war so erleichtert darüber, das es langsam besser wurde, das ich am liebsten losgeheult hätte.
"Hey" sagte jemand leise, doch trotzdem erschrak ich und sprang deswegen vom Hocker auf. Ich riss dabei die Augen auf und sah in die hellen, blauen Augen von Lena, die mich besorgt musterte. Leicht keuchend hielt ich mir eine Hand an die Brust und drehte mich kurz von ihr weg, um ruhig zu werden, dann aber setzte ich mich wieder auf den Hocker und auch sie setzte sich auf den neben meinem.
"Hey" presste ich hervor und starrte auf meine Hände. Sie zitterten, also verschränkte ich meine Finger ineinander und atmete tief ein und aus, bevor ich den Blick zu ihr hob.
"Alles okay? Ich weiß, Fedi ist sehr direkt ... aber es ist nicht so das wir dich auf dieses Thema festnageln und ausfragen wollen oder so" plapperte sie leise und leicht besorgt los und sah mich dabei ein wenig frustriert an. Ich zwang mir ein kleines Lächeln auf die Lippen und nickte.
"Schon okay, wirklich. Es ist nur ... ich bin noch nicht drüber hinweg. Deswegen reagier ich ... heftig darauf" murmelte ich und strich mir eine widerspenstige Haarsträhne hinter die Ohren.
"Hab ich gemerkt. Deswegen hatte ich dich auch nach Deutsch von den dreien weggezogen, weil ich dachte es würde dir schlecht dabei gehen, sie zu sehen" sagte sie und zuckte die Schultern. Sie zog ein Haargummi aus ihrer Hosentasche und Band sich die Haare hoch, dann bot sie mir auch eines an und ich nahm es dankend an, bis ich schließlich antwortete.
"Ich hab mich erst ein wenig unbehaglich gefühlt, aber eigentlich ging's dann. Weist du, sie haben wir damals geholfen ... also wieso Angst vor ihnen haben?" murmelte ich, während ich meine langen Haare im Nacken zu einem Dutt Band. Zu einer Antwort kam Lena nicht, da es klingelte und sofort die Schüler aus unserer Klasse in den Kunstraum stürmten. Irdis kam direkt auf uns zu und ließ sich auf die andere Seite von mir nieder. Als auch er mich leicht besorgt ansah, lächelte ich ihm bloß zu und drehte mich dann wieder nach vorne, da unsere Kunsehrerin Mrs. Chèar den Raum betrat und auch sofort loslegte.
Der restliche Schultag war still verlaufen. Ich hatte in keinem Unterricht mehr neben einen der drei gehockt und auch so hatten wir kein Wort mehr miteinander gewechselt, was mir relativ recht war, denn jetzt wo ich ja wusste das jeder über damals im Bilde war, wollte ich ihnen lieber aus dem weg gehen. Ich hatte eher was mit Lena, Irdis, Ewan, Kyle und Fedi gemacht, die sich übrigens im nachhinein noch mal ausgiebig bei mir entschuldigt hatte.
Doch nun setzte ich mich schließlich in meinen Camaro und fuhr nach Hause, was mich mehr als nur erleichterte und auch meine Anspannung etwas nachließ. Dad war noch arbeiten und Mom ebenfalls. In der Küche am Kühlschrank hing ein Zettel, das Mom mir etwas zum Mittagessen gemacht hatte, doch Hunger hatte ich wenig. Also ging ich einfach hoch ins Badezimmere, welches zu meinem Schlafzimmer gehört. Vorher drehte ich noch die Musik laut auf, dann ließ ich das Wasser in die Wanne laufen und kippte mehr als nötig Badeschaum hinein, damit es schön schaumig wurde. Seufzend streifte ich meine Klamotten ab, Band mir meine Haare hoch und stieg dann ins dampfende Wasser.
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Wenn die Vergangenheit dich einholt.
Novela JuvenilIch nehme mir einen Moment, ich nehme mir nur diesen einen Moment und denk darüber nach, was mir passiert ist. Und gerade wenn ich mir diesen Moment nehme, werde ich erneut hineingezogen. In diese Fabrik. In die Angst. In dieses Gefühl, wenn er mich...