Kapitel 17 - Ich mag dich

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"Darf ich reinkommen?", flüsterte ich mit zittriger Stimme. Gott, wieso war ich so verunsichert?
"Ähh. Na gut. Wenn es unbedingt sein muss."
Er ging ein Schritt zur Seite und machte mir somit Platz, ins Haus gehen zu können. Ich faltete die Hände ineinander und merkte wie kalt sie waren. Das lag sicher an dem Wetter. Ganz bestimmt...
Ich zog meine Schuhe und Jacke aus und stand dann ein wenig hilflos im Raum.
"Willst du was trinken?", fragte Dylan um die Stille zu unterbrechen. Als Antwort schüttelte ich mit dem Kopf. Dann war es wieder ruhig.
"Okay Brooke. Was ist los? Du wolltest zu mir und jetzt bist du hier. Doch bestimmt nicht einfach so. Willst du mir was sagen?"
"Ja ich... Also. Es geht um Lucy. Irgendwie..."
Er zog eine Augenbraue nach oben und sah mich skeptisch an.
"Wollen wir uns darüber in meinem Zimmer unterhalten?" Ich nickte nur und folgte ihm. Dann setzte ich mich im Schneidersitz auf sein Bett und er auf seinen Drehstuhl, der dem Bett gegenüber stand. Bevor ich weiter sprach, schaute ich mich gründlich im Zimmer um. Okay, ja, um Zeit zu schinden, aber auch weil es mich interessierte, wie er so lebte.

"Schönes Zimmer. Hast..."
"Brooke!", unterbrach er mich streng. Unschuldig blickte ich in seine schönen grünen Augen.
"Ist ja gut. Ähm also... Ich war gerade bei Blake, als Lucy völlig aufgelöst ankam. Sie meinte irgendetwas von totaler Blamage und so..." Ich kicherte nervös. "Jedenfalls... Ich mache es kurz... Hast du 'ne Freundin oder bist in ein Mädchen verliebt, dass nicht Lucy Stone heißt?"
"Wieso willst du das wissen?"
"Ich will es gar nicht wissen. Lucy will... Und ich wurd geschickt um es herauszufinden."
So wie ich es ausgedrückt hatte, klang es, als würde ich ihn für irgendwas ausnutzen. So war das aber gar nicht gemeint. Vielleicht hörte es sich aber auch nur für mich komisch an.
"Ist das eine ernst gemeinte Frage? Hast du's echt nicht gecheckt?"
Verwirrt sah ich ihn an. Wovon redete er denn bitte?
"Ja, da gibt es ein Mädchen. Dieses Mädchen hat jedoch einen Freund und es bringt mich um sie und ihn gemeinsam zu sehen. Deshalb bin ich ihr die letzten Tage aus dem Weg gegangen."
Ohh. Damit hatte ich irgendwie nicht gerechnet. Es versetzte mir ein kleinen Stich ins Herz, dass es ein anderes Mädchen gab. Andererseits tat sie mir auch leid. Lucy würde sie so quälen, die Arme.
Dylan deutete meinen Gesichtsausdruck wohl so, dass ich immer noch keine Ahnung hatte, was los war.
"Meine Güte! Brooke... Willst du es nicht sehen oder bist du wirklich so dumm? Wieso wollte ich wohl so oft Zeit mit dir verbringen? Bestimmt nicht, um herauszufinden, wo du deine Klamotten kaufst. Ich mag dich..., aber du und Blake..."
Ich unterbrach ihn mit einem:"Warte! Was?!" und sprang vom Bett auf.
Mein Kopf brauchte eine Weile um alles zu verarbeiten, während mein Herz schon wild begonnen hatte zu schlagen. Ich? Ich bin das Mädchen, welches Schuld ist, dass er Lucy abgewiesen hatte? Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, dass aber sofort wieder, zusammen mit meiner Gesichtsfarbe, verschwand, als mir klar wurde, was das bedeutete. Wenn Lucy erfahren würde, dass Dylan wegen mir nicht mit ihr zusammen war, dann... Scheiße.
"Dylan. Das ähh..."
Ich kratzte mir am Hinterkopf. Was sollte ich jetzt nur tun?
Ihm die Wahrheit erzählen? -Niemals!
Lügen? -Klang schon besser...
"Das ist echt süß, aber Blake...", mehr schaffte ich nicht zu sagen, bevor meine Stimme brach.
Dylan hob die Hände und ich hielt die Luft an.
"Ich weiß, ich weiß. Du und Blake sind verliebt. Das hätte ich mir eigentlich von Anfang an denken können."
Ich schluckte laut. Genau, verliebt...
"Dylan. Wir sind ja nicht mal richtig miteinander ausgegangen. Vor allem meine Eltern würden es hassen und Lucy würde so traurig sein..." das war nicht mal komplett gelogen. Meine Eltern hatten von Anfang an etwas gegen Dylan. Zwar lag das an seinen Eltern, aber dafür konnte ich ja nichts.
"Meine Eltern wären sicher auch alles andere als begeistert und Lucy würde mich womöglich 'ne verdammt lange Zeit ignorieren, aber dass wäre es wert."

Mein Herz klopfte wie wild während seiner Worte. Es wäre so einfach ihm jetzt in die Arme zu fallen und zu küssen, aber wollte ich das überhaupt? Er wäre bereit für mich Ärger mit Lucy und seinen Eltern in Kauf zunehmen, obwohl erstere wohl mehr machen würde. Aber nicht nur er, sondern auch ich würde von Lucy gequält werden. Ich hatte gehört, wie sie vorhin reagiert hatte, ohne zu wissen, ob überhaupt ein anderes Mädchen existierte.
Ich schaute zu dem Jungen mit den schönen Augen auf und bei seinem schiefen Grinsen, musste ich ebenfalls lächeln.
Warum nicht? Warum sollte ich es nicht einfach mit uns beiden versuchen? Was könnte Lucy schon groß über mich heraus finden. Ist ja nicht so, dass ich jemanden umgebracht hatte und nun die Leiche versteckte. Und auf die Freundschaft mit ihr könnte ich weiß Gott wirklich verzichten.

Gerade als ich den Mund geöffnet hatte, fiel mir ein, dass ich sehr wohl Leichen im Keller hatte. Sie dachten alle, von Dylan mal abgesehen, dass ich reich wär und meine Eltern erfolgreiche Unternehmer. Plötzlich wurde ich kreidebleich. Lucy würde so lang forschen, bis sie hinter mein Geheimnis kam. Das war ja nicht sonderlich schwer. Sie musste nur an meinem Fake Haus klingel und jemand müsste ihr aufmachen, sie verwundert anschauen und raus schmeißen.
Ich bekam es mit der Angst zu tun. Vielleicht war das der Grund, warum ich eine schnelle Entschuldigung murmelte und abhaute. Wahrscheinlich übertrieb ich, aber ich hatte bei der ganzen Sache plötzlich ein ganz ungutes Gefühl. Ich wollte nicht, dass Lucy mein Leben zerstörte, was sie unweigerlich tun würde. Vielleicht so sehr, dass ich Dylan dann noch nicht mal mehr hatte, obwohl er der Grund wäre, warum das alles erst passiert war... Oder würde? Ich war von dem ganzen 'Was wäre wenn?' schon extrem verwirrt.

Als ich zuhause ankam, ich war den ganzen Weg gelaufen, war ich durchgefroren und müde. Ich beschloss heute mal früher zu schlafen und legte mich sofort, nach dem ich etwas gegessen hatte ins Bett. Mein Handy hatte ich schon ausgeschaltet, damit Lucy mich 18:00 Uhr nicht erreichen konnte.
Ich war mir noch nicht sicher, was ich ihr sagen würde. Dass es da ein Mädchen gab, ich aber nicht wüsste wer es war und somit die Aufmerksamkeit von mir ablenkte... Oder, dass es kein Mädchen gab und er einfach nur schüchtern war? Was klang wohl glaubhafter? Bei der ersten Variante würde sie Dylan jedoch hassen und bei der zweiten würde sie sich weiter an ihn ranmachen. Keins der beiden Optionen gefiel mir besonders gut.

Am nächsten Morgen hatten wir endlich offiziell eine Woche Ferien, was gleichzeitig auch bedeutete, dass ich ab heute eine Woche im Laden meiner Eltern helfen musste.
Pünktlich um zehn Uhr trudelte ich im Kiosk meiner Eltern ein.
"Guten Morgen Mum, guten Morgen Dad." Meine Eltern lächelten mir freundlich zu. Ich schaute mich kurz um und sah einen Kunden am Regal stehen. Na besonders voll, so dass sie meine Hilfe brauchten, sah es ja nicht aus.
Sie schickten mich hinten ins Lager, um Inventur zumachen. Wie ich es hasste, all diese Waren zu zählen.
Gegen Mittag hatte ich noch nicht mal die Hälfte geschafft, als meine Mutter zu mir kam.
"Schatz? Dein Vater und ich machen kurz Mittagspause. Stell dich bitte hinter die Kasse, falls ein Kunde kommt. Wir bringen die was zu essen mit."
Ich nickte nur und tat, wie mir befohlen.

Keine Minute, nach dem ich vorn im Laden stand, klingelte es, was das Zeichen dafür war, dass die Tür geöffnet wurde.
Ich setzte ein strahlendes Lächeln auf, auf welches jeder Filmstar neidisch gewesen wäre. Als ich jedoch den Kunden sah, verschwand mein Lächeln plötzlich.

Sometimes love is not enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt