Kapitel 20 - Das ändert nichts

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"Dylan?", murmelte ich leise, als ich das Telefonat mit Lucy beendet hatte und zurück in mein Zimmer lief. Er drehte sich zu mir um und schenkte mir ein atemberaubendes Lächeln.
"Brooke?", sagte er in der gleichen Stimmlage wie ich kurz zuvor. Langsam kam er auf mich zu, bis er ein paar Zentimeter vor mir zum stehen kam.
"Der Kuss eben...", begann ich, "Das darf nicht wieder passieren. Ich... Fühle nichts für dich." Ich versuchte, einen selbstbewussten Ausdruck zu erwecken, aber ich glaubte nicht, dass mir das sonderlich gut gelang.
"Brooke, das kann nicht dein Ernst sein. Dieser Kuss war unglaublich und du kannst unmöglich so anders fühlen als ich."

Er fand den Kuss unglaublich.

"Wenn es wegen Blake ist..."
Ich entschloss mich wenigstens in diesem Punkt ehrlich zu sein.
"Für Blake empfinde ich nichts... Ich habe ihn geküsst, ja, aber danach ist mir klar geworden, dass das mit uns nichts werden kann.", nuschelte ich, zum Schluss immer leiser werdend. Dylan kam mir so nah, dass ich plötzlich seinen Atem auf meinen Lippen und Haut spürte.
"Brooke. Ich bitte dich. Ich weiß doch, dass du bei diesem Kuss etwas gespürt hast und wenn du nicht durch Blake aufgehalten wirst, warum dann?"
Er kam näher und begann damit, viele kleine Küsse auf meinen Hals zu verteilen. Mein Gehirn schaltete sich in dem Moment ab, als seine Lippen meine Haut berührten. Langsam arbeitete er sich zu meinem Mund hoch. Doch plötzlich reagierte ich schnell und drückte ihn weg. Wenn er mich jetzt geküsst hätte, dann wäre ich ihm womöglich noch verfallen.
Dylan betrachtete mich mit einem traurigen Gesichtsausdruck. Konnte er es wirklich so ernst meinen? Sprach er ernsthaft von Liebe?
"Brooke", er stockte kurz, "wenn du mir jetzt sagst, dass du nichts für mich empfindest und ich mich wirklich so getäuscht habe", an dieser Stelle lächelte er kurz, "dann werde ich auf der Stelle gehen und dich für immer zufrieden lassen."

Ich schluckte, als ich verarbeitet hatte, was er gerade sagte, atmete drei mal tief durch und dann...
"Ich empfinde rein gar nichts für dich.", sprach ich in normaler Stimmlage und mit einem kalten Ausdruck im Gesicht.
Angespannt leckte Dylan sich über die Lippen, bevor er sich mit nur einem Wort umdrehte und ging:"Okay." Damit verließ er mein Zimmer, mein Haus, mein Leben...

Eine kleine Träne bildete sich in meinen Augen, die ich jedoch schnell weg blinzelte. So schlimm war es nicht. Vielleicht bildete ich mir ein, Gefühle für diesen Jungen zu haben, weil er mir indirekt gestanden hatte, dass er auch welche für mich hatte. Ja, das müsste es sein. Das war mir schon einmal passiert. Damals in der dritten Klasse meinte mein Banknachbar zu mir, dass er mich liebte. In meinem kindlichen Leichtsinn, meinte ich natürlich, dass ich ihn auch lieben würde. Damals hatte ich jedoch noch keine Ahnung von Liebe und wenn ich es recht betrachtete, dann hatte ich das jetzt immer noch nicht.

Am nächsten Tag wachte ich auf, machte mich fertig und half meinen Eltern im Geschäft. Diesmal tauchte kein betrunkender Dylan auf. Ich bin nicht sicher, ob mich das freuen sollte oder eher nicht...
Jedenfalls hatte ich mich 14:00 Uhr mit Rose verabredet, weshalb ich den Laden ganze drei Stunden eher verließ, meinen Eltern aber versprach, am nächsten Tag länger zu arbeiten.

Kurz nach zwei klingelte ich an der Tür von Rose' Villa. Ungewöhnlicher Weise öffnete diesmal direkt Roseta die Tür. Sofort versuchte ich von ihrem Gesicht irgendeine Emotion abzulesen. War sie immer noch traurig wegen Rayn? Oder hatte Rayns Plan funktioniert und sie war glücklich? Oder vielleicht hasste sie mich, weil ich bei diesem idiotischen Plan mitgemacht hatte?
Rose war jedoch gut darin, nicht mal irgendeinen Hauch von Emotionen zu zeigen.
"Brooke. Komm rein." Sie klang kalt, wie ein Eiswürfel. Jedoch tat ich trotzdem, wie mir befohlen und streifte kurze Zeit später meine Schuhe von den Füßen. Wir gingen hoch in ihr Zimmer und setzten uns auf die Couch, auf der ich vor knapp zwei Wochen geschlafen hatte. Wie viel in der Zeit doch passiert ist.
"Was fällt dir eigentlich ein, bei Rayns beschissenem Plan mitzumachen?", fuhr sie mich nach ein paar Sekunden absoluter Stille an. Ich zuckte zusammen und traute mich nicht, nach oben, in ihr Gesicht zu schauen. "Ich dachte, dass wenn es klappen würde, ihr wieder zusammen und du somit glücklich wärst.", nuschelte ich leise. Ich hörte, wie Roseta tief ausatmete. "Eigentlich kann ich dir gar keine Vorwürfe machen. Ich mein... Ich war ja auch nicht ganz ehrlich zu dir." Verwundert blickte ich nach oben, Rose dafür nach unten. "Wie meinst du das?" Vorsicht tätschelte ich ihre Schulter, um ihr zu signalisieren, dass ich bei ihr war. "Na ja... Also,... Ich habe gesehen, dass Becky Rayn geküsst hat und er sie anschließend weg gedrückt hat.", gestand sie mir schließlich. Mein Mund klappte auf.
"Ja, aber... Wie...? Ich meine, wenn du das wusstest, dann..."
Ich stoppte, zu sehr verwirrte mich das eben von ihr Gesagte.

"Brooke. Ich muss dir was gestehen. Also, ich weiß nicht genau, ob es wirklich so ist oder ob ich es mir nur einbilde... Vielleicht ist es tatsächlich alles nur Einbildung. Verdammt, das würde die ganze Sache um so vieles leichter machen, aber..."
Ich fasste ihr auf die Schultern und schüttelte sie leicht, während ich sprach:"Roseta, beruhig dich. Atme ein paar mal tief ein und aus und dann erzähl mir, langsam, was los ist." Während ich versuchte sie zu beruhigen, runzelte ich die Stirn. Was war nur los? Oh Gott, was wenn sie in Schwierigkeiten steckte? Aber was hatte das mit ihrer Beziehung zu Rayn zu tun?
"Ich bin mir schon länger nicht mehr sicher, was meine Gefühle für Rayn betreffen.", begann sie ihre Rede. "Vor circa zwei Monaten habe ich diesen Typen auf einer Party kennengelernt..." "Du hast Rayn betrogen!?", schrie ich panisch dazwischen. Mit weit geöffneten Augen schüttelt sie den Kopf. "Nein, also... Nicht so richtig. Ich meine, ich habe diesen Typen kennengelernt und wir haben uns sofort super verstanden und uns für später verabredet. Mir war klar, dass er schwul war", sie zuckte mit den Schultern, "Man hat es ihm irgendwie angesehen. Jedenfalls hat er ein paar Freunde von sich mitgebracht..." Sie stoppte wieder. Vielleicht hätte ich ihr Mut zusprechen sollen, aber ich fieberte selbst einfach viel zu stark mit, um etwas sagen zu können.
"Es war sein fester Freund dabei und... Eine Lesbe. Ich weiß nicht, wieso sie das dachte, aber sie hielt mich ebenfalls für homosexuell. Sie hat mit mir geflirtet und... Ich habe es genossen. Mein ganzer Körper kribbelte bei ihren Berührungen und mein Herz klopfte wie wild. Es war so anders, als bei Rayn, so viel besser...", schwärmte sie leise.
Sie endete und schaute mich an. Ich spürte ihren Blick auf mir, wie sie jede meiner Bewegungen beobachtete. In meinem Kopf ratterte es. Wollte sie mir damit sagen, dass sie lesbisch sei? Oder das sie denkt, sie sei es?
"Brooke. Sag doch bitte was.", murmelte Rose leise und Tränen stiegen ihr im die Augen. Ich hätte so gern etwas gesagt, aber ich konnte nicht.
"Ich brauche deine Hilfe. Was wenn ich wirklich lesbisch bin? Das würde alles verändern."
Meine Gedanken schienen zu explodieren.
"Du musst Rayn die Wahrheit sagen. Oder zumindest das er, egal was er macht, dich nicht zurück bekommen kann. Das bist du ihm schuldig.", murmelte ich monoton. Es war nicht leicht, mal eben zu verarbeiten, dass deine Freundin vielleicht lesbisch ist. "Ich weiß Brooke, aber bevor ich das tu, möchte ich selbst erst einmal wissen, was mit mir los ist." Ich nickte verständnisvoll.
"Wir sind aber noch Freunde, oder? Ich mein, ich könnte es verstehen, wenn du mich jetzt hasst, aber... ich habe dich wirklich lieb Brooke und unsere Freundschaft bedeutet mir wirklich viel. "
Traurig blickte Rose in mein Gesicht.
"Oh mein Gott, Rose.", endlich hatte ich mich gefasst,"Das ändert überhaupt nichts. Du bist doch immer noch die kleine süße Rose. Nun halt eben nicht mehr mit Rayn sondern mit... ähm Linda. Oder so..."
Rose Augen wurden groß und sie brach in Gelächter aus, für eine kurze Zeit, dann würde sie aber wieder ernst.
"Was hast du jetzt vor?", fragte ich sie schließlich. Sie zuckte jedoch nur mit den Schultern und starrte auf einen Punkt hinter mir.
"Ich muss herausfinden, ob ich auf Frauen oder auf Männer stehe, schätze ich."
"Oder auf beides.", ergänzte ich. Sie nickte zustimmend, bevor sie weiter sprach.
"Du musst mir helfen, bitte."
"Wie soll ich dir denn helfen?", fragte ich ein wenig verwirrt. Die Erkenntnis kam mir jedoch langsam, als Rose leicht rot wurde.
"Ohh... also weißt du. Ich steh zwar nicht auf Frauen, aber... Denkst du es ist eine gute Idee wenn wir uns küssen? Nicht das unsere Freundschaft drunter leidet." Scheiße war das peinlich...
Rose plötzliches schallendes Gelächter machte es auch nicht wirklich besser. Wieso lachte sie? Verständnislos blickten meine Augen in ihre. Was war daran bitte so lustig? Ein wenig beleidigt verschränkte ich die Arme vor der Brust. Roseta tat ihr Lachen anscheinend leid, denn sie stoppte sofort. "Sorry Brooke. Du bist wunderschön und so, aber du hast recht. Es wäre so mega komisch, wenn wir uns küssen. Nein, eigentlich wollte ich nur, dass du mir irgendwie hilfst. Wenn ich ein Date habe, also... Das du dann...", druckste sie herum. "Das ich dann?", half ich ihr auf die Sprünge. "Könntest du dann vielleicht mitkommen? Nur am Anfang, wenn ich mir so unsicher bin.", sie kniete sich vor mich, "Bitte, Brooke. Bitte!" Sie sah mich mit einem Welpenblick an, bei dem man einfach nachgeben musste.
"In Ordnung, aber unter einer Bedingung. Du erzählst Rayn die Wahrheit, sobald du sie kennst." Rose nickte eifrig und fiel mir dann wieder in die Arme.
"Danke Brooke. Was würde ich nur ohne dich tun?!"

Sometimes love is not enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt