Kapitel 33 - Begrenzt ist das Leben doch unendlich ist die Erinnerung

331 28 2
                                    

Ich spürte eine unglaubliche Hitze, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Als ich meine Augen aufriss, wurde mir auch klar warum. Dylan lag mit seinem ganzen Gewicht auf mir und erdrückte mich förmlich. Als ich versuchte mich zu befreien, ohne ihn dabei zu wecken, rollte er sich plötzlich auf die andere Seite und nuschelte ein paar Worte, die ich nicht verstand. Erleichtert stand ich auf.
Fünf Minuten später stand ich vor der Dusche in Dylans Bad und überlegte, ob ich jetzt duschen sollte oder später, damit ich ihn nicht wach machte. Schließlich entschied ich mich für jetzt. Das warme Wasser, welches über mein Körper lief, tat wirklich gut. Es spülte all meinen Kummer und meine Sorgen weg und für einen Moment fühlte ich mich so frei und unbeschwert, wie schon lange nicht mehr. Wenn ich genauer drüber nachdachte, habe ich mich nicht mehr so gefühlt, seit ich auf diese Schule gewechselt habe. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich jeden Tag lügen musste und meinen Freunden vorspielte jemand zu sein, der ich gar nicht war. Dabei war das alles total unnötig, wie sich im Nachhinein herausstellt hatte..., aber im Nachhinein war man immer schlauer.

Ich stellte das Wasser ab und trat aus der Dusche. Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, zog ich meine Jeans von gestern und einen Pulli von Dylan an. Trotz der eigentlich warmen Jahreszeit war es noch ziemlich frisch draußen. Meine Haare rubbelte ich so trocken, wie es mit dem Handtuch ging. Dann ging ich raus in die Küche. Ich hielt einen Moment inne und horchte, ob jemand zuhause war. Da ich niemanden hörte, ging ich davon aus, noch immer allein mit Dylan zu sein. Ich entschied mich dazu, uns zwei Frühstück zu machen und holte alle Zutaten heraus, die man für Pfannkuchen brauchte.  Während die Pfannkuchen langsam braun wurden, stöberte ich ein wenig in der Zeitung. Plötzlich wurde ich stutzig. Was hatte das zu bedeuten? Ich hatte die Seite mit den Wohnungsanzeigen aufgeschlagen und zu meiner Überraschung waren dort ein paar Wohnungen eingekreist. Wollten Dylans Eltern etwa umziehen? Ich hörte wie die Dusche anging und erschrak leicht. Ich schaute mir die Wohnung genauer an. Sie waren alle ziemlich weit weg. Was hatte das zu bedeuten? Dylan und seine Eltern sind doch erst hierhergezogen. Warum sollten sie dann schon wieder wegziehen, vor allem wo sie doch ihren eigenen Laden hier hatten? Die Wohnung waren außerdem ziemlich groß. Zu groß für zwei Personen. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Dylan würde doch hier bleiben oder nicht? In dem Moment trat er, nur mit einem Handtuch um den Hüften, in die Küche. Strahlend gab er mir einen Kuss auf den Mund und drehte sich dann zum Herd um.
"Du machst Pfannkuchen? Du bist wirklich die beste Freundin auf der Welt." Er dreht sich wieder zu mir um. Als er sah, dass ich keineswegs lächelte, verschwand auch sein Lächeln. Sein Blick fiel auf die Zeitung, welche vor mir auf dem Tisch lag.
"Brooke. Ich kann das erklären." Er fuhr sich verlegen durch die noch feuchten Haare. Ich zog eine Augenbraue hoch. Wenn er schon so anfing, dann konnte das Gespräch nicht gut enden.
"Meine Eltern wollen umziehen und naja... Ich komme mit ihnen." Dylan sah mich unsicher an. Ein paar Minuten vergingen, ohne das jemand etwas sagte.
"Bist du sauer? Oder traurig? Bitte sag doch etwas.", sagte er dann, doch ich wusste es selber nicht. Jetzt, wo er mir gesagt hatte, dass er weg ging... Jetzt wo ich Gewissheit hatte, wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte.
"Brooke? Sag doch was!", wiederholte er nochmal. Dylan kam auf mich zu und legte mir eine Hand an die Wange, die andere um meine Taille. Es war ein komisches Gefühl, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich saß wie eingefroren da und wagte es nicht mich zu bewegen. Ich versuchte drüber nachzudenken, was das für unsere Beziehung bedeuten würde.
"Wann?", hauchte ich leise. Dylan runzelte die Stirn und sagte schließlich:"Schon in drei Wochen." In drei Wochen? Er würde nicht mal die Sommerferien über hier bleiben? "Warum?", wollte ich noch wissen. "Der Laden meiner Eltern läuft schlecht und meiner Oma geht es nicht gut. Sie wird bald sterben... Das geht meiner Mutter ziemlich nah, deshalb sind meine Eltern übers Wochenende auch zu meinen Großeltern gefahren. Sie möchte die letzten Wochen bei ihr sein und nach ihrem Tod für meinen Opa da sein.
"Das... Das tut mir wirklich leid für dich... Euch, aber oh mein Gott! Du hättest mir Bescheid geben müssen." Dylan löste sich aus unserer halben Umarmung und sah mich traurig an. "Ich weiß... Es tut mir leid." Ich schüttelte den Kopf. Eigentlich hatte ich eine riesige Szene erwartet, aber ich war ganz ruhig und er auch.
"Du kannst mir nicht verheimlichen, dass du in drei Wochen umziehst und dich danach einfach so entschuldigen." Ich stockte kurz, als ich die Schuldgefühle in seinen Augen aufblitzen sah.
"Verdammt. Wie soll das mit uns weiter gehen, wenn wir 200 Kilometer auseinander wohnen? Und das Schlimmste ist, dass du es mir nicht gesagt hast. Wie soll ich mich deiner Meinung nach fühlen? Was soll ich denken? Er wollte mich noch schnell flachlegen, bevor ich ihn nie wieder sehe?" Ich sprach langsam, deutlich und vor allem kalt. Es wunderte mich selbst, dass ich so gefühllos klingen konnte. "Brooke! Wie kannst du sowas auch nur denken? Das würde ich nie tun. Das weißt du doch." Ich senkte den Kopf.
"Ja, eigentlich schon, aber mit dem Gedanken im Hinterkopf, ist es was ganz anderes. Dass wir miteinander geschlafen haben, meine ich."
"Wieso ist es was anderes? Ich liebe dich noch immer, obwohl ich umziehe." Er sah mich verzweifelt an. So hatte er sich das ganze Gespräch sicher nicht vorgestellt. Ich hatte jedoch auch eine andere Vorstellung von meinem perfekten Morgen.
"Ich... Ich weiß nicht was ich denken soll." Ich war froh, als ich die Tränen spürte, die mir in die Augen traten, denn zur gleichen Zeit spürte ich auch die Trauer und den Schmerz in mir. Ich war einfach froh darüber, irgendwas zu spüren. Dylan nahm mich in die Arme doch ich drückte ihn weg. Auch er sah verletzt aus, aber das war seine Schuld. Ich konnte nichts dafür, dass er so ein Arsch war.
"Ich.. Ich brauche jetzt ein wenig Abstand von... dir - von allem." Schnell rannte ich in Dylans Schlafzimmer und sammelte meine wichtigsten Sachen zusammen. Dylan folgte mir und redete auf mich ein, aber ich hörte nicht zu.
Als ich mir im Flur meine Schuhe anzog, umfasste Dylan mein Handgelenk und hielt mich so davon ab, zu gehen.
"Ich bitte dich. Ich kann doch nichts dafür, dass wir umziehen. Wenn ich es ändern könnte, ich würde es verdammt nochmal tun."
Ich sah ihn ungläubig an. "Dylan! Natürlich kannst du nichts dafür, dass ihr umzieht. Das sag ich ja auch gar nicht. Aber du hast mich angelogen! Bei so einer wichtigen Sache... Das ist viel schlimmer, als alles andere. Wie soll ich dir vertrauen können? Und wie sollte es deiner Meinung nach weitergehen?"
"Ich habe dich nur belogen, damit wir die letzten Tage, bevor ich umziehe, noch genießen können. Ich habe es getan weil ich dich liebe.", flüsterte Dylan. Fast hätten seine Worte mich weich geklopft, aber meine Enttäuschung war zu groß. Ich riss mich los, schulterte meine Tasche und ging raus. Wohin genau wusste ich noch nicht, aber sicher nicht zu meinen Eltern. Die würden mir wahrscheinlich noch mit einem blöden Spruch kommen. Das bräuchte ich jetzt nicht.

Sometimes love is not enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt