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Kommissar Berger trat zusammen mit seinem Kollegen Manfred Flemming durch das Gartentor der Familie Feldmann. Der Garten sah gepflegt aber nicht zu ordentlich aus. Vor der Garage parkte etwas schief ein teuer aussehender, dunkelgrauer Mercedes.

„Ziemlich gut betucht", stellte Flemming mit etwas neidischem Blick auf das Auto fest.

„Der Vater hat eine eigene Hausarztpraxis", erwiderte Berger, als würde das alles erklären.

Das Haus unterschied sich wenig von den Nachbarhäusern, ein ganz normales Einfamilienhaus mit Erd- und Obergeschoss. Direkt vor der Haustür stand ein knallrotes Damenfahrrad und wartete darauf, seine Besitzerin ans Ziel zu bringen. Unter dem Lenker war ein Sticker mit dem Schriftzug „Backstreet Boys" angebracht. Das Rad musste Kristina Feldmann gehören, der jüngeren Schwester von Stefan Feldmann.

Berger schob sich an dem Fahrrad vorbei und drückte den Klingelknopf. Wenig später wurde die Tür aufgerissen und ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen mit langen, hellbraunen Haaren sah die beiden Polizisten überrascht an. Sie trug einen Jeansrock und eine Jeansjacke in derselben Farbe, darunter ein enges, gestreiftes Oberteil, das viel zu kurz war. Ihre hellen, braunen Augen waren viel zu stark mit hellblauem Glitzerliedschatten geschminkt. Berger hätte seine Tochter in diesem Aufzug nicht in die Schule gelassen, doch Dr. Feldmann und seine Gattin schienen liberalere Ansichten bei der Kindererziehung zu haben.

„Hallo, du musst Kristina sein?", begrüßte Berger das Mädchen in freundlichem Ton.

„Ja." Ihr Ton hörte sich etwas misstrauisch an.

„Ich bin Kommissar Berger und das ist mein Kollege Flemming. Wir sind von der Polizei. Sind deine Eltern da?"

„Kristina, wer ist da?", rief eine Männerstimme aus dem Inneren des Hauses. Dann trat ein großer, schlanker Mann Mitte vierzig neben das Mädchen. Er hatte die gleiche Haarfarbe wie seine Kinder und die Ähnlichkeit zu seinem Sohn war verblüffend. Nur waren seine Augen blau und nicht braun.

Er bedeutete seiner Tochter, wieder ins Haus zu gehen und wandte sich dann an die Kriminalbeamten.

„Ich nehme an, Sie sind wegen Julia hier?"

„Da liegen Sie richtig. Können wir hereinkommen? Und könnten Sie bitte Stefan holen?"

Noch bevor Dr. Feldmann etwas erwidern konnte, schob sich Berger an ihm vorbei in den Hausflur. Sein Kollege folgte ihm. Die Ehefrau, etwa im selben Alter wie der Doktor, war dazugekommen und sah ihren Mann fragend an. Sie hatte dunkelbraunes, schulterlanges Haar, sah aber ansonsten aus wie eine ältere Version von Kristina.

Völlig überrumpelt folgte Dr. Feldmann den beiden Beamten.

„Aber Sie haben ihn doch schon vor zwei Tagen befragt? Was wollen Sie denn jetzt noch wissen? Die ganze Sache ist sowieso schon nicht leicht für Stefan...", begann er zu sprechen, doch Berger schnitt ihm das Wort ab.

„Es haben sich neue Erkenntnisse ergeben. Ist ihr Sohn also da?"

„Ich hole ihn", sagte Frau Feldmann und verschwand die Treppe hoch.

Wenig später kam sie zurück, gefolgt von Stefan. Er hatte ein zerknittertes T-Shirt und eine dunkle Jeans an und starrte die Polizisten mit leerem Blick aus rot geränderten Augen an. Die Haare hingen ihm unordentlich ins Gesicht.

„Stefan Feldman, hiermit nehme ich Sie wegen des Verdachtes fest, Julia Mayer in der Nacht vom 21. auf den 22. Mai getötet zu haben. Es steht Ihnen frei, sich zu dem Vorwurf zu äußern oder nicht auszusagen. Ferner können Sie einen Verteidiger Ihrer Wahl hinzuziehen. Bitte folgen Sie uns jetzt."

Die Nacht im MaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt