14. April 2009
„Du bist zu spät!", stellte Tom verärgert fest, als Laura sich endlich bequemte, ebenfalls auf dem Parkplatz zu erscheinen, wohin sie ihn bestellt hatte. Ein Déjà-vu-Gefühl erfüllte ihn, denn so etwas Ähnliches hatte er schließlich unweit von hier schon einmal erlebt.
„Ich wurde aufgehalten", meinte Laura schlicht und fuhr dann sofort mit der wichtigsten Frage fort: „Hast du das Geld?"
Dieses geldgierige, kleine Biest, dachte er und konnte die aufkeimende Wut nur noch mit Mühe unterdrücken.
Schon als er sie in dem Haus in Albachten erkannt hatte, wusste er, dass es Schwierigkeiten geben würde. Zuerst hatte es den Anschein gehabt, als wüsste sie nicht, wer er war. Doch dann war sie ein paar Tage später abends im Büro aufgetaucht und hatte ihm eröffnet, dass sie Julias Tagebuch hätte und dort drinstehen würde, dass er sich in der Nacht ihres Todes mit ihr getroffen hatte und somit ihr Mörder war. Sie zeigte ihm sogar eine Kopie dieses Eintrages und es wirkte tatsächlich so, als hätte er Julia umgebracht. Dem war aber nicht so.
„Das kannst du gern behaupten, aber niemand wird dir glauben", hatte Laura ihn freundlicherweise auf das Offensichtliche hingewiesen. Und sie hatte ja Recht!
„Was willst du?", hatte er gefragt, denn ihm war sofort klar, dass sie irgendetwas, höchstwahrscheinlich Geld, im Austausch für das Tagebuch wollte.
„20.000 Euro", war ihre Antwort und er konnte das zuerst nicht glauben.
Wo sollte er, bitte schön, so schnell so viel Bargeld herkriegen? Und war ihr überhaupt klar, was das für eine hohe Summe war? Er konnte doch nicht einfach so von heute auf morgen 20.000 Euro locker machen! Der Kredit für den Hausbau war immer noch nicht abbezahlt, das Auto auch nicht, die Kinder brauchten gefühlt jeden Tag neue Klamotten, Schuhe oder anderes Zeug und Rebeccas ganzen, kostspieligen Wünsche musste er ebenfalls erfüllen, damit sie nicht beleidigt schmollte und ihn dann wochenlang mit Verachtung strafte.
„Entweder, du besorgst das Geld, oder ich gehe zur Polizei", hatte Laura gedroht und ihm war nichts übrig geblieben, als doch das Geld aufzutreiben. Einen Teil hatte er ihr bereits gegeben. Heute war der Rest fällig und sie sollte ihm endlich das Tagebuch aushändigen.
„Erst gibst du mir das Tagebuch", forderte er.
Doch Laura schüttelte nur den Kopf, sodass die blonden Locken hin und her flogen und schaute ihn mit erbarmungslosem Blick an.
„Hast du wirklich gedacht, dass ich es dir einfach so gebe? So dumm bin ich nicht. Ich behalte es noch etwas länger, kann ja sein, dass ich zukünftig nochmal eine kleine, finanzielle Unterstützung brauche."
Tom traute seinen Ohren nicht. Er spürte eine Hilflosigkeit in sich aufkommen, wie er sie schon sehr lange nicht mehr erlebt hatte.
„Das kannst du doch nicht machen! Ich habe deine Forderung erfüllt! Du musst mir das Tagebuch geben!", flehte er Laura verzweifelt an.
Zehn Jahre hatte er Ruhe gehabt, und jetzt das.
„Ich muss gar nichts!", entgegnete sie trotzig.
„Aber ich habe sie ja nicht einmal umgebracht!", schrie er sie an.
„Ich weiß, aber jeder, der das Tagebuch zu Gesicht bekommt, wird das denken."
Völlig verdattert starrte er sie an.
„Du... du weißt, wer es war", stellte er fest. Er sah es an ihrem Blick. Und sie hatte es gerade indirekt zugegeben.
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Die Nacht im Mai
Mystery / Thriller1999: Die Abiturientin Julia Mayer verschwindet nach einer Party und wird wenig später tot aufgefunden. Ihr Freund gerät in Verdacht, sie getötet zu haben, doch auch weitere Personen aus Julias Freundeskreis waren nicht gut auf sie zu sprechen. Aufg...