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April 2009

Um meiner Mutter wenigstens ein bisschen dafür zu danken, dass ich nun wieder bei ihr herumhocken und auf ihre Kosten leben konnte, hatte ich mich bereiterklärt, das Aufräumen im Haus zu übernehmen während sie bei der Arbeit war. Auch, wenn ich eigentlich ziemlich faul war und Putzen nun wirklich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehörte, war sogar das eine willkommene Ablenkung. Glücklicherweise hatte ich seit dem Wochenende nichts mehr von Nicole gehört und somit etwas Ruhe. So eine Dissertation in Psychologie schrieb sich scheinbar nicht von selbst, sodass sie ihre detektivischen Tätigkeiten wohl für eine Weile zurückstellen musste. Mir war das nur recht. 

Doch die Ruhe hielt nicht lange. Gerade als ich den Staubsauger ausmachte, um etwas zu verschnaufen, ertönte plötzlich die Türklingel. Sofort schrillten sämtliche Alarmglocken in meinem Kopf, doch mir blieb nichts anderes übrig, als die Tür zu öffnen.

Ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann und eine viel kleinere Frau standen vor mir. Das Pärchen wirkte geradezu grotesk: Der Mann hatte einen schwarzen Anzug an, selbst das Hemd war schwarz. Dazu trug er eine weinrote, mit ganz feinen, schwarzen Streifen gemusterte Krawatte. Obwohl ich mich damit nicht so gut auskannte, wirkte seine Kleidung ziemlich teuer. Die zierliche Frau dagegen war lässig in Jeans und Freizeitjacke gekleidet und wirkte so jung, als wäre sie gerade erst mit der Schule fertig. Ihr dunkelbrauner Pferdeschwanz schwang bei der leichtesten Kopfbewegung mädchenhaft hin und her. Fast hätte man sie für Vater und Tochter halten können, aber sie sahen nicht so aus, als wären sie verwandt. Und ich hatte den Verdacht, dass die Frau in Wirklichkeit um einiges älter war, als sie aussah. 

Der Mann hielt mir einen Polizeiausweis hin.

„Plattenberg, Kripo Münster. Meine Kollegin, Frau Schillert", er deutete auf die Frau neben sich, die ebenfalls ihren Dienstausweis hochhielt. „Sind Sie Jana Wendt?" 

Ich nickte langsam.

„Dürfen wir reinkommen?"

Ohne meine Antwort abzuwarten, drängte er sich einfach dreist an mir vorbei ins Haus, wobei mir der penetrante Duft seines Parfüms in die Nase stieg und mich fast zum Niesen brachte. Die Frau folgte ihm und warf mir dabei einen entschuldigenden Blick zu.

„Moment mal", stammelte ich hilflos und lief ihnen hinterher. Im Wohnzimmer holte ich sie ein. „Ich habe Ihren Ausweis gar nicht richtig gesehen." 

„Hier, bitte. Schauen Sie sich den ganz genau an. Wir haben Zeit."

Er hielt mir den Ausweis, der ihn als Kriminalhauptkommissar Alexander Plattenberg auswies, direkt vors Gesicht. Ich versuchte darauf zu kommen, an wen er mich erinnerte, denn ich hatte das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben. Der Kommissar von damals war aber eindeutig ein anderer gewesen. 

„Wollen Sie auch den von Frau Schillert noch einmal sehen?"

Ich schüttelte den Kopf. Sie schienen echte Polizisten zu sein, auch wenn sie eher so aussahen, als kämen sie aus einem schlechten TV-Krimi. 

„Fein, kommen wir also direkt zur Sache. Sie kennen eine gewisse Laura Geiger?", fragte Plattenberg in autoritärem Ton, während er seinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen ließ. Zu meinem Ärger standen überall meine Kinderfotos, was mir peinlich war.

„Ja, wir sind zusammen zur Schule gegangen", antwortete ich wahrheitsgemäß. 

„Ah ja. Und Ihnen ist sicherlich bereits bekannt, dass Laura vor einer Woche ermordet wurde? So etwas bleibt in diesem reizenden Städtchen bestimmt nicht lange geheim, nicht wahr?" Seine Stimme triefte nur so vor Ironie. Aber Recht hatte er.

Die Nacht im MaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt