17.

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Eigentlich hätte ich mich um meine eigenen Probleme kümmern müssen, um einen Job, die Möglichkeit, meine Reitsportkarriere doch noch zu retten und um tausende von anderen Dingen. Aber das war nun alles in den Hintergrund gerückt. Ich hatte schon die ganze Zeit ein mulmiges Gefühl, seit ich wieder zuhause war, aber dass wieder jemand sterben würde, hatte ich beim besten Willen nicht kommen sehen. Jetzt war Laura tot. Ermordet. Der Kreis hatte sich geschlossen, die Vergangenheit war nun gegenwärtiger denn je.

Nun saß ich neben Nicole auf dem Beifahrersitz ihres schrecklichen, metallic-blauen Cabrios und wir waren unterwegs ins Ruhrgebiet. Nicole hatte das Verdeck offen gelassen und der Fahrtwind zerrte an meinen dünnen, aschblonden Haaren.

„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du zu diesem Treffen von Isabelle spaziert bist, um dort an irgendwelche Informationen zu gelangen", meinte ich kopfschüttelnd. Nicoles Einfallsreichtum überraschte doch immer wieder. Sie war tatsächlich auf die glorreiche Idee gekommen, bei Isabelles Treffen etwas über den Mord an Laura herausfinden zu können. Zum Glück hatte sie mich nicht auch noch dahin mitgeschleppt.
„Du bist jetzt bestimmt Gesprächsthema Nummer eins", fügte ich hinzu.

„Na und? Wir sind sowieso das Gesprächsthema Nummer eins bei denen. Besonders bei Isabelles Tussi-Freundinnen, die überwiegend da waren. Die haben über nichts anderes geredet als über den Mord an Laura und die Sache mit Julia. Und wir hatten ja nun mal am meisten mit Julia zu tun", erwiderte sie und schaute grimmig auf die Autobahn.

Und die meisten von uns waren auf die ein oder andere Weise mit Julia aneinandergeraten. Das traf aber auch auf viele andere zu.

„Und die waren echt blöd genug, in deiner Gegenwart über uns zu reden?"

„Ich habe so getan, als würde ich länger telefonieren müssen und habe mich stattdessen in so einer Nische versteckt und heimlich mitgehört. Immerhin habe ich ein paar nützliche Infos aufschnappen können."

Und aufgrund dieser Infos waren wir nun unterwegs nach Essen. Zu Katrin. Obwohl die bestimmt nicht sehr erfreut über unseren Überraschungsbesuch sein würde. 

Nicoles Ruhelosigkeit konnte ich gut nachvollziehen. Schließlich hatte sie Michael, Stefan und mir erzählt, dass Laura möglicherweise mehr über Julias Tod wissen könnte. Und danach wurde Laura getötet. Die logische Schlussfolgerung war, dass jemand von uns Vieren in beiden Fällen der Täter sein musste. Also klammerte sich Nicole nun an die Möglichkeit, dass es noch weitere Personen gab, die Bescheid wussten. Sie fühlte sich wohl für Lauras Tod mitverantwortlich. Ich selbst versuchte es tunlichst zu vermeiden, darüber nachzudenken, wer der Täter war, denn alle Möglichkeiten waren auf gleiche Weise verstörend und unfassbar. Nur funktionierte das nicht wirklich.

„Jedenfalls meinte Isabelle, Katrin hätte sie am Telefon ziemlich unfreundlich zurückgewiesen. Sie ist damals ja auch als erste zu ihrem Vater ins Ruhrgebiet gezogen und hat alle Brücken hinter sich abgerissen. Und Robin hat Isabelle übrigens auch nicht gefunden. Katrin will also von keinem was wissen und Robin ist verschwunden. Ist das nicht verdächtig?", fuhr Nicole fort. 

„Was soll daran verdächtig sein? Ich wollte auch von niemandem etwas wissen, bis du aufgetaucht bist. Und Robin hatte ja wohl überhaupt keinen Grund, Julia oder Laura oder beide zu töten. Der war doch sowieso immer nur Max' Anhängsel", erwiderte ich. „Hatte er nicht Verwandte im Schwarzwald? Hätte ich die Möglichkeit gehabt, so weit von unserem Kaff wegzukommen, hätte ich sie auch sofort ergriffen."

„Aber er stand doch auf Katrin. Und zwischen ihr und Julia gab es ab einem bestimmten Zeitpunkt auch einen Bruch, warum auch immer. Vielleicht hat er den Grund rausgefunden und wollte Julia zur Rede stellen..."

Die Nacht im MaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt