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Freitagabend, 21. Mai 1999,
vor der Party am Silbersee


Stolz betrachtete Max den riesigen Joint, den er soeben gedreht hatte und hielt ihn hoch.

„Na, was meint ihr, ist das nicht ein wahres Meisterwerk?", fragte er in die Runde.

„Da hast du dich wahrlich selbst übertroffen", stimmte Nicole zu und nippte an dem ominösen Gemisch in ihrem Becher. 

Endlich war es soweit. Am Vormittag hatten wir die Ergebnisse unserer Abiturprüfungen erhalten und konnten uns mehr oder weniger freuen. Keiner von uns war durchgefallen oder musste in die Nachprüfung, Nicole war natürlich Jahrgangsbeste und ich hatte sogar noch eine zwei vor dem Komma geschafft. Wer hätte das gedacht.

Irgendjemand hatte spontan vorgeschlagen, am Abend die Ergebnisse mit einer Party am Silbersee zu feiern und diese Idee war natürlich von der ganzen Stufe mit Begeisterung aufgenommen worden. Eine gute Gelegenheit, uns von dem ganzen Prüfungsstress und der Anspannung zu erholen, bevor der eigentliche Ernst des Lebens endgültig begann. Draußen war es warm und das gute Wetter sollte auch bis in die Nacht halten, es herrschten also beste Voraussetzungen.

Die Stimmung zwischen uns hatte sich in letzter Zeit soweit entspannt, dass wir sogar wieder alle miteinander abhängen konnten und uns auch jetzt bei Stefan zuhause zum obligatorischen Vorglühen zusammenfanden. Doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass dieser fragile Frieden jeden Moment mit dem kleinsten Fünkchen wieder in Brand gesetzt und unwiederbringlich zerstört werden konnte.

Das Haus lag sehr günstig ganz in der Nähe des Feldweges, der zum See führte. Stefans Eltern waren irgendwo zum Essen eingeladen und seine Schwester hatte er vorsorglich zu ihrer besten Freundin geschickt, damit sie uns nicht auf die Nerven ging. Also hatten wir das Haus für uns. Die einzige Gefahr waren die Nachbarn, da wir uns zum Kiffen nach draußen auf die Terrasse hinter dem Haus verzogen hatten. Glücklicherweise wurde der hintere Teil des Gartens durch eine etwas verwilderte Hecke, für die Verhältnisse unserer spießigen Stadt fast schon skandalös, geschützt. So lümmelten wir also draußen auf den Gartenmöbeln herum und missbrauchten Kristinas UNO-Karten als Trinkspiel, bei dem man immer trinken musste, wenn man Karten aufnehmen musste. Aus den Lautsprechern des CD-Players dröhnten The Offspring von einer schwarzgebrannten CD.

Max zündete den Joint an, zog prüfend daran und reichte ihn dann weiter an Robin und dieser wiederum an Katrin. Katrin gab ihn mir, ohne daran zu ziehen.

„Mir reicht dieses Gesöff von Robins Verwandtschaft allemal", meinte sie.

Gemeint war der selbstgebrannte Schnaps mit angeblich 55 Prozent Alkoholgehalt, den Robins Onkel aus dem Schwarzwald bei seinem letzten Besuch mitgebracht hatte und für den seine Eltern keine Verwendung hatten. Auf Max' Drängen hin, hatte Robin zwei Flaschen mitgebracht. Auch wenn sich niemand traute, das Zeug pur zu probieren, sondern nur in einer Mischung mit Eistee, Red Bull oder sonst was, waren die meisten von uns schon sichtlich angetrunken. Und dabei hatte die eigentliche Party noch gar nicht angefangen.

Ich zog an dem Joint und versuchte, den Rauch nur kurz im Mund zu behalten und so wenig wie möglich tief einzuatmen. Dem Gruppenzwang wie Katrin selbstbewusst zu widerstehen, schaffte ich nicht. Laura auch nicht, denn sie machte es mir gleich. Dabei zog sie ein unglückliches Gesicht, was wahrscheinlich weniger am Kiffen lag, sondern an der Tatsache, dass Julia auf Stefans Schoß saß und ihm die Arme besitzergreifend um den Hals legte. Seit die beiden im März wieder zusammengekommen waren, schien das Gefummel und Geknutsche noch schlimmer geworden zu sein als je zuvor. Inzwischen waren alle nur noch genervt von ihnen, wenn nicht sogar angewidert. Das einstige Traumpaar der Stadt war für viele zum Hassobjekt geworden. Es wurden sogar Wetten abgeschlossen, wie lange es dieses Mal wohl halten würde und die Gerüchte, dass Julia immer noch mehrgleisig fuhr, hielten sich hartnäckig, wie schwarzer Schimmel in einem feuchten Raum.

Die Nacht im MaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt