Prolog

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Jetzt. Jetzt, nach fünf elend langen Tagen, die quälend langsam vergangen waren, jetzt erst spürte ich den Schmerz, der sich in meinen Knochen versteckt hatte, wie er aus seinem Versteck sprang, förmlich explodierte, aus den müden Knochen meines Körpers und sich den Weg in meine Blutbahn suchte.

Ein Druck auf der Lunge war das erste, das ich vernahm. Es fühlte sich an als würde sämtliche Luft aus meiner Lunge gedrückt worden, oder als wäre meine Lunge aufgeschlitzt und verbrannt worden. Darauf folgte etwas, das sich wie ein Schlag in den Magen anfühlte, mit der Kraft einer Abrissbirne, der mich zu Boden stürzen ließ.

Ich röchelte nach Luft.

Wie Flammen breitete sich der Schmerz weiter aus, fand seinen Weg in mein Gehirn, in meine Erinnerungen, und rief all diese schrecklichen Bilder zurück in meinen Kopf. Führte mir jedes kleinste Detail noch einmal vor Augen, brachte schließlich meine Tränendrüsen auf Hochtouren, und kaum waren die Bilder zu Ende, fing es wieder von vorne an.

Ich schloss die Augen.

Als der Schmerz mein Herz erreichte wurde er unerträglich. Es zog sich zusammen, presste das Blut aus sich heraus, pochte dann rasend schnell gegen meinen Brustkorb, als würde es vor dem Schmerz fliehen wollen, suchte einen Ausweg aus dieser elenden Welt.

Ich hörte auf zu kämpfen.


Acht Jahre später erklärte mir jemand, dass selbst das kleinste Feuer wieder hell brennen könnte, solange der letzte Funken in seinem Herzen noch nicht erloschen war. Dann müsste dieser Funken nur wieder angefacht werden und sofort würde ein neues Feuer, heller und stärker als jedes jemals zuvor, erstrahlen und die Welt in neues Licht hüllen.

Nehmen wir mal an, man übertrage dieses Feuer auf eine Person - mich. Was ist, wenn dieses Feuer in mir erloschen war und nur dieser kleine Funken zurückgeblieben war? Ich müsste ihn nur wieder anfachen. Doch er war umgeben von riesigen Schatten, die nichts an ihn heran ließen, damit er nicht erlosch. Nichts und Niemand hatte auch nur den Hauch einer Chance ihn anzufachen. Wie sollte das dann funktionieren?

Meine Geschichte beginnt an einem verregneten Herbsttag. Die bunten Blätter einer Allee spiegelten sich in den Pfützen auf dem nassen Asphalt wieder, bis ihr Spiegelbild von zwei kleinen, gelben Regenstiefeln zerstört wurde. "Plitsch-Platsch!", hallte durch den leeren Park. "Plitsch-Platsch! Plitsch-Platsch!", immer wieder, gefolgt von dem fröhlichen Kinderlachen des Jungen, das die trübe Herbststimmung auf den Kopf warf. Auf halbem Weg kam ihm ein kleines Mädchen entgegen, begleitet von ihrem Vater und ihrer Mutter. Die Worte des Jungen verstummten, er lief still an den drei Personen vorbei, sprach nicht ein Wort, wagte es nicht einmal mehr zu atmen. Kaum war er wenige Schritte weiter gelaufen, hörte er einen schrecklichen Schrei, einen ohrenbetäubend lauten Knall, doch er drehte sich nicht um. Wenige Sekunden später verlor er das Bewusstsein.

An diesem Tag war inmitten der Stadt eine Bombe explodiert, vermutlich aus dem zweiten Weltkrieg, so hatten Experten es mitgeteilt. Niemand wusste, dass sie da war, niemand wusste, dass sie explodieren würde. Der Krieg nahm dem kleinen Mädchen ihre Eltern, obwohl er schon seit vielen Jahren vorbei war. Sie selbst hatte überlebt, nicht einen Kratzer erlitten, niemand konnte sich erklären wie das passiert war, kein Arzt der Welt. Letztendlich hatte man es aufgegeben und das Mädchen in ein Waisenhaus gegeben, Familie hatte sie keine mehr. Jeder wusste, dass sie das Mädchen war, das das unmögliche getan hatte, deshalb hatte jeder Angst vor ihr. Aber auch das wurde vergessen und aufgegeben. Letztendlich hatte sie es geschafft sich einzuleben, sich an die Menge anzupassen. Ich hatte es irgendwie geschafft eine Mauer um mich zu bauen und niemanden hinein zu lassen.

Feuerfunke *wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt