Mit skeptischem Blick musterte ich die cremefarbene Uniform, die ich nun zum hundertsten mal anprobierte und mich immer noch nicht ganz für begeistern konnte.
Das langärmlige Oberteil mit schwarzem Saum an Armen, Hüfte und Hals war an den Stil eines Kochhemdes angelegt, mit zwei Reihen ebenfalls schwarzer Knöpfe auf dem beigen Stoff, wirkte jedoch ebenfalls jugendhaft und schien perfekt das Internat zu beschreiben. Die weinrote Krawatte, die sowohl Jungen als auch Mädchen trugen, verdeutlichte die Disziplin des Internats; der etwas kürzer als knielange Rock hatte dieselbe Farbe.
Ich lehnte Uniformen gänzlich nicht ab, es würde nur schwierig werden mich daran zu gewöhnen, hatte ich doch mein bisheriges Leben in einem Waisenhaus verbracht und nur eine ärmliche Grundschule sowie die ersten vier Jahre des Gymnasiums besucht.
Vor Kurzem hatte man ein stattliches Vermögen entdeckt, das meine Eltern mir hinterlassen hatten, doch aufgrund ihres frühzeitigen Todes hatte niemand davon gewusst. Das Waisenhaus war sehr überfüllt, also freute man sich über jedes Kind, das die Einrichtung frühzeitig verlassen konnte. Keine drei Tage nach Bekanntgabe der Geldsumme hatte man mich für das beste Internat ganz Europas angemeldet, einer Akademie in Frankreich, die sonst nur Personen adligen Geschlechts aufnahm. Doch musste man nur etwas mit dem Geld spielen und sie nahmen auch mich dort auf.
In weniger als drei Stunden würde ich in den Zug nach Paris steigen, und von dort weiter nach Lyon fahren. Mithilfe einer Kutsche würde ich das Internat erreichen. Schwierig, für eine nichtadelige Waise mit durchschnittlichem Bildungsstand in eine Eliteschule zu kommen, die zu den besten 3% der Welt zählte. Glück genug, dass ich sowohl als Kind von meinen Eltern als auch später in dem Waisenhaus bilingual erzogen wurde. Ohne mein fließendes Französisch würde man mich nicht mal in die Nähe der Schule lassen.
Ich löste meinen Blick von dem Spiegel und drehte mich zu dem kleinen Bett, das ich jahrelang bewohnt hatte, und auf dem ein verhältnismäßig großer, cremefarbener Koffer lag, gefüllt mit Kleidungsstücken und kleinen Gegenständen wie etwa eine Porzellanfigur, die meine Mutter immer über dem Ofen aufgestellt hatte. Es klopfte an die Tür und die hohe Stimme meiner Betreuerin ertönte. "Wynn, bist du fertig? Das Taxi wartet." Seufzend schlug ich den Koffer zu, schaute mich noch einmal in dem kleinen, grauen Zimmer um, das ohne meine Erinnerungen so kalt und leer aussah, und öffnete die aufgrund eines Kinderwunsches feuerrote Tür. Ein letzter mitfühlender Blick meiner Betreuerin, eine kleine Umarmung und keine zwei Minuten später schaute ich durch die geschwärzten Scheiben des Taxis zurück auf das große, trostlos wirkende Gebäude. Mit einem Blick auf die Wodkaflasche, die ich in meinem Handgepäck versteckt hatte, schwor ich mir endgültig, niemals wieder dorthin zurück zu kehren.
Nach knapp zwei Stunden Fahrt zum Kölner Hauptbahnhof stieg ich aus dem Taxi, fluchte über die Fünfzentimeterabsätze der schwarzen Schuhe als ich kurz im Pflasterstein hängen blieb und begab mich zu meinem Gleis. "Zwanzig Minuten Verspätung, danke Deutsche Bahn.", murmelte ich mit einem Blick auf die blaue Anzeigetafel. Genervt setzte ich mich auf eine der vielen Bänke, steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren und stellte meine Playlist auf shuffle. Ich musterte die Leute um mich herum, in der Hoffnung, vielleicht jemanden zu entdecken, der ebenfalls auf das Internat gehen würde, entdeckte aber niemanden.
Nach ein paar Minuten stupste mir jemand gegen die Schulter, worauf ich mich umdrehte und einen Kopfhörer raus nahm. "Hm?", fragte ich mit einem Blick in die blauen Augen eines Jungen. "Sorry, hast du vielleicht ein Feuer?", fragte er. Ich griff in die Jackentasche meiner schwarzen Lederjacke und reichte ihm ein Feuerzeug. "Im Gegenzug zu einer Kippe?", fragte ich und zog es kurz vor seiner Hand noch einmal zurück. "Nur für deinen Namen.", grinste er. Ich überlegte kurz, dann sagte ich: "Wynn. Und deiner?" "Wynn? Ist das nicht ein Jungenname?" "Eigentlich Gwendolyn, aber um Gottes Willen nenn mich nicht so." Neben dem Jungen war ein Platz frei, also setzte ich mich kurzerhand neben ihn um der drohenden Nackensteifheit zu entgehen. Überrascht stellte ich fest, dass er die Uniform der Akademie trug. "Auch Reebourg oder wie?", fragte er ebenso überrascht. "Sieht so aus, Fremder.", antwortete ich und reichte ihm das Feuerzeug. "Ach ja, Samuel mein Name.", erinnerte er sich und reichte mir eine Zigarette. "Schön dich kennen zu lernen. Sieht so aus als würden wir noch was miteinander zu tun haben." "Sieht wohl ganz so aus. Ist das dein erstes Jahr?" Ich zündete die Zigarette an und ließ das Feuerzeug zurück in meine Jackentasche gleiten. "Jap. Deins?" "Schön wärs. Schon das fünfte. Wieso wechselst du erst jetzt?" "Meine Eltern sind schon lange tot und vor ein paar Wochen hat man heraus gefunden, dass sie mir zweihundertfünfzigtausend Euro hinterlassen haben. Die im Waisenhaus meinten kurzerhand mich da anmelden zu müssen, hunderttausend sind drauf gegangen." Als Antwort folgte ein Pfeifton. "Zweihundertfünfzig, nicht schlecht. Aus welcher Familie stammst du?" "Ich bin nicht adlig." Er verschluckte sich kurzerhand an dem Zigarettenrauch. "Wie bist du dann da rein gekommen?!" "Wüsste ich auch gerne."
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Feuerfunke *wird überarbeitet*
FantasyJedes Element erzählt seine ganz eigene Geschichte. So berichtet zum Beispiel das Licht über alles Gute und Fröhliche auf der Welt, während der Schatten davon überzeugt ist, dass es nur Böses auf der Welt gibt. Die vier größten Elemente, Luft, Wasse...