Ich wusste nicht so recht, was passierte, geschweige denn wieso sie mir so extrem applaudiert hatten, denn als später zwei weitere neue Schüler vorgestellt wurden, waren Applaus und Jubel nicht halb so laut. Der Direktor hatte zwar etwas von einer Rückkehr einer großen Macht erzählt, aber was genau er damit gemeint hatte war mir nicht so richtig klar gewesen.
Dieser ganze Abend hatte mich vollkommen aus der Bahn geworfen, ich konnte das alles noch nicht mal richtig realisieren. Gegen viertel nach eins wurden die Schüler angewiesen, in ihre Zimmer zu gehen, ihre Koffer seien bereits dort. Frühstück gäbe es ab neun Uhr, um zwölf müssten nochmals alle bei einer Versammlung antreten, damit die Einzelheiten besprochen werden könnten. Das heißt, man konnte theoretisch ausschlafen, es sei denn, man wollte etwas essen.
Miss Helai rief mich noch einmal aus der Menge zu sich. "Wie Marie mir gesagt hatte, hat sie dir unser Schulsystem bereits ein bisschen erklärt, nicht?", fragte sie mich. Ich nickte. "Acht Trakte, vier für die Schüler, zwei für Mädchen und zwei für Jungen." Dann nickte sie. "Das stimmt zu achtzig Prozent, sagen wir es so. Dieses Schuljahr wurden Änderungen vorgenommen, aber das ist im Moment nicht so wichtig. Hat sie dir etwas über die vier Kategorien erklärt?" Ich verneinte. "Nun, Wasser, Luft, Erde und Feuer bilden die vier Grundelemente, aus denen alle anderen entsprungen sind. Deshalb sind auch die Schüler in diese vier Kategorien eingeteilt. Bis letztes Jahr waren Alpha und Beta die Trakte für die Mädchen, und Gamma und Delta die für die Jungen, Alpha und Gamma beherbergten Wasser und Erde, Beta und Delta Feuer und Luft. Seit diesem Schuljahr wurde das geändert, Alpha steht für Wasser, Beta für Erde, Gamma für Feuer und Delta für Luft.", erklärte sie, wobei ich ihr nicht so ganz folgen konnte. An mir blieb eigentlich nur hängen, dass Feuer nun Gamma ist und früher aber Beta und Delta weil da Jungen und Mädchen in unterschiedlichen Trakten und - ach egal, das war mir zu kompliziert. Feuer = Gamma. Da musste ich hin. Fertig.
Miss Helai drückte mir einen Zettel in die Hand, auf dem meine Zimmernummer stand, dann schickte sie mich davon mit den Worten, ich sähe müde aus, ich sollte schlafen gehen.
Ich beschloss, erst einmal in die Eingangshalle zu gehen, da ich der Meinung war, mich von da am besten orientieren zu können. Auf zwei großen Schildern vor den Gängen, die jeweils nach rechts oder links führten, waren die Trakte aufgeführt, Gamma lag rechts. Ich musste in den dritten Stock, dort waren anscheinend fünfte und sechste Klassen untergebracht. Auf den weißen, von Kronleuchtern beleuchteten Gängen, durch die sich weiß-goldene Säulen zogen, tummelten sich nicht viele Schüler, die Meisten waren anscheinend schon schlafen gegangen. Etwa in der Mitte des Gangs war eine weitere Treppe, welche ich empor stieg, die große zwei übersprang und mich schließlich in einem Identischen Gang wie zwei Stöcke weiter unten wiederfand. An der Wand gegenüber diesmal eine große drei und darunter zwei Pfeile, der linke zeigte die Schrift Delta und der rechte Gamma.
Wieder rechts. Konnte ich mir merken.
Meine Zimmernummer war 58, und es fing bei 41 an. Super, also noch ein Stück weiter. Gerade kam ich an einer Biegung an, als Maries Kopf aus der Tür gegenüber schaute und mich total überraschte. Ein leises "Huch..", entwich mir, dann stürzte sie auf mich zu und umarmte mich erst mal. "Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du Feuer bist?", staunte sie, hielt die Lautstärke aber in Grenzen. "Wusste ich doch selber nicht.", entgegnete ich leicht lächelnd. Sie grinste. "Gestatten, Marie d'Ecir, das Licht.", sagte sie und verbeugte sich gespielt leicht.
Das passte. Eindeutig.
"Gwendolyn Grashette, das Feuer.", entgegnete ich, wobei mir endlich der Sinn hinter meinem Zweitnamen einfiel. Ich klatschte mir einmal gegen die Stirn, worauf Marie anfing zu kichern. "Was ist?", fragte sie. "Ich habe mich mein Leben lang gefragt, was es mit meinem Zweitnamen Iskra auf sich hat. Jetzt ergibt das endlich Sinn." "Was bedeutet er?" "Funke." Sie grinste wieder. "Das ergibt dann wohl wirklich Sinn."
Ein Gähnen entwich mir, worauf Marie meinte: "Na dann, wir sehen uns morgen - ehm - später wieder. Schlaf gut." Ich wünschte ihr ebenfalls eine gute Nacht, worauf sie wieder in ihrem Zimmer - 49 - verschwand und ich weiter den Gang entlang lief. Vor der Zimmertür angekommen atmete ich tief durch und drückte die ebenfalls goldene Klinke nach unten, trat einen Schritt in das Zimmer und blieb abrupt wieder stehen.
Mir gegenüber stand ein relativ großer Junge, nur mit einem Handtuch bekleidet, und fuhr sich gerade durch die noch nassen Haare, bis er mich erblickte. "Oh, sorry. Falsches Zimmer.", entgegnete ich gelassen und wollte gerade wieder hinaus gehen, doch der Junge unterbrach mich: "Nein nein, stimmt schon. Die haben dieses Jahr Jungen und Mädchen teilweise zusammen in ein Zimmer gesteckt. Ist doch kein Problem, oder?" Meine Augen musterten ihn kurz, bewunderten seinen durchtrainierten Körper und schauten zurück in seine Augen. "Nö, kein Problem.", entgegnete ich, betrat den Raum und schloss die Tür hinter mir. In vielerlei Hinsicht war es mir sogar lieber, das Zimmer mit einem Jungen zu teilen als mit einem Mädchen, das mich womöglich wegen jeder Kleinigkeit angiftete. Ich war mit Jungs schon immer besser ausgekommen, was natürlich nichts gegen Marie aussagte. Tatsächlich erspähte ich meinen Koffer neben der Balkontür - warte, Balkon?
Der Junge verschwand kurz in einer Tür, aus der ein angenehmer Geruch strömte, den ich als Duschgel oder ähnliches identifizierte und deshalb auf ein Badezimmer tippte. Ich befand mich in einem winzigen Flur eine Stufe tiefer als der Flur draußen, in dem sich zwei Türen befanden und gegenüber der Badezimmertür ein riesiger Schrank. Die drei Meter grau gefliesten Flur entlang, wieder eine Stufe hoch und man stand in einem etwa zwanzig Quadratmeter großen Raum, mir gegenüber die Balkontür. Rechts ein Doppelbett - heilige scheiße, ich durfte mit einem in meinen Augen heißen Typen in einem Bett schlafen - und links ein Tisch sowie ein Regal, die Möbel alle aus massivem Eichenholz, aber die Wände genauso hell und freundlich wie in den Fluren.
Sein Koffer lag noch aufgeschlagen und halb ausgeräumt auf dem Bett. Ich schmiss meine Tasche auf den Tisch und wuchtete meinen Koffer ebenfalls auf das Bett. Ich wollte eigentlich mit ausräumen beginnen, das war mir dann aber doch zu anstrengend und ich verschob dies auf später, weshalb ich nur etwas zum schlafen und eine Bürste herauszog und den Koffer wieder auf den Boden verfrachtete. Ich richtete mich auf und stellte fest, dass der Junge, nun in Boxershorts, an der Wand lehnte und mich anscheinend eine Weile beobachtet hatte. "Gwendolyn Grashette. Ich hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht mit Madame Feuer höchstpersönlich.", grinste er und musterte mich. "Und ich hatte mit allem Möglichem gerechnet außer 'nem Kerl.", entgegnete ich, ebenso grinsend.
Ich glaube, so oft wie an diesem Abend hatte man mich noch nie mit Vor- und Zunamen angesprochen. Ich lief an ihm vorbei und wollte ins Bad gehen, dann drehte ich mich nochmals um und sagte: "Nenn' mich Wynn. Wenn noch einmal das Wort Gwendolyn fällt, erschlage ich dich höchstpersönlich." Ich konnte seinen Blick und sein erneutes Grinsen deutlich in meinem Rücken spüren, bevor ich das Bad betrat.
Ich zog mir eine kurze Hose und ein etwas zu großes, graues Shirt mit einem fetten BATMAN vorne drauf an, kämmte meine Haare zu einem hohen Zopf zusammen und trat wieder in das Zimmer. Gott, tat das gut endlich aus diesen bescheuerten Schuhen raus zu sein. Zum duschen war ich zu müde, das verschob ich ebenfalls auf später.
"Mit wem habe ich es eigentlich zu tun?", fragte ich den Jungen, der gerade mit einem Stapel Shirts in Richtung Schrank wanderte. "Jason Avin, Asche." "Feuer und Asche, das passt ja.", lachte ich und schaute zu ihm auf, etwa zwanzig Zentimeter. Genau so viel, wie ich auch zu Samuel empor starren musste. Seine dunkelbraunen Haare waren in der Zwischenzeit fast Trocken und standen nur wirr von seinem Kopf ab. Ich lief zurück zu meinem Koffer, schmiss die Uniform darauf und ließ mich rückwärts quer auf das Bett fallen, seinen Koffer knapp verfehlt. "Ein Bett benutzt man eigentlich um neunzig Grad weiter aufrecht.", hörte ich Jason, während er seinen Koffer schloss und ebenfalls auf den Boden schmiss, um dann von oben auf mich herab zu sehen.
Widerwillig setzte ich mich dann im Schneidersitz auf das Bett und beobachtete Jason dabei, wie er zur Tür lief, diese abschloss und wieder zurück kam. "Ist es für dich in Ordnung, wenn ich in Boxershorts schlafe?", fragte er mit der Hand bereits am Lichtschalter. "Sicher.", sagte ich und schlug meine Decke zurück. Kurz darauf wurde es dunkel, ich spürte, wie sich das Bett ein Stück einsenkte und legte mich ebenfalls hin. Nachdem ich ein leises "Gute Nacht.", geäußert hatte und ebenfalls eins erhalten hatte, brauchte es keine fünf Minuten mehr und ich war eingeschlafen.
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Feuerfunke *wird überarbeitet*
FantasyJedes Element erzählt seine ganz eigene Geschichte. So berichtet zum Beispiel das Licht über alles Gute und Fröhliche auf der Welt, während der Schatten davon überzeugt ist, dass es nur Böses auf der Welt gibt. Die vier größten Elemente, Luft, Wasse...