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Cirian

Der nächtliche Aufenthalt bei Kai ist bereits mehr als eine Woche her und seitdem haben wir unsere Pausen nur noch im Wald gemacht. Wir sind zwar mit Abstand an einigen Dörfern vorbeigekommen, doch ich vertraue dort niemanden. 

Gegen jeder meiner Erwartungen erträgt das Halbblut zu meinem eigenen Missfallen die anstrengende Reise ohne sich zu beschweren, obwohl man ihr die Erschöpfung deutlich ansieht. Die vergifteten Ketten liegen weiterhin um ihre Handgelenke und ich denke nicht einmal daran, sie zu lösen. Ich bin zwar nicht in der Lange sie zu töten, ohne mich selber dabei umzubringen, doch das bedeutet nicht, dass sie mir nicht schaden kann. Natürlich bin ich immer noch mächtiger und stärker als sie, aber sicher ist sicher. Außerdem möchte ich das Halbblut leiden sehen.

Sie lehnt sich mit ihrem Rücken an meinem Oberkörper an und ihr Kopf wird von meiner linken Schulter gestützt. Ihr Duft umgibt mich und ich atme ihn unbewusst tief ein. Er ist einzigartig, genau wie ihr Besitzer. Ich kann diesen eigenen Duft, unabhängig von dem Geruch nach Wald und Natur, mit nichts anderes vergleichen. Aber er hat auch etwas dunkles und gefährliches an sich, etwas, das meine Nackenhaare leicht aufstellen lässt.

Der Atem des Halbblutes geht flach und sie ist bereits vor einigen Stunden in einen unruhigen Halbschlaf gefallen. Von dem langen Ritt ist ihr Körper steif und ihr spüre ihre angespannten Muskeln an meinem Oberkörper. Sie ist nicht zu muskulär gebaut, daher verdankt sie den Großteil ihrer Kraft ihrern Runen. Obwohl sie in ärmlichen Verhältnissen gelebt hat, ist si nicht so abgemagert, wie ich es erwartet habe. Sie muss also schon länger an der Akademie gewesen sein, bevor ich sie gefangen genommen habe.

Ein weit entferntes, fremdes Geräusch reißt mich aus meinen Gedanken und meine Augen huschen wachsam zischen den dichten Bäumen des endlos erscheinenden Waldes hin und her. Sogar Eothos scheint mit jeder Minute nervöser zu werden. Schon seit mehr als einer Stunde beschleicht mich das seltsames Gefühl, dass wir beobachtet und verfolgt werden. Doch der Verfolger hat sich uns noch nicht gezeigt. 

Der Aura in diesen Gebieten zu Folge befinden wir und auf dämonischem Territorium. Solange es sich nicht um Soldaten oder Kopfgeldjägern handelt, die uns auf der Spur sind, könnte mir das aber auch egal sein. Ich bin nicht mehr so schwach und hilflos, wie früher. Sollten wir also angegriffen werden, wäre es ein Leichtes, mich zu verteidigen.  

Aber mit diesem Halbblut zusammen, das ich auch noch beschützen muss, kann es doch noch zu einem Problem werden. Ich muss die Sache so schnell wie möglich hinter mir bringen, sodass ich mich endlich von diesem Halbblut lösen kann.

Plötzlich spüre ich, wie sie an meinem Körper leicht erzittert und sich ihre Muskeln noch mehr anspannen. Sie muss wohl träumen. Aber es handelt sich sicher nicht um einen schönen Traum. Bei einem möglichen Angriff kann ich einen schlafenden Klotz am Bein in keinem Fall gebrauchen.

"Wacht auf!", Befehle ich leise, aber bestimmt. Doch das Halbblut regt sich nicht. Stattdessen geht ihr Atem schneller und hektischer, als hätte sie Panik. Ich erkenne an ihrer Halsbeuge, wie sich dort langsam Schweiß sammelt und ich rieche ihre Angst, als wäre sie für mich selber greifbar.

Doch bevor ich einen zweiten Versuch starten kann, sie aufzuwecken, höre ich plötzlich ein Zischen, das auf und mit unnatürliche Geschwindigkeit zukommt. Doch es kommt nicht von der Seite. Es kommt von oben.

Aus Reflex lasse ich die Zügel los, schlinge meine Arme um den Körper der Fae und reiße uns beide seitlich aus den Sattel. Im Sturz schaffe ich es irgendwie, das Halbblut so zu drehen, dass nun unsere Oberkörper aneinander gepresst sind. Ich fange den Fall für uns beide auf, indem ich auf den Rücken lande, das Halbblut beschützend an mich gedrückt.

Torn Kingdoms - Torn between Light and DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt