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Cirian

Ich hasse es abgrundtief, durch die Schatten zu reisen. Als ich zum ersten Mal gereist bin und meine Schwäche dafür entdeckt habe, habe ich mir geschworen, nie wieder mit Begleitung durch die Schatten zu reisen. Und dennoch bin ich hier und beobachte mit einem schweren Gefühl im Magen, wie uns die Schatten heute zum zweiten Mal an einem Tag umschließen und uns in die Tiefen des Nichts ziehen.

Alles um mich herum beginnt sich zu drehen und ich kneife reuevoll meine Augen zusammen, um die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Erfolglos. Ich verstärke unbewusst meinen Griff um den schlanken Körper des Halbblutes und vergrabe mein Gesicht in ihre Halsbeuge. Ich atme tief ein und konzentriere mich auf ihren einzigartigen Geruch. Und tatsächlich hilft es mir, gegen meiner Erwartung, die Übelkeit auszublenden und mich von ihrem Duft benebeln zu lassen.

Ich bekomme deswegen nur halb mit, wie sich die Schatten um uns herum lichten und uns zurück in die Wirklichkeit werfen. Die Schwerkraft ergreift uns in derselben Sekunde, aber der Fall ist kurz. Dafür ist der Aufschlag unerwartet und nass. Eiskaltes Wasser umschließt uns und ich spüre wie sich das Halbblut in meinen Armen vor Überraschung anspannt. Ich halte reflexartig die Luft an und spüre, wie wir eng umschlungen hinabtauchen. 

Erst als mein Rücken auf den Grund des Sees aufschlägt, schlage ich auch meine Augen wieder auf, die ich zuvor automatisch geschlossen habe. Es ist dunkel um uns herum und die Wasseroberfläche mehrere Meter über uns ist nur sehr schwach beleuchtet. Außerdem erkenne ich dank meiner guten Sehkraft die langen Haare des Halbblutes, das sich immer noch an mich klammert, als würde es ertrinken. Und da wird mir bewusst, dass ich dasselbe bei ihr tue.

Angewidert löse ich meinen festen Griff um ihren Rücken und ihrer Hüfte und stoße sie von mir weg. Leichter gesagt als getan, wenn sie sich so stark an mich klammert, doch nach einigen Versuchen gelingt es mir schließlich und sie schwimmt durch den Anstoß über mir, während mein Rücken immer noch den Grund berührt. Erst da reißt sie auch ihre Augen auf, als würde sie wieder zu sich kommen und ich kann einen Hauch von unterdrückter Panik in ihnen erkennen. 

Ich stoße mich schnell vom Boden ab und will an ihr vorbei nach oben schwimmen, doch plötzlich schließen sich zwei Arme von hinten um meiner Hüfte und ich schaue verwirrt nach unten. Ihr Griff ist angespannt und ich muss mir Mühe geben und viel Kraft anwenden, um ihre Hände von mir zu lösen und schnell weiter zu schwimmen. Dabei frage ich mich, was nur mit ihr los ist. Vielleicht ist ihr kalt. Dann sollte sie sich aber darauf konzentrieren, nach oben zu schwimmen, und sich nicht an mich festzuhalten.

Doch ich werde wieder in meiner Bewegung gestoppt, als eine Hand fast schon verzweifelt nach meinem Fußgelenk greift und selbst dann nicht loslässt, als ich versuche, ihr meinen Fuß zu entziehen. Genervt blicke ich wieder nach unten und bin bereit, ihr einen warnenden, gefährlichen Blick zuzuwerfen, doch mein Plan ist vergessen, sobald ich in ihre Augen schaue. 

Reine Panik und Angst spiegeln sich in ihnen wieder, während sie mich fast schon flehend anstarrt. Der ovale, goldene Ring um ihrer Pupille leuchtet schwach in dieser erdrückenden Dunkelheit und ich spüre, wie sich ihre Hand an meinem Fußgelenk verkrampft. Und dann verstehe ich es plötzlich.

Sie kann nicht schwimmen.

Schadenfreude erfüllt mich, während ich weiter zu ihr nach unten starre. Wer hätte das gedacht. Ein Halbblut das nicht schwimmen kann. Kein Wunder, dass sie sich bei unserer Ankunft an der Hütte so stark an mich geklammert hat, als ich sie ins Wasser geschmissen habe. 

Ich bemerke erst dann, dass ich in meinen Gedanken vertieft war, als sich die Hand langsam von meinem Gelenk löst. Sofort fokussieren sich meine Augen wieder auf das Halbblut und ich beobachte, wie viele kleine Luftblasen ihre leicht geöffneten Lippen verlassen und zu mir nach oben steigen. Ihre Augen verlieren langsam den Fokus, als sie zurück nach unten sinkt und ich beobachte sie noch einen kurzen Moment lang, bevor sich meine Arme in Bewegung setzen und ich ihr mit kräftigen Zügen hinterher tauche.

Torn Kingdoms - Torn between Light and DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt