Cosmea
Die Morgenluft ist frisch und kühl, doch sie tut mit gut und vertreibt meine Müdigkeit. Ich konnte letzte Nacht schlecht schlafen, doch die Frage ist, wann ich das letzte Mal in meinem Leben überhaupt gut geschlafen habe. Ich bin aufgestanden, als es noch komplett dunkel war und die gesamte Schattenakademie, ja wahrscheinlich auch ganz Elfgard, noch geschlafen hat. Nach kurzer Überlegung habe ich mich dazu entschlossen, einen kleinen Spaziergang zu machen und an die frische Luft zu kommen.
Inzwischen sitze ich oben auf der hohen, breiten Mauer, die die Akademie von Elfgard abgrenzt und lasse meine Beine herunter baumeln. Die Stadt erstreckt sich unter mir und ganz am Rand, bevor Himmel auf Erde trifft, kann ich die Wipfel der Bäume erkennen. Der Himmel hat sich bereits tief Rot am Horizont gefärbt und ich schaue ihm mit einer seltenen, inneren Ruhe entgegen, die ich sonst nur vom Betrachten der Übergänge von Tag zu Nacht, oder umgekehrt, kenne.
In diesem schon fast friedlichen Moment lasse ich meine Gedanken schweifen, doch sie bleiben immer wieder an diesem mysteriösen Schattenfae hängen. Das unbeschreibliche Gefühl, das ich mit Cirian verbinde, wächst, je länger ich über ihn nachdenke. Doch ich taste noch immer im Dunkeln, bei den Versuchen, dieses Gefühl zu identifizieren, oder herauszufinden, warum er mir so bekannt vorkommt.
Plötzlich spüre ich die Präsenz eines anderen ganz in meiner Nähe und starke, dunkle Magie. Aus Reflex will ich gerade aufspringen, fliehen oder mich dem entgegen stellen, doch da erkenne ich, dass es Shen Valdars Aura ist und ich bleibe ruhig sitzen. Ohne meinen Blick von dem Horizont vor mir abzuwenden spüre ich, wie sich die Magie knapp hinter mir konzentriert und Sir Valdar hinter mir aus meinem eigenen Schatten heraustritt. Ich wünsche, ich könnte meine Schattenreisen so gut kontrollieren.
Ohne ein Wort zu sagen lässt er sich mit einem respektvollen Abstand neben mich nieder und lehnt sich nach hinten, indem er sich mit den Händen hinter sich abstützt. Eine Weile ist es still und wir betrachten, in unseren eigenen Gedanken vertieft, das Schauspiel, dass sich vor uns abspielt.
"Ist es nicht ein wunderschöner Anblick?"
Ich antworte ihm nicht, sondern schaue einfach nur weiter in die Ferne. Sir Valdar wirft mir einen kurzen Seitenblick zu.
"Warum seid Ihr bereits so früh wach?"
Ich antworte ihm nicht sofort. Stattdessen lasse ich mir Zeit und überlege, wie weit ich mich ihm öffnen soll.
"Ich konnte nicht mehr schlafen."
Der Schattenfae legt seinen Kopf leicht schief und mustert mich abschätzend von der Seite.
"Ich habe euch eines der besten Zimmer der ganzen Akademie zugesprochen. Ist es die Matratze? Es ist bestimmt ungewohnt, auf eine neue Härte umzusteigen. Soll ich Euch eine andere bringen lassen?"
Ich schüttle leicht den Kopf.
"Danke, aber das ist nicht nötig."
Aus den Augenwinkeln erkenne ich, wie er kurz nickt und sich wieder von mir abwendet. Stille breitet sich zwischen uns aus und wir verweilen einige Minuten in dieser. Seit er aufgetaucht ist, bin ich leicht angespannt, als erwarte ich jeden Moment einen Angriff seinerseits. Doch ich versuche, es so gut wie möglich vor ihm zu verstecken.
Mit einem Seufzen erhebt sich der Schattenfae und klopft sich imaginären Staub von seiner durch und durch schwarzen Kleidung.
"Trefft mich auf der Rückseite der Akademie im Labyrinth, nachdem alle Schüler im Unterricht sind."
Ich wende meinen Blick von Horizont ab und schaue dem Schattenfae zum ersten Mal an diesem Tag in die nachtschwarzen Augen. Mit einem knappen Nicken gebe ich ihm zu verstehen, dass ich verstanden habe und er dreht sich auf dem Absatz um. Ohne ein weiteres Wort steckt er seine Hände in die Taschen seines schwarzen Mantels und springt lässig, als wäre es nichts, die Mauer auf der anderen Seite hinunter. Bevor er auf dem Boden aufschlagen kann spüre ich, wie er seine dunkle Magie um sich sammelt und im nächsten Augenblick kann ich seine Aura nicht mehr in meiner Nähe spüren.
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Torn Kingdoms - Torn between Light and Darkness
FantastikDas Land der Fae ist in zwei Teile gespalten. Ein Teil wird von den Schattenfae regiert, der andere Teil von Lichtfae. Zwischen den zwei Königreichen herrschte viele Jahre lang trotz der Spannungen Frieden, doch dieser wird gebrochen, als ein neuer...