Als ich mit dem Rad die Straße entlangfuhr, hatte ich einen Kopfhörer ins Ohr gestopft und trat wild in die Pedale. Es war später Nachmittag, ich trug meine üblichen Sportklamotten und einen Schal um den Hals, da ich am Vortag Halsschmerzen bekommen hatte. Ich schwitzte, doch das war ich gewohnt. Wenn der Wind durch meine Haare fuhr, frische Luft in meine Lungen drang, hatte ich das Gefühl von Freiheit, verliehen durch die Schnelligkeit und Kraft meiner Beine.
Die Landschaft glitt an mir vorbei. Gelegentlich passierte mich ein Auto und ich hörte es trotz der Musik, die mir rechts ins Ohr dröhnte. Nach dem Bahnübergang fuhr ich nach links, direkt in eine schmale Seitengasse hinein.
Da hörte ich es.
Ein Quietschen, laut und schrill. Hatte ich mir das nur eingebildet?
Nein, da war es wieder.
Ein Tier, das Todesqualen litt. Mir wurde unwohl und ich hatte plötzlich das Gefühl umdrehen zu müssen.
Ich hielt an, wendete und fuhr die paar Meter zu der Stelle zurück, an der ich es zum ersten Mal gehört hatte. Mein Blick blieb an einem Tor hängen, ein hübsch angelegter Vorgarten mit gemähtem Rasen. Ich sah rote Gardinen in den Fenstern, vergoldete Rahmen und Klinken, gewundenes Geländer, trockene Hängepetunien und eine schwarze Katze, die als ich sie anschrie, panisch davonstob.
Der Hase zuckte, strampelte im Todeskrampf. Oder war es ein Kaninchen? Ich war mir nicht sicher. Dann war er tot. Seine kleinen Beinchen verkrümmt, das Mäulchen blutig.
Ich starrte das Knäuel aus zerzaustem Fell an und fühlte Mitleid. Ich kniete mich vor das Gartentor, schob eine Hand durch die Stäbe und berührte weiches und noch warmes Fell. Traurigkeit überkam mich. Ich blickte in die Richtung, in der die Katze verschwunden war und sah ihren Kopf aus dem Gebüsch hervorlugen.
Sie hatte die Ohren angelegt und ihre Augen glänzten.
Sie würde zurückkommen, dessen war ich mir sicher. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, ihr die Beute wegzunehmen, entschied mich dann aber dagegen.
Die Natur war nun mal grausam und die Welt ein schrecklicher Ort.
„Was für eine Verschwendung", murmelte ich, stieg auf mein Rad und fuhr davon.
Da ahnte ich noch nicht, dass ich ein Seelentier bekommen hatte.
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Die Wiese der toten Tiere
FantasyNiemand träumt. Es ist ein Märchen, ein Mythos, Hexerei. Und wenn es doch passiert, wird es von einem Forschungsinstitut in Grein erforscht. Man kann sich dort anmelden und an einem Programm teilnehmen, liest Hildegard im Internet und schreibt eine...