Es gelang mir in den Zug zu steigen, ohne vorher in Tränen auszubrechen. Ich weinte nie. Wirklich nicht. Ich hatte auch nie Hoffnung, zumindest redete ich es mir ein.
Diesmal musste ich dagegen ankämpfen und ich hatte keine Taschentücher. Auch die Musik konnte mich nicht ablenken und ich fühlte mich noch deprimierter, als zuvor schon. Ich hatte mich so gefreut, weil ich endlich ein Bewerbungsgespräch ergattert hatte. Nachdem ich so viele Bewerbungen verfasst hatte, war es mir wie ein Zeichen erschienen. Bis jetzt war es mir nicht einmal richtig bewusst gewesen. Betrogen und enttäuscht fasste meine Gefühle gut zusammen.
Als ich endlich ausstieg und mich zur Bushaltestelle schleppte, begann es zu regnen. Ich fragte mich, ob mich der Himmel verfluchte.
Es gelang mir noch rechtzeitig unter das durchsichtige Dach zu huschen, ehe es auch schon in Kübeln schüttete. Meine Tasche vibrierte. Nachdem ich aus dem Zug ausgestiegen war, hatte ich mein Handy einfach hineingeworfen. Ich warf einen Blick auf die Anzeige. Erst in fünf Minuten würde der nächste Bus kommen. Ich holte mein Handy hervor und starrte auf die Nachricht. Es war früher Nachmittag und meine Mama hatte mir geschrieben. Und nicht nur sie. Auch Astrids Profil blinkte mir entgegen.
Wie war's? Geht's dir gut?
Ich starrte die Buchstaben an und wischte ihre Nachricht beiseite. Dann las ich Mum's.
Und? Wie ist es gelaufen?
Ich antwortete nicht, weil ich sie ohnehin zuhause antreffen würde. Davor musste ich noch Kontrolle über mein Gesicht erlangen, da ich mich nicht erklären wollte.
Ich war nicht die Einzige, die durchnässt in den Bus stieg. Als ich mich setzte, entwich mir ein schwerer Seufzer. Bald befand ich mich wieder in meinem Viertel und meine Kleidung wirkte völlig fehl am Platz. Bevor ich ausstieg war mir bereits klar, dass ich nicht bei B.F.A anfangen würde. Ich konnte nicht in einer Firma arbeiten, in der man mich aufgrund meiner Kontakte bevorzugt hatte. Ich war keine Almosen gewohnt und ich war der Meinung, dass jeder seines Glückes eigener Schmied war.
Ich muss den Kontakt abbrechen.
Als ich durch den Regen nachhause ging, schmiedete ich bereits einen Plan. Ich würde mir eine schlecht bezahlte Stelle suchen müssen, wenn ich ausziehen wollte. Nebenbei würde ich weiter Bewerbungen schreiben und versuchen den Job zu kriegen, für den ich gelernt hatte. Ich konnte im Themencafé nach einer Stelle fragen. Erst letzte Woche hatten sie dort jemanden gesucht. Oder ich konnte in einem Fast Food Restaurant anfangen. Arbeit war Arbeit und ich wusste, wie man anpackte. Doch trotz Plan B war ich fürchterlich deprimiert, weil es nicht das war, was ich mir doch irgendwie erhofft hatte.
Ich war bis auf die Haut durchnässt, als ich ins Vorhaus trat. Das Wasser lief über mein Gesicht, mir war kalt und es schüttelte mich. Meine Mama kam aus der Küche auf mich zu. Sie blickte mir erwartungsvoll entgegen. „Und?" Doch als sie mein Gesicht sah, wurde sie bleich. „Was ist passiert?"
„Ich ...", doch die Worte blieben mir im Hals stecken, da mein Handy klingelte. Ich drehte mich um, warf einen Blick durch das schmale Fenster neben der Tür nach draußen und nahm meinen Schlüssel, um abzusperren. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass Astrid vorbeikommen wollte. Woher das kam war mir schleierhaft.
„Jemand ruft dich an." „Ja." Ich sah nach. Astrid. Einen Augenblick später: Kann ich noch vorbeikommen? Magst du reden?
Ich ignorierte es und riss mich zusammen. „Ich bin nur nass. Alles in Ordnung. Das Bewerbungsgespräch lief super. Wusstest du, dass man nicht mit dem Auto in die Fußgängerzone des Businessviertels fahren darf?" Ich konnte ihr nicht erzählen, wie verletzt ich war. Auch nicht, dass ich Astrid nicht im Foyer angetroffen hatte und erhobenen Hauptes durch die Tür spaziert war, als wäre nichts geschehen. Ich hatte mir vorgenommen nicht wie ein Weichei zu fliehen und mich dem zu stellen, das mich erwartet hätte. Doch sie war mit ihrer Freundin und Linda irgendwo im Firmengebäude verschwunden. Das hatte mich frustriert.
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Die Wiese der toten Tiere
FantasíaNiemand träumt. Es ist ein Märchen, ein Mythos, Hexerei. Und wenn es doch passiert, wird es von einem Forschungsinstitut in Grein erforscht. Man kann sich dort anmelden und an einem Programm teilnehmen, liest Hildegard im Internet und schreibt eine...