25. Ritual, Kräuter und Sardinen in Blechbüchsen

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Kurz vor Mitternacht ging es nach draußen. Astrid hielt meine Hand und folgte dem Strom, der uns nach draußen trug. Sie zog mich auf die Wiese vor dem Anwesen, noch vor den Parkplatz, wo ein paar Leute eine Feuerwerksshow vorbereitet hatten. Wir mussten uns hinter eine Absperrung stellen, wobei sich von allen Seiten Leute gegen uns drängten und ich mich fühlte, wie eine Sardine in der Blechbüchse.

„Gleich geht's los!", schrie sie aufgeregt in mein Ohr, während im Hintergrund irgendjemand laute Trance-Musik aufdrehte und die Leute von zehn abwärts zu zählen begannen.

Im Licht der Kameras, der Reporter, die mit ihren Micros angerückt waren, fragte ich mich, ob die Zuhause keine Familien hatten, mit welchen sie das neue Jahr feiern und beginnen wollten.

Jemand schrie: „Frohes neues Jahr!" Korken knallten und mehrere Zündschnüre wurden angezündet. Zischend schoss die erste Salve den Himmel hoch und explodierte in einem funkenden Blitzregen. Astrid warf sich in meine Arme, auf meinen Lippen noch immer ihr bitterer Kuss, doch meine Augen waren nur auf der Suche nach Su-ji, die ich in der Menge nirgends entdecken konnte und die ich viel lieber als dieses überteuerte Feuerwerk angesehen hätte.

Die Leute gratulierten sich. Astrid küsste mich erneut. Erst dann reichte sie ihre Hand den Gratulanten, die sich um sie scharrten und mich vollständig ignorierten. Da erfuhr ich zum ersten Mal, was es hieß ein Pflanzenfresser zu sein. Selbst als Astrids Auserwählte war ich nur Futter für ihre Gelüste und keinen einzigen Blick würdig.

Die Show dauerte wenige Minuten. Es roch nach Schwefel und dichter Nebel legte sich übers Grundstück. Mir war kalt und Gänsehaut überzog meine Oberarme. Mein Handy vibrierte, ich hatte eine Nachricht erhalten. Sie war von meinen Eltern, die fragten, wann sie mich holen sollten. Gerade, als ich zurückschreiben wollte, stieß jemand gegen mich und mein Handy fiel mir aus der Hand, direkt in den Schnee hinein.

„Entschuldige, ich sah dich nicht", sagte Daniel und sah mich mit einem süffisanten Grinsen an. Ich kniff die Augen zusammen, während ich mich danach bückte und wieder aufhob. „Ernsthaft?" Er kam genau richtig. „Pass doch auf", belehrte ich ihn. Ich war nicht nur beschwipst.

Er spuckte mir vor die Füße. „Ein Karottenfresser hat mir nichts zu sagen."

Mein Geduldsfaden riss. Ich griff nach ihm, so schnell, dass nicht nur er überrascht war und hielt ihn vor mein Gesicht, so, dass ich ihm genau in die Augen sehen und seinen Pferdegeruch riechen konnte, der mir übel aufstieß. „Hör mir mal gut zu", knurrte ich und sah, wie die Überraschung zu Angst wurde, „in Zukunft machst du einen großen Bogen um mich, verstanden? Ich will dich weder sehen, noch riechen müssen, Karottenfresser." Im Augenwinkel entdeckte ich Su-ji, die auf uns zukam. Ich ließ trotzdem nicht von ihm ab.

„Ich bin zwar ein Hase, aber ich habe Rückgrat, was man von dir nicht behaupten kann", ich stieß ihn von mir. Er stolperte über seine eigenen Füße und fiel mit dem Rücken gegen jemanden, der zuvor Astrid die Hand geschüttelt hatte. Ohne auf die Beschwerden zu achten, wandte ich mich um und ging zur Villa zurück, mit der Absicht, diese Scharade nicht mehr länger mitzumachen. Zum Teufel mit der Mission und der Traumgöttin.

Ich stieß gegen jemanden.

„Wen haben wir den hier", murmelte Astrids Onkel. Gänsehaut rieselte meinen Rücken hinunter. Bevor ich ihm entwischen konnte, legte er mir einen Arm um die Schultern und zog mich an sich, was mich stocksteif werden ließ. „Das ist Astrids kleine Freundin, Hildegard Gsötter", stellte er mich der Gruppe vor und legte mir ein Glas mit roter Flüssigkeit an die Lippen. „Sie ist ihre neue Spielgefährtin. Hübsch, oder?"

Ich hatte keine Ahnung, wie mir geschah. Ich trank, obwohl ich nicht wollte, seine Augen vor mir, die Augen der anderen auf mir, die mich ansahen, als wäre ich ihr Festmahl und ich ihre Beute.

Die Wiese der toten TiereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt