26. Licht, Blut und Su-ji

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Aus den vier Tagen wurden fünf. Nicht nur, dass ich von den Polizisten einvernommen wurde, auch sprach ich mit einem Anwalt und einem Therapeuten, der mir versicherte, dass B.F.A für den Schaden an meiner Psyche zahlen musste, da bräuchte ich mir keine Gedanken zu machen.

Nach ein paar Tests, die zeigten, dass mein Arm teilweise gelähmt war, stand fest, dass ich irreparable Schäden davongetragen hatte. Nach einem CT (ich hatte erneut in die Röhre müssen und hatte mir nicht gemerkt, ob es zwischen CT und MRT Unterschiede gab) stellte sich heraus, dass einige meiner Nerven abgestorben waren. Es war etwas, womit ich wohl zu leben lernen würde müssen. Daran sah man, wie gefährlich es in der Traumwelt war. Ich hatte es von Anfang an unterschätzt. Zwei Ärzte versicherten mir dennoch, dass ich meinen Arm vielleicht wieder einmal würde gebrauchen können und ich Mut haben sollte eine Physiotherapie zu machen. Selbstverständlich würde B.F.A auch die Behandlungen zahlen müssen, dafür würde mein Anwalt schon sorgen.

Ich erschien nicht zum geplanten Treffen. Wenn ich träumte, so versteckte ich mich möglichst an einem Ort, wo mich keiner finden konnte oder vergrub mich in der Erde, was Hasen für gewöhnlich taten, um abzuwarten, bis ich endlich wieder aufwachte. Dann war mir meistens speiübel und ich verbrachte eine Zeit lang auf der Toilette, wo ich mich mehrmals übergab.

Ich bekam Selbstmordgedanken. Ich konnte nichts dafür, es ging mir teilweise sogar dermaßen dreckig, dass sie einfach kamen und ich vor den Fenstern meines Zimmers stand, nach unten starrte, es waren ständig Reporter anwesend, die mit mir sprechen wollten und überlegte, ob ich einfach nach unten springen und ihnen eine Show liefern sollte.

Trotzdem brachte ich es nicht über mich, das Totem zu zerstören. Stattdessen starrte ich es nur an und hoffte, dass es sich einfach in Luft auflösen und mir meine Entscheidung abnehmen würde. Natürlich geschah es nicht. Mein Seelentier warf mir andauernd besorgte Blicke zu und ich fragte mich, ob es sich inzwischen von mir gelöst hatte.

Niemand außer meinen Eltern durfte zu mir, ich wusste nicht einmal, ob Su-ji oder Ben versuchten mich zu besuchen.

Am letzten Tag, so gegen Abend, holten mich meine Eltern ab. Als wir beim Rausgehen von mehreren Kameras geblitzt wurden und man uns sogar bis zu unserem Haus folgte, platzte Mama der Kragen.

Tja, wir waren eben berühmt.

Sie sprang aus dem Auto und brüllte sie an, dass sie die Polizei rufen und klagen würde, sollten sie uns nicht endlich in Ruhe lassen. Da zogen sie von dannen, doch ich fragte mich, wie lange ihre Drohung wohl anhalten würde, man wusste ja, wo wir wohnten.

Ich kam einigermaßen damit klar, dass ich meinen Arm kaum bewegen konnte. Mich ärgerte mein Versuch, es jedes Mal versuchen zu wollen, weil mein Gehirn einfach nicht begreifen konnte, dass es wehtat. Ich lief mit einer Schlinge herum, um ihn zu entlasten, denn selbst einfache Schritte waren unangenehm, weil er sich bewegte. Trotzdem stieg ich gleich die Nacht auf den Dachboden, der zum Glück am anderen Ende des Hauses war, wo ich das Totem verstaute. Ich wollte fürs Erste doch nicht mehr träumen und obwohl ich Su-jis Gesicht nicht vergessen konnte glaubte ich, dass der Schmerz irgendwann von selbst vergehen würde.

In der ersten Nacht blieb ich allein und die Katze tauchte auch am nächsten Tag nicht auf. Ich hatte sie im Krankenhaus vermisst, doch jetzt vermisste ich sie um so mehr, weil sie mir auf ihre Art geholfen hatte.

War ich schuld daran, dass sie mich nicht mehr besuchte?

Als ich zum Frühstück nach unten ging, saß meine Mama beim Esstisch und hatte ihren Laptop aufgeklappt.

„Guten Morgen, Schatz." Sie hörte nicht mehr auf, mich so zu nennen. Ihre Augen, die hinter Brillengläsern verborgen waren, sahen mich besorgt an. „Wie geht es deinem Arm?"

Die Wiese der toten TiereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt