Wie viel Pech konnte man eigentlich haben?
Ich hatte genügend Zeit eingeplant. Bereits drei Stunden vorher hatte ich begonnen mich anzuziehen und zurechtzumachen. Die Haare am Hinterkopf zusammenbinden, vorzeigbare Anziehsachen, keine löchrigen Jeans und dicke Socken, sollte mir abends beim Heimgehen kalt werden. Ich hatte sogar Makeup aufgetragen und Wimperntusche verwendet. Als ich mich eineinhalb Stunden vor Arbeitsbeginn auf den Weg machen wollte, hielt mich Hr. Lang im Stiegenhaus auf, weil er mich fragen wollte, wie es mir mit der Wohnung ging und ob es mir gefiel. Ich hatte nicht unhöflich wirken wollen und hatte lächelnd bejaht, trotzdem hatte sich das Gespräch in die Länge gezogen und schließlich hatte mich ein Gast gerettet, der wissen wollte, wo die Toiletten waren. Dann war ich auf die Straße gestürzt und war zur Haltestelle gelaufen.
Und nun saß ich in der vollen Straßenbahn und wir standen im Stau, weil irgendjemand einen Unfall gebaut hatte und direkt auf die Schienen geflogen war. Mehrere Autos waren beteiligt und es gab kein Vorankommen. Ich war frustriert, doch vor allem war ich nervös. Es war mein erster Arbeitstag und die Chancen standen gut, dass ich zu spät kam.
Ich hatte eine Nummer, die meines Chefs. Und als wir zehn Minuten später noch immer nicht vom Fleck kamen, beschloss ich anzurufen.
„Hallo?", meldete sich eine Stimme, die klang, als hätte sie zu viel geraucht.
„Guten Tag", sagte ich hastig, „hier ist Hilde Gsötter. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit, allerdings steht die Straßenbahn aufgrund eines Unfalls. Ich komme leider zu spät. Es tut mir leid."
Kurze Störgeräusche, dann: „Schon gut. Das passiert manchmal. Machen Sie sich keinen Stress."
„Vielen Dank!", mir fiel ein Stein vom Herzen. Er verabschiedete sich und ich verstaute mein Telefon in meiner Jacke. Dennoch war ich verärgert. Das war kein gutes Zeichen, wenn ich bei meinem ersten Arbeitstag bereits zu spät kam. Vielleicht sollte ich mir ein Rad zulegen und in Zukunft damit zur Arbeit fahren.
Der Stau löste sich, die Autos wurden von den Schienen geräumt und die Straßenbahn fuhr Richtung Unterhaltungsviertel. Ich brauchte von der Haltestelle aus noch ungefähr fünfzehn Minuten bis zur Bar, sagte zumindest Google Maps.
Es war viel los, obwohl es erst halb sieben war. Eigentlich hätte ich um halb sechs da sein müssen. Ich lief, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter mir her und mein Herz galoppierte in meiner Brust. Die Leute sahen mir hinterher, doch ich schenkte ihnen keine Beachtung. Schilder blinkten auf mich herab, die Straßenmeisterei kehrte den Müll von der Straße und die Menschenmengen drängten sich dicht durch die schmalen Gassen. Da ich so gestresst war, hatte ich keine Zeit mich damit zu befassen, unter normalen Umständen hätte es mich überfordert.
Ich sah die Cocktailbar, noch ehe ich auf mein Handy glotzte, das mir sagte: Sie sind am Ziel angekommen.
„Hilde", keuchte ich, „worauf hast du dich da nur eingelassen." Ich blieb stehen und schnappte nach Luft. Meine linke Seite stach wie verrückt. Während ich versuchte zu Atem zu kommen, starrte ich das grüne Schild mit der pinken Palme an. Es war groß und hing direkt über der breiten Tür, die offenstand und vor der Leute ihre Zigaretten rauchten.
Der Mann, der an mir vorbeiging, streifte meine Schulter, ohne es zu bemerken.
Es fröstelte mich. Ich starrte seinen Hinterkopf an und hatte das Gefühl, dass ich ihn schon einmal gesehen hatte. Er trug einen langen Mantel und hatte eine Mütze auf. Zigarettenrauch stieg mir in die Nase. Und dann sah ich etwas Hellblaues auf seiner Schulter, es funkelte für einen Moment, dann war es fort. Ich setzte mich in Bewegung, runzelte die Stirn und erinnerte mich plötzlich.
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Die Wiese der toten Tiere
خيال (فانتازيا)Niemand träumt. Es ist ein Märchen, ein Mythos, Hexerei. Und wenn es doch passiert, wird es von einem Forschungsinstitut in Grein erforscht. Man kann sich dort anmelden und an einem Programm teilnehmen, liest Hildegard im Internet und schreibt eine...