32. Im Casino

13 4 0
                                    

Der Abend kam viel zu schnell. Die Sachen, die mir Su-ji besorgt hatte, passten wie angegossen und es stand mir gut. Die Haare steckte ich hoch und ich trug Make-up auf, eher aus Gewohnheit. Neben dem Spiegel lag mein Totem. Ich sollte es mitnehmen. Gegenüber Su-ji hatte ich die Befürchtung geäußert, dass ich das Traumland nicht mehr betreten würde können, wenn sie es zerstörten, worauf sie dann die Stirn gekräuselt und gemeint hatte, dass ich ohnehin nicht träumen wollte.

Das würde bedeuten, dass wenn wir einmal getrennte Wege gingen, ich ihr nie mehr wieder begegnen konnte. Ich war mir nicht sicher, ob ich das wollte.

Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel und ordnete den Kragen. Dann starrte ich die Stelle auf meinem Oberkörper an, wo ich die Narben wusste und wünschte mir, dass alles gut würde. Ich hatte am Tag noch meine Mama angerufen, nur um ihre Stimme zu hören. Gesagt hatte ich nichts, doch sie hatte trotzdem mehrmals schluchzend meinen Namen geflüstert. Das hatte mir die nötige Kraft für heute gegeben. Die Göttin würde alles richten, das hatte Su-ji zumindest gesagt.

Wir trafen uns im Vorzimmer. Sie trug ein schwarzes Kleid und sah zauberhaft darin aus. Für meinen Geschmack war es viel zu kurz. Sie trug keine Strümpfe, dafür aber hohe Schuhe, in denen sie sich wie auf Wolken bewegte. Wir begegneten uns auf Augenhöhe, als sie mir die Tür öffnete. Mir entging nicht das Funkeln in ihnen, als sie mich inspizierte. Ich streckte die Brust raus, weil das mein Selbstbewusstsein pushte.

Ich ließ sie vor mir die Stufen hinuntergehen und mein Blick rutschte ungewollt zu ihrem kleinen Po, der sich hin- und her wiegte. Ich wusste, dass sie am Oberschenkel zwei Messer trug, doch man sah es nicht. Mir hatte sie auch eine Waffe angeboten, doch ich hatte abgelehnt.

Ein Taxi holte uns ab. Wir warteten nicht lange. Su-ji fror. Der Panther hinter ihr wirkte nervös, was mich nicht beruhigte. Trotzdem ließ ich mir meine eigene Nervosität nicht anmerken.

Der Taxifahrer begrüßte uns und wir waren beide überrascht, als wir Ben am Beifahrer saßen.

„Hallo", sagte er und grinste uns an, „Überraschung!" Im Inneren roch es nach Tabakrauch.

Wir setzten uns auf die Rückbank. Su-ji schob sich in die Mitte. „Was machst du denn hier? Hast du dir etwa die Taxinummer gemerkt?", wollte sie wissen, „ich dachte, du hältst dich raus?"

„Ich komme mit", trällerte er und klopfte auf die Mittelkonsole, „falls du Hilfe brauchst. Man weiß ja nie." Dann zuckte er die Achseln und grinste entschuldigend.

Wir fuhren nach Grein, dann über die Autobahn und anschließend in die Gegend, in der ich gewohnt hatte. Ich verstand, dass das Casino in der Nähe des Unterhaltungsviertels sein musste.

Unter blinkenden Schildern und Werbungen von Night- und Danceclubs hielten wir anschließend vor einem riesigen Gebäudekomplex. Vom Dach hingen leuchtende Lampen und Grein Casino stand in großen Lettern direkt über dem Eingang. Ein paar Palmen hatte man direkt davor gepflanzt und die Treppe zur Tür glänzte golden, als wäre sie plattiert, doch es handelte sich um irgendein Metall, welches in den bunten Lampen und Werbungen poliert glänzte.

Wir stiegen aus. Ben zündete sich direkt daraufhin eine Zigarette an. „Steht dir gut", sagte er zu mir und lächelte mich zwischen zwei Atemzügen an. Er wirkte müde, fiel mir auf und irgendwie besorgt. „Geht es dir gut?", fragte ich ihn und er hob die Brauen, dann zuckte er die Achseln. „Das sollte ich dich fragen", gab er zurück, „was macht dein Arm?" Ich betastete ihn. „Er tut weh, aber nur manchmal. Es ist erträglich."

Su-ji überraschte mich, indem sie sich bei mir einhängte. Ich errötete. „Wir sollten gehen", sagte sie ernst und beäugte eine Gruppe, die sich lachend die Stufen hochkämpfte. „Wir haben eine Mission."

Die Wiese der toten TiereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt