„Frau Gsötter, Sie haben Besuch."
Ich saß aufrecht im Bett und hinter meinem Rücken lag ein Kissen. Ich war nicht vorbereitet. Woher auch immer sie es erfahren hatte, sie hatte mir geschrieben und mir nicht einmal eine halbe Stunde Zeit gelassen, um mich auf sie einzustellen.
Astrid kam durch die Tür und mein Herz blieb stehen. Sie war so schön, dass es wehtat und meine Brust an Gefühlen überquoll. Verdammt. Ob man es mir ansah? Ich versuchte möglichst gefasst zu wirken, soweit es mir eben möglich war mit dem verbundenen Schädel und lächelte sie vorsichtig an, während ich ein krächzendes ,Hallo' hervorbrachte.
Sie erwiderte mein Lächeln und meinen Gruß.
Ihre Haare waren unter einer dicken Haube verborgen, ihre Augen hinter dunklen Gläsern, obwohl draußen keine Sonne schien. Ein Mann wollte ihr folgen, doch sie drehte sich zu ihm um und wies ihn an vor dem Zimmer zu warten. Dann schenkte sie mir ihre volle Aufmerksamkeit, schnappte sich einen Stuhl und schob ihn zum Bett. Mit einer Handbewegung nahm sie die Brille ab, legte sie neben mein Handy und sah mich an.
„Wie geht es dir? Du bist bleich wie Kreide."
War ich das? Ich hatte keine Ahnung. Was ich nicht verstand waren die Gefühle, die sich plötzlich in mir auftaten. Warum zum Henker hatte ich auf einmal Angst vor ihr? Kaum hatte sie sich mir genähert, hatte mein Herz nicht vor Liebe seinen Rhythmus verloren. Sie beugte sich vor und berührte meine Hand, die ich auf der Decke abgelegt hatte. Mich durchlief ein Frösteln und die sehnsüchtigen Gefühle verschwanden jäh. Sie hatte warme Finger, doch mir kamen sie plötzlich wie tödliche Pranken vor, die mich zerquetschen würden. Was zum Teufel! Ich war größer und stärker. Woher kam das auf einmal?
„Alles in Ordnung?", sie musterte mein Gesicht mit ihren hellblauen Augen und ich merkte ihr die Sorge deutlich an. Dennoch durchlief es mich eiskalt und ich konnte mich nicht zusammenreißen und entzog mich ihrer Berührung. Es wurde nur ein wenig besser. Sie war mir zu nah.
Und der Teegeruch, der an ihr haftete, mir wurde übel davon.
„Woher weißt du, dass ich hier bin?" Ich war unfähig zu antworten und verfluchte mich dafür. Sie sollte keinen Verdacht schöpfen. Ich wollte nicht, dass sie von meinen Träumen erfuhr und ich wusste nicht, woher ich auf einmal die Gewissheit nahm, dass es keine gute Idee war.
Sie suchte in meinem Gesicht, als könne sie darin wie in einem Buch lesen. „Ich habe mit deiner Mama gesprochen. Sie hat es mir erzählt, dass du jetzt in einer Bar arbeitest und das du einen Unfall hattest. Hast du endlich geträumt? Man sieht es dir an. Du zitterst ja!" Obwohl ihre Hand kurz in meine Richtung zuckte, ergriff sie sie nicht noch einmal. Stattdessen lehnte sie sich zurück. „Ich hatte schon Angst, dass du dich ernsthaft verletzt hättest. Zu Beginn ist es für jeden heftig. Meistens wird man krank und bekommt Fieber. Der Körper kommt damit nicht klar, aber er gewöhnt sich daran."
„Ich habe nicht geträumt", widersprach ich und die Lüge kam über meine Lippen, als hätte ich es geübt, „ich bin lediglich bei der Arbeit auf den Kopf gefallen."
Astrid hob beide Brauen in die Höhe und zog sich anschließend ihre Jacke aus. Darunter trug sie einen roten Pullover. „Wie lange willst du es noch verleugnen?", fragte sie mich ernst.
Mir stockte der Atem. Von ihr ging solch eine Gefahr aus, dass ich flüchten wollte.
Es verwirrte mich. Warum war mir das nicht schon früher aufgefallen? Ich versuchte die Warnung meines Instinkts beiseitezuschieben und das Zucken zu ignorieren, dass durch meine Beine ging.
„Du hast Angst vor mir", sie lachte glockenhell, „brauchst du nicht. Ich tue dir nichts. Ich beiße selten." Dann legte sie die Jacke über die Lehne und etwas fiel zu Boden.
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Die Wiese der toten Tiere
FantasyNiemand träumt. Es ist ein Märchen, ein Mythos, Hexerei. Und wenn es doch passiert, wird es von einem Forschungsinstitut in Grein erforscht. Man kann sich dort anmelden und an einem Programm teilnehmen, liest Hildegard im Internet und schreibt eine...