Zu meinem Glück war das Haus mit dem Stall verbunden. Ich musste also erst einmal nicht in die Kälte hinaus. „Keine Sorge", Astrid drückte mir eine Decke in die Hand, „hier, damit du nicht frierst."
Ich starrte den dicken Stoff an, während ich daran dachte, dass ich schon länger nicht mehr geritten war und damit um mich herum vermutlich nicht mehr wissen würde, wie ich mich festhalten sollte.
Astrid zog sich ihre Reitstiefel an und nahm ihre Jacke vom Haken. Ich roch den Geruch nach Pferd, was mich an die Begegnung mit dem Fremden erinnerte, der mich im Park angegriffen hatte.
Das lenkte mich so stark ab, dass ich vergaß, dass ich mit einem Fleischfresser unterwegs war.
Der Stall war groß und länglich, zu beiden Seiten waren Boxen mit Pferden gefüllt, wobei die letzten leer waren und meist den Fohlen dienten, die ab und zu weiterverkauft wurden. Die Spitzenhengste standen abseits der Stuten und zwischen ihnen war ebenfalls eine Box frei.
Für gewöhnlich mochte ich den Geruch nach Heu, doch an diesem Tag war mir der Stall zuwider.
„Du hast den Helm vergessen." „Hab ich das?", ich drehte mich um und blickte Astrid ins Gesicht, die mich anlächelte. „Soll ich ihn dir anpassen?" „Nein, das geht schon." Ich kämpfte mit der Schnürung, damit ich ihn mir auf die Haube setzen konnte.
Ungefähr in der Mitte war der Anschluss zur Reithalle. Die Türen standen offen. Ich blieb stehen und mein Blick flog über den niedrigen Parkour bis hin zu den beiden Personen, die in der Mitte der Halle standen und sich unterhielten. Ich sah einen blonden, jungen Mann und eine Frau, die ihr schwarzes Haar zu einem Zopf gebunden hatte. Neben ihnen standen ihre Pferde, wobei eines davon verschwitzt war.
„Mein Cousin", meinte Astrid, die neben mir stehengeblieben war, „eigentlich solltest du ihn kennen."
„Ich kann mich nicht erinnern." Konnte ich tatsächlich nicht. „Er ist jünger", meinte Astrid, „könnte daran liegen, weil er im Ausland war. Er kam erst letztes Jahr zurück."
Ich zuckte die Achseln. Als ich mich abwandte, stand Astrid direkt vor mir. Sie berührte meine Schulter. Ich fuhr zusammen, während mir Gänsehaut über den Rücken rieselte und ich auf der Stelle zu einer Salzsäule erstarrte.
„Entschuldige", murmelte sie mit erhobener Hand und sah mir tief in die Augen. Sie wich zurück, langsam und elegant, lautlos, wie ein Raubtier bereit zum Sprung. Ich bildete mir ein den Hunger in ihren Augen zu sehen, der dem Blick ähnlich war, den ich bei Su-ji gesehen hatte. Nur rief der weder den Wunsch in mir hervor sie zu küssen, noch von ihr gefressen zu werden.
Ich sagte nichts, kämpfte meine Angst, meinen Wunsch zu fliehen nieder und meine Nackenhaare stellten sich auf, als ich die Gegenwart eines weiteren Raubtiers spürte.
Mein Kopf begann sich zu drehen. Hatte ich mir zu viel zugemutet? Ich hätte absagen sollen.
Ein Pferd wieherte. Ich riss mich zusammen. Keine Nervenzusammenbrüche, H. Konzentration.
Verdammt, war mir übel.
Ich bekam eine Stute mit freundlichem Gesicht zugeteilt, die mich nur mit halbem Interesse beäugte und an ihrem Heu kaute, während Astrid sich einen feurigen Hengst aussuchte. Sie half mir beim Satteln, obwohl ich ihr sagte, dass ich das sehr wohl allein tun konnte und so war ich erneut ihrer Nähe ausgesetzt.
Als sie zufällig meine Hand berührte, durchfuhr es mich wie ein Blitz. „Warum tust du das?", sprudelte aus mir hervor. Es war mir mehr als nur unangenehm.
„Was?", sie blickte so unschuldig drein, wie sie nur konnte. Es machte mich wütend. „Das", ich sah auf ihre Hand, als wäre sie eine Giftschlange, „du hast das noch nie getan."
DU LIEST GERADE
Die Wiese der toten Tiere
FantasyNiemand träumt. Es ist ein Märchen, ein Mythos, Hexerei. Und wenn es doch passiert, wird es von einem Forschungsinstitut in Grein erforscht. Man kann sich dort anmelden und an einem Programm teilnehmen, liest Hildegard im Internet und schreibt eine...