23. ,Sie holt mich ab'

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Ich wurde nach diesem peinlichen Erlebnis tatsächlich in die Organisation aufgenommen. Ben rief mich in den nächsten Tagen an und meinte, meine Hilfe wäre jetzt, wo ich Astrid als Hase umgarnt hätte, umso wichtiger. Denn die Fleischfresser waren nach uns Pflanzenfressern süchtig, dafür sorgte die Göttin, meinte er, was mich eigentlich nur verwirrte.

Ich litt. Nicht nur, weil ich übel schlief und nach wie vor Panikattacken ausstehen musste, sondern, weil ich inzwischen begriffen hatte, das Su-ji hinter dem Cousin her war. Um die Göttin zu finden scheute sie kein Opfer, so wie ich, wobei mein Handeln eine provozierte Antwort auf ihres gewesen war. Ich konnte kaum damit umgehen, genauso wie mit dem Fakt, dass ich jedes Mal irgendwo aufwachte und niemandem begegnete, als wolle es das Traumland oder die Göttin nicht, von der alle sprachen. Ich erzählte Ben von meiner seltsamen Begegnung im Traum mit einer Frauengestalt, die paar Tage her war und er meinte ganz begeistert, dass ich etwas Besonderes sei, weil sie mir definitiv begegnet wäre, was bedeutete, dass ich unbedingt bis zum bitteren Ende bleiben musste. Außerdem wollte er, dass ich davon erzählte, was dazu führte, dass ich zum nächsten Organisationstreffen eingeladen wurde, genauso wie zu Astrids Silvesterfeier, die offiziell eine Geburtstagsfeier ihres Onkels war. Ben steckte große Hoffnungen in mich, ich könnte sogar diejenige sein, die einen direkten Draht zur Göttin herstellen könnte, was auch immer das sein sollte.

Meine Eltern brachten mich dazu, meine Wohnung in der Bowlingbar aufzugeben. Mein Vermieter war sehr bestürzt darüber und hörte nicht auf mich auszufragen, weshalb ich ging, worauf ich nur ausweichende Antworten gab. Schließlich übernahm mein Vater, der auch den Umzug organisierte. Später stand ich wieder vor meinem alten Zimmer, vollgestopft mit Kartons und stellte mich darauf ein, mich in den nächsten Tagen wieder einzuquartieren, als wäre ich nie weggewesen. Dabei hatte ich mich so sehr gefreut, mich endlich von meinen Eltern abzunabeln und alles hinter mir zu lassen. Tja, Fehlanzeige.

Ich nahm den Job als Buchhalterin an, weil ich keine Energie hatte weiterzusuchen. Meine Psyche kratzte an einem Nervenzusammenbruch und ich erkannte mich kaum wieder, wenn ich in den Spiegel blickte. Astrid hatte mir Tabletten geschickt, die ich naserümpfend in den Müll geworfen hatte. Beruhigungspillen, hatte sie mir per SMS geschrieben. Sie sollten meine Angst unterdrücken, damit ich besser klarkam, bis ich lernte damit umzugehen. Ich war zwar gelegentlich verzweifelt, aber noch nicht so weit, mich mit irgendwelchen Drogen vollzupumpen. Ich dachte dabei an Frau Maier, die Postbotin und fragte mich, was sie wohl dazu gesagt hätte. Sie hätte sich wohl bestätigt gefühlt in ihrer Einstellung, dass alle Jugendlichen Drogen nahmen.

Ich gab mir eine Woche Pause. In der Zeit wollte ich meine Kräfte sammeln und mich vorbereiten, auf Astrid, auf ihre Familie, auf die Organisation. Ich bat meine Mama mir stärkere Kräuter zu besorgen. Sie war besorgt und brachte mir irgendwelche Mischungen, die allerdings nur bedingt halfen und mich nur einschläferten.

Bis die Katze durchs Fenster sprang.

Sie brachte mir einen Stein. Er war weiß und so klar wie Glas, sodass ich tatsächlich zuerst an eine Glasscherbe dachte. Sie miaute und ließ sich hinter den Ohren kraulen, dann sprang sie in mein Bett und schnurrte, schloss die Augen und fühlte sich wohl. Von der Katze musste ich Ben erzählen.

Mit dem Stein fühlte ich mich sicherer. Ich konnte nicht erklären, woher das kam, es war einfach so. Der Stein wurde zum festen Bestandteil in meiner Hosentasche, direkt neben dem Totem und dem Turmalin.

Mein erster Arbeitstag verlief nicht besonders gut. Ich fuhr mit meinen Eltern mit, eine Fahrgemeinschaft sozusagen, nachdem ich wie schon die letzten Tage, mies geschlafen hatte. Ich hatte am unebenen, leicht hügeligen Firmengelände, wo haufenweise weiße Container, die wie Bungalows aussahen, herumstanden und eine Plastikaußenfassade hatten, das Bewerbungsgespräch im Verwaltungsgebäude gehabt, wo ich ein Büro zugeteilt bekam. Meine Vorgesetzte war eine Schreckschraube und ständig mies gelaunt. Sie trank zu viel Kaffee und sprach kaum, außerdem sollte ich mir eigenmächtig das Buchungsprogramm beibringen, welches B.F.A benutzte, die ja der Hauptsponsor waren und die die Technik und all den Kram zur Verfügung stellten. Im Foyer gab es eine riesige Tafel von Sponsoren, doch ich kam am ersten Tag nicht dazu alle zu lesen, weil ich mit dem Eigenstudium beschäftigt war.

Die Wiese der toten TiereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt