Strategien

149 11 7
                                    

Nachdem Hypern mehrals deutlich den Beginn des Krieges eingeleitet hatte, ging alles unfassbar schnell. Tamlin hat uns weitere Informationen zu kommen lassen, die uns den Ort verrieten, an dem sich eine der Truppen von Hypern aufhielt. Beinahe zeitgleich hatte Amren den Code geknackt, mit dem Feyre den Kessel unschädlich machen sollte. Das Gespräch darüber, wie gefährlich das werden kann, hatte sie wohl schon mit Rhysand aus diskutiert. Denn dieser wirkte relativ ruhig, als Amren uns diese Nachricht mitteilte.
Der König hatte sich die Zerstörung des Frühlinshofs zu Nutzen gemacht und dort einige Lager aufgeschlagen. Wir waren bereits seit zwei Tagen in einem aktiven Briefwechsel mit dem Sommerhof verwickelt, da dieser an den Frühlingshof grenzte. Der Beschluss, anzugreifen, stand noch aus, aber es wäre die perfekte Gelegenheit, uns ein Bild von Hyperns Kampfkraft zu machen. Auch wenn es nur ein Teil der eigentlichen Armee ist. Doch wenn wir den Kampf gewinnen, wird das nicht nur die Soldaten anspornen, sondern auch die Streitmacht von Hypern etwas minimieren.
Wir standen um einen Tisch herum, auf dem eine große Karte lag und einige weitere Papiere, die bestimmte Gebiete detailierter zeigten.
Ich war froh darüber, dass Cassian und ich so professionell waren, dass wir unsere individuellen Gefühle außen vor ließen. Im Krieg war es besonders wichtig, sich von nichts anderem ablenken zu lassen oder persönliche Differenzen mit in die Besprechung zu tragen.
Aber das war nicht das erste Mal, dass wir perfekt zusammenarbeiteten, nachdem wir einen heftigen Streit gehabt hatten. Nur dass er mich diesmal so wenig wie möglich ansah und sich einen Platz suchte, der am weitesten von mir entfernt war.
„Die Verteidigungsanlagen von Hypern sind hier konzentriert", Cassian legte seinen Finger hinter die Gebirgsreihen des Niemandlandes. „Wenn wir die Schlacht hier hin verlagern können", sein Finger strich ein Stück weiter und zeigte auf ein anderes Gebiet: „Haben wir vielleicht eine Chance. Das Land ist ebenmäßig, und da wir den Fluss im Rücken haben, können sie uns nicht von hinten angreifen. Zwar wird Hypern dadurch auch einen Vorteil haben, aber wir werden jedenfalls keinen Nachteil durch Hinternisse haben, die wir nicht vorraussehen können."
Azriel nickte zustimmend. „Unsere Späher haben zudem ein Plateu entdeckt, das uns als Lager dienen kann. Es ist gut erreichbar und lässt sich gut verteidigen", berichtete Az.
„Es ist groß genug, um unsere Truppen dort unterzubringen, und von dort aus können wir das Schlachtfeld beobachten", fügte Cassian hinzu.
Amren schnaufte und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand.
„Und wie gedenkt ihr, Hypern dort hinzulocken? Wollt ihr den König dort zu einer Tasse Tee einladen und hoffen, dass seine gesamte Streitmacht ihm Begleitschutz gewährt?"
Cassian sah sie gereizt an. Er hatte offensichtlich noch keine Antwort darauf. Und sie stochert absichtlich in dieser Wunde herum – und genießt es.
„Wenn wir dich nackt vorschicken würden, würden sie dir bestimmt mit Freude folgen. Und dein Freund vom Sommerhof wäre ebenfalls entzückt", erwidert er. Sie bleckte die Zähne. Rhysand räusperte sich, bevor dieses Gespräch noch weiter ausarten konnte.
Ich trat vor. „Wir werden vorher doch noch einige kleinere Schlachten kämpfen müssen, bevor unsere gesamten Streitkräfte aufeinander treffen", ergiff ich das Wort. „Wenn wir diese Kämpfe dazu nutzen, sie in die Richtung zu lenken, in der wir sie haben wollen, könnten wir den Ort der letzten Schlacht selbst auswählen."
„Das wird uns viele Leben kosten", gab Rhysand zu bedenken.
„Wir müssen die Verteidigungstruppen von Hypern herauslocken und vernichten, sonst werden wir von ihrer Überzahl überrannt", sagte Mor.
„Es ist unsere einzige Möglichkeit, Hyperns Armee aufzuteilen und zu dezimieren. Tamlin hat uns bereits einen Ort mitgeteilt, an den wir zu schlagen können. Hypern wird uns dort wie auf einem Silbertablett serviert. Diese Chance dürfen wir nicht ungenutzt lassen", fuhr sie fort. Ich lächelte stolz. Sie sprach genau das aus, was ich dachte.
„Das wird unseren Kommandanten gar nicht gefallen", warf Cassian ein.
„Gereizte Schlangen richten sich auf", erwiderte ich kühl. „Das macht es leichter, ihnen den Kopf abzuschlagen."
Das war das erste Mal nach unserem Streit, dass er mich direkt ansah. Auf seinem Gesicht bildete sich ein diabolisches Grinsen, als er meine Andeutung, jeden zu töten, der gegen unsere Kriegsführung ist, verstand.
"Ich halte es für das Beste, wenn wir diese Gelegenheit nutzen", sagte Rhysand schließlich, "aber wir sollten versuchen es bei diesem einen Kampf zu belassen. Es bringt uns nichts, gegen kleinere Truppen des Königs zu kämpfen und dabei viele Verletzte und Tote in Kauf zu nehmen. Unsere Armeen sollten weitesgehend ausgeruht sein und nicht von einem Kampf zur nächsten gehetzt werden. Die eigentliche Schlacht wird hart genug."
„Da gebe ich dir Recht", sagte Cassian. Als General war ihm das Wohlergehen seiner Soldaten besonders wichtig. Während andere sie nur als Schachfiguren benutzen, kümmerte er sich um die Verletzten, steht mit ihnen an vorderster Front und besucht die Familien, die große Verluste erlitten haben.

Das Reich der Sieben Höfe / Dunkelheit und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt