Kriegsende

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„Natürlich ist es meine Schuld. Der Handel konnte in dieser kurzen Zeit nur soweit kommen, weil du mich gerettet hast", erwiderte er.
„Ich kannte das Risiko, Cassian. Und doch bin ich es eingegangen."
"Warum?"
"Weil ich dich... Ich wollte dich nicht verlieren, verdammt! Ist das so schwer zu verstehen? Es ist, wie es ist. Es kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, daher ist es unsinnig, einen Schuldigen aus zu diskutieren."
Zu jemandem gut zu sein, der Angst hat, glücklich zu sein, ist wie die Hölle für ein Herz, das es verdient, geliebt zu werden, erinnerte ich mich an Mors Worte. Ich wusste nicht mehr, wann sie das zu mir gesagt hatte, aber sie hallten in mir wieder wie Glockenschläge.
Ich wusste nicht, warum ich meine Antwort schnell geändert habe. Dabei war mir mehr als klar, was ich für ihn empfinde. Diese Gefühle habe ich so lange in mir begraben gehalten, dass es schwer war, sie jetzt plötzlich zuzulassen.
„Du kannst dir nicht immer für alles die Konsequenzen aufladen", erwiderte er gereizt.
„Nein, aber ich kann es zumindest versuchen, denn dann werden diese Konsequenzen mit mir sterben."
„Tu das nicht. Tu nicht so, als wärst du bereits Tod. Das bist du nicht! "
Es war schwer, die alten Muster abzulegen.
„Es hat meine Schulter erreicht. Wenn wir Glück haben, bleiben mir vielleicht noch Wochen. Tut mir leid, dass ich ständig darauf zurückkomme. Aber genau das muss ich, weil du nicht verstehst..."
»Du machst dir zu viele Gedanken.«
„Und du dir zu wenige", schoss ich zurück. Ich brachte wieder etwas Abstand zwischen uns und sah ihn an.
„Ich habe Angst, Cassian", die Tränen, die ich zurückgehalten habe, liefen mir jetzt ungehindert über die Wangen.
„Ich will nicht sterben. Ich möchte diese Art von Liebe spüren. Ich will einfach nur glücklich werden – mit dir. Ich liebe dich, Cassian. Aber ich kann den Gedanken nicht ertragen, diese Verbindung zu verlieren, bevor sie richtig begonnen hat."
Seine Augen leuchteten bei meinem Geständnis auf, aber er sagte dazu nichts, sondern hörte mir einfach nur zu.
„Ich kann mich mit dem Gedanken nicht abfinden, so zu tun, als gäbe es eine Lösung für mich, obwohl ich vom Gegenteil überzeugt bin. Dabei will ich gar nicht so denken. Ich weiß nicht mehr weiter, Cassian. Ich habe das Gefühl, an der ewigen Frage, was ich tun oder nicht tun sollte, zu zerbrechen."
„Du wirst Wege finden, deinen Dämonen zu entkommen, egal wie dunkel und schmerzhaft es wird. Du hast es schon so lange ausgehalten, das allein spricht für die Kraft, die in deiner Seele lebt", er kam auf mich zu, hinderte mich daran, weiter auf und ab zu laufen, und nahm mein Gesicht in beide Hände. Sein Daumen strich mir die Tränen von der Wange und seine Stirn lehnte sich an meine.
„Ich werde nicht von deiner Seite weichen, ich werde bei dir sein, bis zum Ende. Wir können uns dieser Angst gemeinsam stellen."
„Ich weiß nicht, ob ich das kann", hauchte ich.
„Ich werde dir helfen. Bei jedem Schritt, den wir zusammen gehen. Aber bitte schließ mich nicht mehr aus."
Ich küsste ihn, schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn so leidenschaftlich, dass mir selbst die Luft weg blieb.
„Es ist nun mal nicht einfach mit mir, daran solltest du dich gewöhnen", keuchte ich, konnte aber trotzdem einen schnippchen Tonfall zustande bringen.
„Wer sagt, dass ich es einfach will? An einfach liegt mir nichts, ich will es verdammt noch mal schwierig", erwiderte er sofort. Dann grinste er sein typisches Cassian-Grinsen und mein Herz zerplatzte beinahe vor Freude.
Unsere Verbindung war dem Untergang geweiht, und doch verlor er nicht das Glauben daran, mich retten zu können. Ich wollte auch so positiv denken wie er, aber es gelang mir einfach nicht. Aber ich würde es versuchen –für ihn.
„Falls es dir nicht klar ist. Ich liebe dich, auch wenn du mich verrückt machst. Besonders, wenn du mich verrückt machst", sagte er leise. Ich konnte mein Lächeln nicht zurückhalten.
„Du hast also doch etwas von einem Machoisten", erwiderte ich neckend. Er blinzelte, dann kicherte er, hörte aber schnell damit auf, da seine Wunde dabei schmerzte.

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Ihre Köpfte drehten sich in unsere Richtung, als wir uns, mit einem gewissen Abstand zueinander, zu unseren Freunden gesellten, die vor dem Zelt in eine Diskussion vertieft waren.
„Du hast deine herzzerreißende Selbstaufopferung also überlebt", begrüßte Amren mich und musterte mich prüfend von oben bis unten.
„Und ich dachte, du betrachtetst die Radischen jetzt auch von unten. Sieht so aus, als wäre es für uns beide glimpflich ausgegangen", schoss ich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem frechen Grinsen. Dann schnüffelte sie in unsere Richtung. Ein wissendes Funkeln blitze in ihren Augen auf, doch sie verlor kein Wort darüber. Dafür sah sie... erfreut aus? Ich konnte mich nicht lange darüber wundern, als Kallias auf uns zu schritt – ohne Begleitung.
Er nickte Rhysand respektvoll zu und wandte sich an mich.
„Ihr habt in diesem Krieg Großes geleistet. Ich bin froh, dass wir euch in dieser Schlacht an unserer Seite hatten."
„Und ich bin froh, da ich euch nicht enttäuscht habe, was meine Kräfte angeht", antwortete ich.
„Nun, ich kann nicht leugnen, dass ihr mir einiges an Respekt eingehaucht habt. Was nicht bedeutet, dass ich euch auch nicht schon vorher respektiert habe", verbesserte er sich schnell. Ich winkte ab. Und erstarrte kurz. Das hätte ich fast vergessen: die Allianz, die Verlobung mit Rowan.
Auch wenn Cassian einige Meter neben mir stand, spürte ich, wie sich seine Muskeln anspannten. Wie sein Körper erstarrte, als ich die Allianz erwähnte, die auch er beinahe verdrängt hatte.
Er trat bedrohlich einen Schritt vor, doch Rhysand hielt ihn zurück und warf ihm einen prüfenden, leicht verwirrten Blick zu.
Ich versuchte gelassen zu klingen, als ich antwortete: „Das hätte ich niemals angenommen. Unsere Allianz wird euch noch andere Seiten von mir offenbaren, die nicht so...respekteinflößend sind."
Er lachte aufrichtig.
»Nun, die Umstände haben sich geändert. Sodass ich keine Notwendigkeit mehr habe, die Verlobung mit Rowan beizubehalten", sagte er.
Ich wechselte einen überraschten Blick mit Cassian.
Kallias Augen huschten zwischen mir und Cassian hin und her.
„Und so wie ich sehe, habt ihr euren Seelengefährten gefunden. Daher steht es nicht mehr in meiner Macht, diese kostbare Bindung zu gefährden."
Die Köpfe meiner Freunde drehten sich abrupt in unsere Richtung.
"Was? Seid ihr wirklich.... ", begann Mor.
Ich nickte verlegen. Mor stieß ein leises Quitschen aus. Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ja, die große Mutter hat einen grausamen Sinn für Humor", erwiderte ich.
Mor stieß mir den Ellenbogen in die Seite und ich warf ihr einen bösen Blick zu. Doch sie grinste bloß übers ganze Gesicht.
Rhysand klopfte Cassian brüderlich auf den Rücken.
„Aber Ihr müsst doch schon vorher beschlossen haben, die Verlobung zu lösen", sagte ich. Kallias nickte.
„Zudem haben mich deine...", ein nervöser Blick zu Azriel und Rhysand, „...Freunde vom Gegenteil überzeugt. Die Heirat wird nun nicht mehr das Zentrum unserer Allianz sein, daher löse ich die Verlobung nun offiziell auf."
Ich blinzelte irritiert und sah erst Azriel, dann Rhys an. Doch ich hütete mich davor, nach den Details zu fragen, zum Beispiel womit sie ihm gedroht haben, um diesen wichtigen Aspekt aufzulösen.
Rhysand lehnte einen Arm auf meine Schulter. „Du dachetst doch nicht, dass ich diese Heirat tatsächlich geschehen lasse, oder?"
Ich hob eine Augenbraue.
„Du schienst von der Idee ziemlich angetan gewesen zu sein."
Er grinste.
„Oh, das war ich auch. Aber zu dem Zeitpunkt habe ich keine andere Lösung gesehen."
Fassungslos schüttelte ich den Kopf.
„Einfach unglaublich", brummte ich, dann richtete ich meinen Blick auf Azriel. „Wer von uns beiden ist jetzt verschwiegen?"
Er grinste hemmungslos, und ich schüttelte nur noch fassungsloser den Kopf.
Kallias besprach sich leise mit Rhysand, sodass Mor genug Luft blieb, mich in Rekordzeit –und schamlos wie immer – über die Seelenverbindung auszufragen. Ich berichtete ihr knapp, was passiert ist, und betonte auch, dass wir uns kurz nach der Offenbarung der Seelenverbindung gestritten haben. Mor erwiderte kichernd, dass sie das absolut nicht überrascht.

Das Reich der Sieben Höfe / Dunkelheit und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt