Nacht der Sterne

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Ich flog mit Azriel durch die Dunkelheit zum Haus der Winde. Zwei Faelichter begleiteten mich und schenkten mir genug Licht. Denn die Stadt unter uns war pechschwarz. Keine Musik drang zu uns hinauf, keine Kerzen erhellten die Straßen. Absolute Stille. Denn jetzt warteten gerade alle Bewohner auf das Ereignis des Abends und die meisten verbrachten die Stunden des Wartens im Haus der Winde.
Im Näher kommen erkannte ich die Fae, die sich auf den Balkonen und Dächern versammelt hatten. Ich sah den schwachen Glanz des Mondes in ihren Gläsern glänzen, die gedämpften Unterhaltungen und das Klirren der Gläser. Azriel hielt es für das Beste, auf einem der Balkone im Wohnbereich zu landen, die von den Feiernden abgeschnitten sind und nicht belagert wurden. Ich war jedoch davon überzeugt, dass er keine Lust hatte, mitten in den Fae zu landen und sofort die ganzeAufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Was nicht nur an seinem Ruf als Schattensängers lag. Denn in seinem dunkeln Anzug sah er unverschämt attraktiv aus. Dennoch hielt er sich auch bei Feiern lieber in den Schatten auf und beobachtete das Treiben aus einer sicheren Entfernung. Nur dass wir alle seine Masche kannten, und er kam nie daran herum, von Mor auf die Tanzfläche gezogen zu werden. Was ihn aber nicht besonders störte.
Wie zielten den Balkon zur kleinen Bücherei an und landeten.
Azriel bot mir seinen Arm an, ich hackte mich bei ihm ein und gemeinsam schritten wir durch den Gang bis zu der schweren Doppeltür, die uns von den Gästen und unseren Freunden trennte.
„Ich könnte dich auch unsichtbar machen, dann werden die Blicke nur auf mich gerichtet sein", schlug ich mit gespielter Ernsthaftigkeit vor und warf ihm einen belustigen Blick zu. Seine Mundwinkel zuckten.
„Auch deine Magie wird mich nicht vor Mor retten, glaub mir, ich habe schon alles versucht", erwiderte er. Ich stupste ihn spielerisch mit der Hüfte an.
„Dann lenke ich sie so lange ab, wie ich kann. Wird wohl nicht so schwer werden, bei dem ganzen Wein der fließen wird."
Jetzt lächelte er und ich grinste zurück.
„Na schön", verkündete ich, „lasst die Spiele beginnen." Ich spürte die Vibration, die Azriels tiefes Lachen auslöste, und grinste breiter.
Mit meiner freien Hand machte ich eine elegante Bewegung Richtung Tür und meine Magie flimmerte kurz auf, dann öffnete sich die schwere Tür zu beiden Seiten.

In dem großen Esszimmer tummelten sich schon unzählige Gäste. Nur die, die am nächsten zur Tür standen, nahmen Notiz von uns. Ihre Blicken streiften kurz über Azriel, blieben dann aber an mir hängen. Ich hob automatisch meinen Kopf und suchte die Menge nach meinen Freunden ab. Laternen mit gedämpften Faelichtern wiesen den Weg zu den Tischen, auf denen unzählige Leckereien standen, daneben in schierendlosen Reihen Flaschen mit Wein. Einige Kellner liefen mit großen Tablets herum und boten den Gästen Weingläser und Odövre an. Ich entdeckte Mors goldhaarigen Kopf im selben Moment, in dem sie mich erblickte.
Ich drehte mich zu Azriel um. „Schnell, noch hat sie dich nicht gesehen", sagte ich, als würden wir über einen tollwütigen Wolf sprechen und nicht über die elegente Fae, die mit wehenden Röcken auf uns zu stürmte. Er kicherte und verschmolz gerade rechtzeitig in der Dunkelheit, als Mor bei mir ankam.
Ich sah, dass er einige Meter weiter wieder auftauchte und uns beobachtete. Mor trug ein fließendes Kleid aus weißer Seide, das ihre üppigen Kurven erahnen ließ.
Azriel war nicht der einzige, der den Blick nicht von Mors Rückenteil abwenden konnte. Beim Anblick des Hungers in seinen Augen, als er Mor musterte, zog sich mein Herz kurz zusammen.
„Du siehst umwerfend aus, Mor", sagte ich schließlich. Es war ihre Sache, ob sie Azriel die Wahrheit über ihre sexuelle Orientierung erzählte oder eben nicht. Dennoch war ich etwas sauer, dass sie es immer noch nicht getan hat, denn ihr Verhalten verletzte Azriel am meisten. Aber ich würde es nicht ansprechen, noch nicht.
Mor's abschätziger Blick lenkte mich ab. „Danke. Das Kleid hat Rhysand dir gegeben, oder?", fragte sie.
Ich blinzelte überrascht. Rhysand hatte es mir tatsächlich gestern Abend geschenkt. Ein Traum aus violetter Seide und Tüll. Dazu ein Taillengürtel aus weißen Kristallen.
Ich konnte nicht sagen, warum oder woher, aber mir kam das Kleid bekannt vor, genauso wie die Kleider, die Feyre trug.
Mor seuftze wehleidig. Dann funkelten ihre Augen voller Vorfreude.
„Du siehst darin wirklich wunderschön aus, Veena. Du wirst heute Abend wohl nicht nur Cassian den Kopf verdrehen", sie grinste und zog mich durch die Menge, bevor ich etwas erwidern konnte. Verschwommende Gespräche zogen an mir vorbei und ich merkte, wie einige Blicke mir folgten, sowohl von Männern als auch von Frauen.
„Wo ist Azriel, wolltet ihr nicht zusammen kommen?", frage sie und steuerte die Bar an.
„Ich habe ihn vorhin aus den Augen verloren", log ich. Mor schnalzte mit der Zunge.
„Er weißt doch, dass er sich nicht ewig vor mir verstecken kann", murmelte sie und drückte mir ein Glas Wein in die Hand. „Du solltest Feyres Kleid sehen, ich bin beinahe vor Neid erblasst." Sie schnaubte. „Rhysand würde wohl eher den König und ganz Hypern zu uns einladen, als mir zu sagen, woher er die Kleider bekommt." Ich trank einen Schluck und entschied, dass es besser war, ihr meine Vermutung nicht mitzuteilen.
Dann entdeckte Mor jemanden in der Menge, winkte den oder derjenigen zu, drückte mir einen kleinen Kuss auf die Wange und wurde von den feiernden Fae verschluckt.
Wie ein Wirbelwind. So wie ich sie kannte, hatte sie wohl schon mehr als ein Glas Wein getrunken. Ich klaubte mir ein paar Odörve von einem Tablet, welches gerade vorbei getragen wurde, und suchte nach meinen anderen Freunden. Doch es war nicht schwer, Feyre zu erkennen. Ich sah sie und Rhysand am Rande der Tanzfläche stehen. Mor hatte vollkommen Recht, was das Kleid von Feyre betraf. Das Kleid war mit tausenden kleinen Edelsteinen bedeckt, die allesamt um die Wette funkelten, und glänzten bei jeder ihrer Bewegungen. Es umschmeichelte ihre Figur bis hinunter zu der Schleppe, die auf dem Boden lag, wie eine Pfütze aus Sternenlicht. Die eng anliegenden Ärmel waren am den aufschlägen mit reinen Diamanten besetzt. Sie sah aus wie eine Sternschnuppe.
Es dauerte einen Moment, bevor ich meinen Blick weiter schweifen ließ. Ich entdeckte Cassians Flügel, die über die Menge hinweg ragten. Cassian trug ausnahmsweise keine Lederkluft, sondern eine enganliegende Tunika, die seinen muskulösen Körperbau betonte. Seine Schwarzen Haare waren vom Wind zerzaust und standen im Kontrast zu seiner eleganten Garderobe. Sogar seine Flügel sahen sauber aus. Obwohl er seine Uniform nicht trug, hatte er, genau wie Azriel, seine Trichtersteine angelegt, an fingerlosen Handschuhen aus Leder und Metall.
Er unterhielt sich gerade mit einem hochgewachsenen Offizier, der mir bekannt vorkam, aber ich konnte mich seines Namens nicht entsinnen. Ich stellte das Glas ab, raffte meine Röcke zusammen und ging langsam auf ihn zu. Die Fae teilten sich automatisch, um mich durchzulassen.
Der Offizier brach mitten im Satz ab und starrte an Cassian vorbei. Dieser drehte sich herum und erstarrte.
Seine Lippen öffneten sich leicht und sein Blick glitt an mir hinauf, dann herunter und noch mal hinauf. Ich griff mit beiden Händen nach dem Stoff, lächelte geheimnisvoll und sank in einen Knicks. Der Offizier, Victor, wie mir jetzt einfiel, nickte mir respektvoll zu und verabschiedete sich.
„Wow, ich hätte mich auch von Nuala und Cerridwen einkleiden lassen sollen", sagte er grinsend. Ich lächelte. „Da musst du allerdings Rhysand fragen, er hat das Kleid ausgesucht", erwiderte ich.
Cassian musterte mich erneut.
„Zum Glück hast du deine Magie wieder. Mit all dem Stoff und den Perlen wärst du wahrscheinlich zu schwer für mich gewesen." Ich machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Ich wäre sowie so mit Azriel geflogen. Er weiß nämlich, wann er den Mund zu halten hat, wenn es um die Kleiderauswahl der Frau geht."
„Ich dachte, Rhysand hat das Kleid ausgesucht", bemerkte er. Ich zog eine Grimasse.
„Keine Sorge, Mor hat mir bereits einen Vortrag gehalten", erwiderte er und seufzte schwer, als hätte es ihm die Lebenskraft geraubt, ihr zu zuhören.
„Scheint ja nicht viel, hängen geblieben zu sein", konterte ich sofort und verschränkte die Arme vor der Brust. Er lachte leise.
„Ich werde Azriel mitteilen, dass er jetzt der bevorzugte Illyrianer der Damen des inneren Kreises ist. Ich denke, er wird kein Problem damit haben", sagte er.
„Für ihn hätte ich das Kleid vorher natürlich ausgezogen, damit er es nicht allzu kompliziert hat, mich zu tragen", sagte ich zuckersüß. Seine Augen funkelten raubtierhaft. „Er wird bestimmt erfreut sein, zu hören, dass du dich jeder Zeit für ihn ausziehen würdest. Bei diesem Angebot kann nicht mal er nein sagen", erwiderte er. Ich schloss die Lücke zwischen uns und lächelte herausfordernd.
„Gerne doch, er hat ja auch die größte Flügelspannweite von euch. Mir wird sichernicht langweilig werden." Ich genoss seine Reaktion. Seine Flügelzuckten leicht, sein Kiefer spannte sich an und sein schiefes Lächeln wurde gefählicher. Mit einer flüssigen Bewegung schlang er einen Arm um meine Taille und zog mich an seine Brust. Die Geräusche um uns herum schienen zu verstummen.
„Ich will deinem Vergnügen natürlich nicht im Weg stehen", sagte er halblaut. Ich spürte die Vibration seiner Stimme unter meinen Fingern. „Nach unserem Tanz wäre es mir eine Ehre, dir beim Suchen Gesellschaft zu leisten."
Eine deutliche Tanzaufforderung, doch so leicht würde ich es ihm nicht machen. Mein Blick huschte kurz an ihm vorbei, dann erwiderte ich in der selben Tonlage: „Danke, ich kann mir meinen Tanzpartner selber aussuchen." Ich löste mich von ihm und ging auf Rhysand zu, der hinter Cassian wartete und unserer Konservation offentsichtlich gefolgt war. Seine Zähne blitzen auf, als er mir lächelnd die Hand entgegen streckte. Ich legte meine Hand in seine und ließ mich von ihm auf die Tanzfläche führen.

Das Reich der Sieben Höfe / Dunkelheit und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt