Kapitel 54

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Elena:

Wieder wachte ich auf. Meine Glieder taten weh und mein Kopf dröhnte. Gedankenverloren saß ich an die Wand gelehnt auf meinem Bett. Die Wand hinter mir war kalt und porös. Kleinere Stücke der Wand lagen am Boden. Die Decke bestand aus Holzbrettern und Balken. Der Boden war aus grauem Beton und wies Risse auf.

Mein Blick klebte an der gegenüberliegenden Wand. Dort war auch die Tür. Ich hatte nicht mehr das Bedürfnis, aus der Tür zu gehen oder sie zumindest zu öffnen. Ich lauschte lieber der Klimaanlage rechts neben der Tür. Die Luft zirkulierte durch den Raum.

Mein Kopf war leer. Kein einziger Gedanke zerfraß ihn. Mein Körper fühlte sich taub an. Keine einzige Faser wollte sich bewegen. Meine Wangen waren immer noch feucht von den vielen stummen Tränen, die sich auf meinem Knie ausbreiteten.

,,Gabe.", hauchte ich seinen Namen. Ich wusste nicht warum, aber ich wiederholte diesen Namen immer wieder. Er schien mir wichtig zu sein. Dieser hielt mich am Leben. Innerlich klammerte ich mich jedoch an den Tod. Er käme mir gerade recht. Zumal ich das starke Gefühl hatte, dass mein Freund nicht mehr kommen würde.

Die Zeit hatte ich schon längst aus den Augen verloren und auch die Klimaanlage wurde uninteressant. Ich wollte einfach bloß schlafen. Nur schlafen. Für immer.

Ich legte mich hin und warf achtlos die Decke über mich. Das Kissen war weich und ein wenig fluffig. Eigentlich so, wie ich es mochte, doch es war mir egal. So wie alles andere.

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Von oben hörte ich Schritte. Meine Augen öffneten sich widerwillig und ließen, durch ein Blinzeln, Flüssigkeit zu. Meine Ohren nahmen weitere Geräusche war.

Ein Rascheln. Scheinbar ein Schlüssel.
Ein Knallen. Scheinbar eine Tür.
Ein Bollern. Scheinbar jemand, der die Treppen runter kam.
Uninteressant.

Ich legte mich wieder um und schloss meine Augen. Eine Tür öffnete sich. Meine Tür. Langsam öffnete ich die Augen und sah gequält zu einem Mann auf. Er hatte einen Drei-Tage-Bart und dunkelbraune Haare. Außerdem hatte er bernsteinbraune Augen. Sie waren wunderschön. In ihnen konnte man sich gut verlieren.

Der Blick des Mannes ließ mich glauben, dass er sich um mich sorgte. Auf seine Frage, was denn los war, antwortete ich nicht und schwieg stattdessen. Ich wollte nichts bewegen... weder meine Augenlider, noch meine Lippen.

,,Antworte mir, meine Schöne.", sagte der Mann. Jetzt erkannte ich ihn. Es war Gabriel... Gabriel Seth. Der größte Fuckboy der Schule. Es grenzte an ein Wunder, dass er keine Platzwunde am Kopf hatte. Selbst seine Lippe blutete nicht. Mir stellte sich die Frage, was er in meinem Zimmer verloren hatte.

,Was hatte er hier verloren?'
,Hatte ich mein erstes Mal mit ihm?'
,Warum hab ich so einen Filmriss?'

,,Was machst du hier?", fragte ich ihn verwirrt. Er sah mich fragend an und weitete seine Augen, als er merkte, dass ich die Frage ernst meinte. ,,Süße... stimmt was nicht?", fragte er besorgt und sah mich verzweifelt an. ,,Ich weiß es nicht. Mir geht es gut... denke ich.", antwortete ich ihm ehrlich. Ich wusste es ja wirklich nicht. Gabriel sah mich völlig entgeistert an und rieb sich mit der rechten Hand über die Stirn. Dann ging er mit dieser durch sein Haar.

,,Fuck.", fluchte er leise. ,,Was machst du hier?", fragte ich erneut. ,,Du bist in einem Zimmer in meinem Keller. Ich wollte grade nach dir sehen. Du hattest eine starke Gehirnerschütterung und..." Weiter kam er nicht, da ich ihn unterbrach. ,,Warum?" ,,Weil du nach einem Doppelmord zusammengeklappt bist und mit dem Kopf auf dem harten Boden aufgekommen bist.", erklärte er mir ruhig und sah mich traurig an. ,,Warum habe ich Menschen getötet?", fragte ich weiter. Er seufzte. ,,Lass es.", meinte ich und stand auf. Ich schlenderte mit schmerzenden Waden auf die Tür zu.

,,Wo willst du hin?", nahm ich hinter mir war und sah über meine Schulter. ,,Essen holen oder so. Keine Ahnung.", meinte ich und öffnete die schwere Tür. ,,Du bleibst schön hier.", knurrte er und zog mich plötzlich an meinem Nacken nach hinten. Die Tür knallte zu und mein Körper prallte gegen die kühle Wand. Ich sagte nichts, keuchte nicht und reagierte nicht mit irgendwelchen Emotionen. Ich sah bloß auf den Boden und schwieg.

,,REAGIERE VERDAMMT! ZEIG MIR IRGENDEINE REAKTION!", schrie Gabriel mir ins Ohr. Ich hob meine Hand und hielt es mir zu. Kurz darauf war wieder Stille. Er ließ wutentbrannt von mir ab und lief den Raum auf und ab. Ich verstand nicht, was sein scheiß Problem war. Statt ihn zu fragen, drehte ich mich wieder zur Tür und ging raus.

Der Flur war genauso trist, wie mein Zimmer. Eine Treppe führte nach oben zu einer weiteren Tür. Ich lief auf diese zu und überwand ein paar Stufen. Unter meinen nackten Füßen fühlten sie sich an, wie Eisplatten.

Keine Sekunde nachdem ich die Vierte Stufe hinter mir hatte, knallte mein Körper voller Länge nach auf die Treppe. Meinen Kopf konnte ich oben halten. Im Nachhinein fragte ich mich, warum ich ihn nicht extra auf die Stufen knallen ließ. Mit etwas Glück hätte ich somit meinen letzten Atmezug vollführt. Mein Blick schweifte nach hinten und traf den wahnsinnigen Blick von Gabriel. Ich schluckte stumpf und rappelte mich wieder auf.

,,Du. Bleibst. Unten.", betonte er jedes Wort und presste meinen Körper mit seinem Fuß nach unten. Ich wehrte mich nicht und legte mich wieder flach auf die Stufen. ,,Was glaubst du, wer du bist? Meinst du wirklich, dass du irgendwelche Sonderrechte bekommst, nur weil du grade mal depressiv bist?", fragte er mich. Ich wusste, dass es eine rhetorische Frage war. Dennoch hatte ich den Drang, sie zu beantworten.

Warte... ich... verspürte einen Drang. Ich wollte etwas tun. Es überraschte mich. Ich wollte diesem aber so schnell wie möglich nachgehen, damit er nicht unbeantwortet verschwand.

,,Nein, aber ich möchte aus meinem Zimmer gehen. Ich möchte ein wenig im Haus rumlaufen. Vielleicht kann ich dir ja was helfen.", sagte ich dann und versuchte ihn irgendwie anzuschauen. ,,Ich könnte dich wirklich gut gebrauchen. Dann geh hoch und fang bitte an, schon mal abzuspülen. Ich komme dann gleich, um dir beim Abtrocknen zu helfen. Ok?" ,,Ja.", nickte ich und spürte, wie sich der Fuß von meinem Rücken löste und somit verschwand.

Ich stand erneut auf und hielt mich am Geländer fest. Einige Stellen meines Körpers schmerzten sehr, was mir den Gang nicht grade erleichterte. Um genau zu sein tat mir jeder einzelne Muskel weh. Dennoch lief ich weiter nach oben und begab mich in die Küche.

Dort angekommen machte ich das Spülbecken sauber und ließ heißes Wasser mit Spüli ein. Zuerst legte ich die Tassen und Gläser ins Wasser. Dann nahm ich mir einen frischen Lappen und fing an, die Sachen abzuspülen.

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