15.

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Sam

Ich betrachtete sein Haus.  Es wirkte heruntergekommen, und das Dach war ziemlich schief, auch die Hecke war viel zu groß, und ragte über uns auf. Vincent bemerkte meinen Blick, und errötete.  "Ich weiß, aber es ist nicht unser Haus. Mom muss täglich Miete bezahlen. " Er sah so beschämt aus, dass mein Herz blutete.   Ich sah ihn an.  "Nein, nein," sagte ich sanft.  "Es ist okay. "  Vincent schob sich mit einer kraftvollen Bewegung durch die Hecke, dann sah er zur mir. "Kommst du?" Ich schluckte.  "Äh, ja klar. " Ich schlüpfte neben ihm. Ich betrachtete die Auffahrt.  Sie war gepflastert, und wirkte fröhlich.   Draußen standen zwei Stühle, und die Sonne schien mir ins Gesicht. Vincent öffnete die blaue Tür, die schrecklich quietschte.  "Kommst du?" Ich zögerte.  Meine Mutter würde mich umbringen, wenn sie erfahren würde, dass ich bei einem Jungen zuhause war.  Aber Vincent war nur ein Freund.  Ich war nicht in ihn verliebt, und er auch nicht in mich. Also, was konnte schon passieren? Vincent bemerkte mein Zögern, und sah mich unsicher an. "Wir können lieber draußen bleiben, wenn du möchtest. " Es ist okay," beschwichtigte ich ihn, und Vincent nickte.

Vincent

Ich sah, wie Sam zögerte. Ein ungutes Gefühl herrschte in meiner Magengrube, und in mir flüsterte eine innere Stimme: Es war eine schlechte Idee, Loser.  Sie will nicht in diese heruntergekommene Wohnung, was verständlich ist. Ich schüttelte sie verärgert ab, und sah Sam an, die mich immer noch abwesend ansah. "Wir können auch lieber draußen bleiben, wenn du möchtest," schlug ich etwas unbeholfen vor. Sofort durchging wieder Leben in Sam, als wäre sie aus einem Traum erwacht. "Nein, es ist okay," stammelte sie, und ich betrachtete ihre Gesichtszüge, ehe ich nickte.  Dann stieg ich über die Schwelle, Sam hinter mir.  Dabei zögerte ich erneut, und blickte zu Sam. Was dachte sie gerade? Sie spürte meinen Blick, und ihre Augen verengten sich. "Was?"  "Ach nichts," sagte ich schnell, und betrat unsere Küche, die eigentlich viel zu klein für zwei Personen war. Sam betrachtete die Küche, und ich errötete.  "Sie ist ein bisschen klein für zwei Personen," nuschelte ich. Sam sah mich verwirrt an. "Zwei Personen? Hast du keinen Bruder, oder eine Schwester? Oder.. einen Vater?" Ich schüttelte den Kopf. "Ich bin Einzelkind.  Und mein Vater hat uns verlassen, als ich drei war. Seitdem lebe ich allein mit meiner Mutter. " Ihre Augen wurden groß, und sie sah mich voller Mitleid an. Ich fühlte mich unbehaglich.  Ich brauchte ihr Mitgefühl nicht, und wollte es auch nicht. Noch unbehaglicher wurde mir, als sie nach meiner Hand griff, und sich unsere Finger verschränkten. "Es tut mir leid," flüsterte sie. Das Schweigen wurde unangenehm, bis ich mich leise räusperte, und sanft, aber bestimmt mich ihrer Hand entzog.  "Das muss es nicht.  Ich bin glücklich so, wie es ist." Das war eine Lüge, aber ich bin ein Mensch, der nicht gern seine Gefühle zeigte, und auch wenn Sam eine Freundin war, kannte ich sie noch nicht so gut; dass ich ihr all meine Gefühle preisgeben würde. Die eine Person, die ich alles; wirklich alles anvertraute, war Jasmin.  Jasmin war meine beste Freundin seit dem Kindergarten.  Wir waren unzertrennlich, und das hatte sich nicht geändert.  Aber Sam....  Ich verspürte den Drang ihr alles zu erzählen, aber dann räusperte sie sich; und sah mich kurz an. Ich wollte gerade etwas erwidern, als meine Mutter hereinkam in einer Jogginghose, und einem grünen Top. Ihre Haare hatte sie zu einem zersausten Knoten gebunden.  Ich senkte verlegen den Blick. "Ähm... hi, Mom," flüsterte ich. Meine Mutter sah mich, und verzog ihre schmalen Lippen zu einem Lächeln.  "Hallo, Vincent.  Wie war Schule? Der Herd ist kaputt, mal wieder, ich.." Sie verstummte, als sie Sam sah. Sie seufzte.  "Ernsthaft, Vincent? Du hast ein Mädchen mitgebracht?"  Meine Wangen wurden rot, als Sam erstaunt die Augen auffriss.  Ich schämte mich so sehr für meine Mutter, wie noch nie. "Mum! Sie ist eine Freundin!," blaffte ich. Meine Mutter seufzte.  Erst jetzt bemerkte ich, dass sie Ringe um die Augen hatte. Aber dann riss sie sich zusammen, und bot Sam ihre Hand an. "Hi, Samantha.  Willkommen bei uns." "Danke, und.. äh, sie können mich Sam nennen," sagte Sam. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch.  Meine Mutter wandte sich den Ofen zu. "Wollt ihr Kekse? Ich habe sie gebacken.  Kommen frisch aus dem Ofen. " "Das ist toll, danke Mom," sagte ich knapp, und nahm das Tablet, was  sie mir hinhielt, und warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob Sam mir folgte.

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