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Jasmin

"Hi Jasmin."  René grinste mich an. Er saß in seinem Rollstuhl, und hatte die Beine zusammen verknotet. Ich schüttelte belustigt den Kopf. "Ich dachte, deine Mutter hatte gesagt, dass du es lassen sollst." René schmunzelte.  "Ja, aber wer sagte, dass ich mich darum kümmere?" Ich bemerkte den Gurt, der eigentlich um seine Füße drum sein sollte. Ich schüttelte belustigt den Kopf, und kniete mich neben ihm nieder. René war seit seiner Geburt im Rollstuhl, und ging auf einer Förderschule.  Er war mein Nachbar, und ein guter Freund.  Ich war seine einzige Freundin, die er hatte, weil ihn niemand mochte. Ich bin heimlich in ihn verliebt, in seinen himmelblauen Augen, und den Pickel am Kinn.  Ich befestigte den Gurt um seine Füße, und er seufzte.  "Danke, aber das ist nicht nötig." "Ist es wohl, und das weißt du auch. Die Therapeutin hat doch gesagt, das du das üben sollst. " "Ich gebe einen Dreck um meine Therapeutin. Außerdem lasse ich mir gern helfen," sagte René.  Ich lachte.  "Das merkt man." René lächelte.  "Hey, hast du in letzter Zeit wieder im deinem Rollator gelaufen?" Er stöhnte.  "Ja, wieso?" "Es gibt doch ein Video davon, oder?" René seufzte.  "Jaaa." "Gut, zeig her." Ich grabschte nach seinem Handy. "O mann Jasmin," stöhnte René, und setzte sich aufrechter hin. Ich hatte das Video schnell gefunden, und klickte es an. Auf dem Display war René zu sehen, der lief, mit seinem Rollator, und es war die Stimme der Therapeutin zu hören: "Sehr gut, René.  Und stelle die Füße richtig auf. Das kannst du. Nicht so schlurpfen. " Ich musste kichern, und René stöhnte.  "Das ist voll peinlich. " "Nein, ist es nicht, es ist toll.  Ganz klasse, wie du läufst.  Du machst Fortschritte. " Ich strahlte ihn an. René winkte ab. "Das ist doch nichts. " Er grinste mich an. "Wollten wir nicht für Mathe lernen?" Ich stöhnte. "Ja, aber ich möchte nicht." René lächelte.  "Jasmin, ich muss dir was sagen." Ich sah ihn an. "Spuck es aus." René wurde rot. "Ich bin verliebt. " Oh, das war interessant.    "Oh, in wen?" René blickte verträumt in die Ferne. "Lina." Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke, und musste husten.  "Wer?" "Lina.  Die Freundin von Sam. Ich meine, war," fügte er bei meinen Gesichtsausdruck hinzu.  "Ich habe sie gesehen in eure Schule. " "Und da hast du dich in sie verliebt?," hakte ich ungläubig nach. René nickte. "Ja. Jasmin, schau sie dir an." Ee zeigte mir ein Foto von ihr.  Ich betrachtete das Gesicht des Mädchens, und fühlte Abscheu.  Ihr Gesicht war über und über mit Makeup verschmiert, und sie lachte gerade mit Josh. "Was soll ich da sehen?," sagte ich gespielt unschuldig.  "Viele Schichten Makeup, Gelnägel, und gestylte Haare machen eine Person nicht hübsch. " "Aber sie ist hübsch!," prostierte René.   "Ich meine, ich denke, ich liebe sie." Ich stöhnte.  "René, du musst endlich den Unterschied zwischen Liebe und kurze Verliebtheit lernen. Wann hast du sie überhaupt getroffen?" René sah mich an.  "Ich habe sie getroffen im Kino.  Und sie war die lustigste Person, die ich je getroffen habe. " Seine Worte trafen mich hart, aber ich ließ es mich nicht anmerken.      Ich wollte gerade ihn fragen, was mit mir war, da fuhr René schon fort: "Außerdem was weißt du schon über Liebe? Du hast nicht mal ein Freund.  Oder bist du mit Vincent zusammen?" "Nein, er ist mein bester Freund! Da ist nichts als Freundschaft zwischen uns!," fuhr ich ihn an. René hob die Hände. "Okay, ok. Reg dich nicht auf. Man darf doch noch fragen. Ich frage Montag Lina, ob ich sie besuchen kann." Mir stockte der Atem.  Mein Magen verknotete sich, und mir wurde übel.  "Das kannst du nicht tun, René.  Sie hat einen Freund. " "Sie wird über ihn hinweg kommen," sagte René stur.  "Du bist blind, sie weiß gar nicht, dass du existiertst!"Ich merkte, dass sich dieses harmlose Gespräch sich zu einem Streit entwickelte. René starrte mich verständnislos an. "Sag mal, bist du eifersüchtig?" Ich spürte, wie rot meine Wangen wurden. "Was?! Nein! Auf gar keinen Fall!" René runzelte die Stirn, deshalb fügte ich hinzu: "Ich würde es nicht gut finden, wenn du sie fragst, denn sie hat ihrer ehemaligen besten Freundin den Rücken zugekehrt. " René"s einzige Antwort darauf war: "Sie hatte ihre Gründe. " "Das waren keine Gründe! Sam hatte das nicht verdient! Versteh doch, dieses Mädchen ist gemein, und hinterlistig." René schnaubte.  "Ich werde sie trotzdem fragen.  Und ich kenne diese Sam nicht." Ich schnaubte.  "Gut, frag sie, frag sie. Mach, was immer du möchtest.  Aber heul dich nicht bei mir aus, wenn sie dich nicht mag; weil du ein langweiliger Feigling bist, der im Rollstuhl sitzt, und nichts allein auf die Reihe bekommst.  Der keine Hobbys hat, und nur ein hoffnungsloser Fall ist." Das hatte gesessen.  René starrte mich fassungslos an, und ich konnte kaum fassen, was ich gesagt habe. In seinen Augen war der Schmerz zu sehen, und er sah mich an. Ich wich seinem Blick aus. "Na gut," sagte er trocken. "Aber wenn ich ein hoffnungsloser Fall bin, was bist du denn? Ein Mädchen, was Fußball mag, und immer wieder schlechte Noten nach Hause bringt?" Das Blut schoss mir ins Gesicht. "René, ich..." Es klopfte an der Tür.  Meine Mutter trat herein, mit frischen Schoko-Keksen. "Hi, ihr Turteltäubchen, ich bringe euch Nervennahrung. " René atmete aus. "Das ist so lieb von Ihnen, Mrs. Steinfels, aber ich wollte gerade gehen. "  Und schon war er weg mit seinem Rollstuhl.  Meine Mutter sah ihm verwirrt nach. "Habt ihr euch gestritten?," fragte sie vollkommen perplex.  "Mum, lass es einfach. " Lustlos griff ich nach dem Keks.

Sam

Es war 14 Uhr, als ich mich an der Cafeteria anstellte. Lina unterhielt sich mit Josh; und warf immer wieder merkwürdige Blicke auf einen Jungen im Rollstuhl; der sie anschmachete.  Daneben stand Jasmin, mit finsterem Blick. Sie wirkte gar nicht gut gelaunt. Plötzlich berührte mich jemand an der Schulter, und vor Schreck wäre ich fast gestorben.  Vincent grinste mich an, seine grünen Augen leuchteten. "Hi." Ich riss die Augen auf, und schubste ihn. "Gott, erschreck mich nicht so!" "Sorry. Aber ich wollte dich fragen, ähm, warum du gestern so schnell verschwunden bist." "Oh, ähm.." Ich raufte meine Haare, und entschied mich für die Wahrheit.  "Du und Jasmin, ihr wart in Erinnerungen versunken, und da fehlte ich mich fehl am Platz. "  Vincent verzog das Gesicht. "Oh. Das tut mir sehr leid.  Jasmin hätte nicht kommen sollen.  Ich meine; du warst da, und.. " "Nein, nein," beruhigte ich ihn. "Alles gut. Es sah nur so aus.. egal. " Ich rang mir ein Lächeln ab. "Jasmin scheint nett zu sein. Aber heute ist sie nicht gut gelaunt. " "Was? O ja." Er warf einen kurzen Blick über die Schulter.  Aber dann sah er mich wieder an. "Ich werde sie gleich ansprechen.  Ähm, hast du heute Zeit? Ich meine, nach der AG? Im Kino läuft voll der gute Film. " "Oh, Kino, was?" Ich lachte nervös.   Wollte Vincent etwa ein Date?  Vincent sah plötzlich unsicher aus. "Es ist kein Date, oder so.  Nur einen Abend mit einer Freundin. " "Ähm... ja klar gerne," sagte ich. "Aber nur unter einer Bedingung: Jasmin kommt mit."  Sein Lächeln verblasste.  "Oh, ich glaube nicht, dass.." "Ich frage sie mal," unterbrach ich ihn, und ging zu Jasmin.

Jasmin

"Mistkerl. " Verächtlich blickte ich René nach.  Sollte er doch mit Lina flirten, mir konnte es nicht egaler sein. "Hi, Jasmin. " Ich fuhr herum, und sah Sam mir gegenüber.  "Oh, hi." Meine Laune verbesserte sich im Augenblick. Keine Ahnung warum, aber Sam war so etwas wie eine Freundin. "Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, mit mir und Vincent ins Kino zu gehen," kam Sam sofort auf die Sache.  "Oh.." mir stockte der Atem. Die Aussicht aufs Kino war verlockend, aber ich spürte Vincents Gedanken.  Er wollte allein mit ihr gehen.  Ich hatte gesehen, wie Vincent sie angesehen hatte. Ich war nicht dumm.  Und ich göhnte es ihm. Ich hatte meinen besten Freund noch nie so glücklich gesehen; nicht einmal bei mir.  Also lächelte ich, und sagte: "Das klingt toll, aber ich kann nicht.  Ich muss noch Mathe; und Bio üben.  Und außerdem," Ich zwinkerte ihr zu. "Zwischen uns Mädchen, er will mit dir allein gehen, und wir wissen es beide. " Die Enttäuschung stand Sam ins Gesicht geschrieben.  Sie fand die Aussicht, allein mit Vincent hinzugehen, nicht so toll. Ich musste ein lachen unterdrücken.  Sam nickte.  "Okay, danke trotzdem." "Viel Spaß," säuselte ich zuckersüß.  "Haha," gab Sam trocken zurück.

Sam

"Ok, Jasmin hat keine Zeit.  Also gehen wir zu zweit. " Vincent lächelte strahlend.  "Super." Ich lächelte ein bisschen gequält.  "Ja, richtig toll.  Wir sehen uns dann." Ich wandte mich ab, und weinte verzweifelt im Inneren.  Ich hatte ein Date. Mit Vincent.  Toll. Ich meine, wir hatten uns gerade erst kennengelernt, und bestimmt nach dem Film würde er mich küssen; wie in jenen kitschigen Film.   Ich wollte nicht mehr mit ihm haben. Ich hatte immer noch Gefühle für Josh. Ich konnte nicht glauben, dass er mich aufgegeben hatte. Da war mehr zwischen uns.  Und Vincent war nur ein Freund, aber er sah mehr.  Das konnte heiter werden.

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