23.

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"Vincent, warum bist du so?" Wir standen auf dem Schulhof, und Vincent sah mich an.  Sein Blick war kalt, da war nichts mehr an ihm, was ich mochte, und schätzte.  Keine Wärme.  Keine Güte.  "Ich habe dich nie gemocht, Sam."  Ich erstarrte.  Das Blut erstarrte in meinen Adern.  Mir wurde übel.  "Du warst nur eine Ablenkung, dachtest du etwa ernsthaft, ich wollte was mit dir? Nein, du warst nur ein Opfer, ohne Freunde, ich hatte Mitleid mit dir. Ich mochte dich nie." Die Zeit schien anzuhalten.  Der Wind schien seinen Atem abzuhalten.  Es dauerte ein paar Sekunden, bis seine Worte ganz bei mir angekommen waren. Dann stiegen mir langsam die Tränen in den Augen, und ich schüttelte langsam den Kopf, als könnte ich dadurch alles besser machen.  Schon wieder werde ich verraten, von einem Menschen, von den ich dachte, er wäre mein Freund..  Ich konnte ihn nicht mal ansehen.  "Es ist nichts neues für mich," murmelte ich, den Blick auf die Schuhe gerichtet. Meine Augen brannten. Vincent lachte leise.  "Richtig.  Du bist ja daran gewöhnt. Alle hassen dich, mobben dich, quälen dich. Und trotzdem fällst du immer wieder drauf ein, nur weil jemand interesse zeigt, und ein paar sch
nulzige Worte sagt. " Er lachte. Seine Worte trafen mich wie eine Ohrfeige.  Stum rannen mir die Tränen über die Wangen, während er weiterredete.  "Wie erbärmlich kann man eigentlich sein?" Ich wollte mir am liebsten die Ohren zuhalten.  Ich wollte diese grausamen Worte nicht mehr hören.  Ich wollte ihn anschreien, ihn schubsen, aber ich konnte mich nicht rühren.  Und musste weiter hören.  "Wann begreifst du es eigentlich, Sam?" Vincent trat ein paar Schritte näher.  Ich wich schluchzend, und kopfschüttelnd ein paar Schritte zurück.  Aber er packte mein Kinn, und zwang mich, ihn anzusehen.  "Du bist nichts, Sam.  Nichts. " Seine Worte waren hart, und kalt, und in seinen Augen blitzte ein Feuer.  "Und du wirst immer ein nichts bleiben." Ich hatte genug.  Genug von seinen Worten, und genug von der Welt.  Ich schluchzte hemmungslos, während Tränen immer wieder über die Wangen liefen. "Lass mich einfach in Ruhe. " Meine Stimme zitterte stark, und meine Hände waren verkrampft.  "Bitte. " Meine Worte wurden von Schluchzern übertönt, und ich konnte einfach nicht mehr. "Bitte, lass mich einfach in Ruhe."

"Sam! Wach auf!" "Du musst aufwachen!" Jemand rüttelte mich an den Schultern.  Ich schnappte nach Luft, und schlug die Augen auf. Ich war in meinem Zimmer.  Die Decke war durcheinander, und war ganz verwühlt. Ich schwitzte, meine Handflächen waren feucht,  ich zitterte.  Es war nur ein Albtraum. Das bestätigte sich, als ich meine Mutter sah, die mich besorgt ansah.  Sie legte eine Hand auf meine.  "Es war nur ein Albtraum. " Ihre Stimme war sanft.  Und vor Erleichterung fing ich an zu weinen. Meine Mutter nahm mich im Arm, und ich schluchzte an ihrer Schulter, während ich mich versuchte, zu beruhigen.   "Willst du darüber reden?" Ich schluchzte trocken, mein Hals brannte wie Feuer.  "Nein."

Ein normaler Schultag. Alle lachten, begrüßten sich,  die blöde Sonne schien vom wolkenlosen Himmel.  Ich stand allein herum, und versuchte zu lesen.  Aber ich konnte einfach nicht.  Der Albtraum schwebte vor mir wie eine dunkle Wolke, die nicht verstand.  Ich hielt Ausschau nach Vincent, aber er tauchte nicht auf.  Ich schrollte durch unseren Chat.  Und dachte daran, wie glücklich ich mit ihm war. Und jetzt ist es wieder wie alte Zeiten.  Ich sah, wie Lina lachend auf Josh zurannte, und ihn küsste. Ich wandte mich ab.  Ich wollte ihr Lachen nicht hören.  Ihr glückliches Lachen.  Ich konnte nicht verstehen, warum Lina mich so veraten konnte.  Es tat immer noch weh.  Und da spürte ich es. Eine einsame Träne lief mir über die Wange, als Josh seine Lippen von Lina löste, und zur mir sah. "Hi, Rührei," rief er fröhlich, als wären wir alte Kumpel. Lina sah mich, und versuchte ein Lächeln.  "Sam, wo ist denn dein bester Freund?" Ihre Stimme klang süß wie Honig.  Jetzt reichte es mir. Ich lief auf beide zu, und schüttete meine Wasserflasche aus.  Der Wasserstrahl fiel auf Linas lila Kleid, was sie trug.  Sie schrie auf, und wich zurück.  Ich schnaubte.   Dann ging ich weg, weil mir nichts besseres einfiel.

"Guten Morgen, Samantha. " Mr Brown lächelte mich verächtlich an. "Deine Haare sehen mal wieder ein Heuhaufen aus." Ich nickte.  "Wenn Sie es sagen." Alle brachen in Gelächter aus. Meine Augen brannten, ich schluckte. Ich wusste nicht, wie lange ich es noch aushalten kann. Und es wurde noch schlimmer, als Lina rief: "Ja, Sam. Bürste dir mal deine fettigen Haare!" Josh neben ihr lachte auf. Mr Brown räusperte sich, und sah auf die Liste.  "Sind alle da?" "Ja," riefen alle. Aber ich hob die Hand.  "Mr Brown, Vincent ist noch nicht da." Meine Stimme klang nicht, wie meine.  Mein Hals schmerzte. Mr Brown verzog die Lippen. "Richtig.  Aber wenn Vincent nicht zum Unterricht kommt, ist er selber schuld, und ein Idiot." Alle lachen wieder, außer ich. Und als hätte man vom Teufel gesprochen, eilte Vincent ins Klassenzimmer.  Sein Anblick erschreckte mich.  Ich starrte ihn entgeistert an. Seine Klamotten waren dreckig, und heruntergekommen.  Seine Miene war ausdrucklos, und leer.  Mit einer Hand hielt er seinen Schulranzen, mit der anderen Hand versucht er irgendwie sein zersaustes Haar wieder in Ordnung zu bringen. Und da traf es mich. Sein Gesicht.. Überall waren Spuren von Blut, sein Auge war zugeschwollen, und sein Kinn war komplett blau.  Ich konnte den Blick nicht von ihm nicht abwenden.  Und beugte mich zu ihm vor. "Vincent," zischte ich. "O mein Gott, was ist mit deinem Gesicht passiert?" Er ingnoierte mich eiskalt.  "Entschuldige für die Verspätung Mr Brown. " Der Lehrer musterte ihn zweifelnd.  "Das nächste Mal gibt es ein Stich. " Vincent nickte.  "Ja, Sir." Dann setzte er sich zur mir.  Ich musterte sein zerkratztes Gesicht.  Ich musste einfach weiter fragen.  Ich würde ihn nicht in Ruhe lassen, bis er mir sagte, wer ihm das angetan hatte.  "Wirst du mit sagen, was passiert ist?" Meine Stimme zitterte.  Aber Vincent warf mir einen warnenden Blick zu, und wies mit dem Kinn auf Mr Brown. "Später. " Ich würde mich nicht damit zufriedengeben. "Aber.." "Samantha, hier ist kein Teepause. Es ist Unterricht.  Also würde ich dir raten, deinen Mund zu halten, und dich auf den Unterricht zu konzentrieren. " Alle brachen wieder in Gelächter aus. Mr Brown grinste leicht. Ich biss mir auf die Lippen, damit die Tränen nicht kamen. Plötzlich wurde mir übel.  So übel, dass ich keinen klaren Gedanken nicht mehr fassen konnte.  "I-ich muss auf Toilette," stammelte ich.  Mr Brown verzog die Lippen, sein Blick war skeptisch.  "Willst du etwa Unterricht versäumen, Samantha?" Ich schüttelte den Kopf. Mr Brown musterte mich noch einmal, bis er nickte. "Okay, aber nur kurz." Erleichterung durchströmte mich.  Ich drehte mich um, und stürmte davon.

Hastig schloss ich die Tür auf. Der erste Blick auf die Toilette war pure Erleichterung.  Ich kniete mich nieder, beugte mich vor, und übergab mich über der Klo-Schüssel.  Ich schluchzte hemmungslos dabei.  Die Tränen tropften auf den kalten Boden. Die nächste Übel-Welle kam, und ich erbrach mich erneut. Ein heiseres Schluchzen kam aus meiner Kehle, während ich hustete. Meine Hände zitterten, während ich heulte. Was passierte mit mir??  Ich sank zu Boden, verbarg meine Hände in mein Gesicht, und schluchzte.  Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich es nicht mehr aushalten konnte.  Selbst mein eigener Lehrer mobbte mich.  Der Tränenschleier verbarg mir die Sicht auf die Schweinerei.   "Ich kann es nicht mehr," flüsterte ich. "Ich kann es nicht mehr. " Das war schlimmer als mein Albtraum.  Hundertmal schlimmer. Ich spürte, wie sich mein Magen verkrampfte.  Dann drehte ich mich weg, und hustete in meiner Hand.  Entsetzt sah ich rotes Blut auf meiner Hand schimmern. Ich hustete Blut. Vor Entsetzen drehte sich mein Magen um.  Plötzlich hämmerte jemand an der Tür.  "Sam, alles okay?" Ich erstarrte, und wischte das Blut von meiner Hand.  Es war Vincent.  Bevor ich etwas sagen konnte, wurde die Tür aufgerissen, und Vincent sah mich an. "Sam, was.." Sein Blick wanderte zur der Kotzte auf dem Fußboden, und sein Gesicht wurde bleich.  Ich stand auf, und versuchte ein Lächeln. "Ich hab nur was falsches gegessen.  Alles ist in Ordnung. " Vincent runzelte die Stirn.    "Sam, bitte lüg nicht. Ich dachte, wir wären näher, als das. Ich bin dein Freund.  Ich kann sehen, wenn es dir nicht gut geht." Ich schüttelte verzweifelt den Kopf.  "Bitte, Vincent.  Lass mich einfach in Ruhe. " Ich wollte mich an ihm vorbeidrängen, aber er hielt mich auf.  "Ich werde bestimmt nicht gehen, bis du mir sagst, was los ist."  Stumm rannen mir die Tränen über die Wangen.   "Ich.." Meine Stimme brach, als Vincent die Arme um mich schlang.  "Es ist okay," sagte er. "Du musst nicht so tun, als wäre alles ok. Ist es nicht. Nichts ist okay. " Ich schluchzte, und erwiderte seine Umarmung.  "Du musst wissen, dass ich immer für dich da bin," sagte er mit belegter Stimme. "Danke," murmelte ich, und löste mich von ihm. "Du bist ein guter Freund, Vincent.  Mein einziger." Meine Stimme klang tonlos.  Vincent sah mich bestürzt an. "Sam, ich.." Ich wusste, was kommen würde. "Wir reden später, okay? Ich muss nach Hause.  Ich denke, ich bin krank." "Sicher," sagte Vincent.  Seine Stimme klang enttäuscht.  "Brauchst du eine Begleitung? Ich kann dich nach Hause bringen, oder.." "Nein," sagte ich entschieden. "Ich weiß es zu schätzen, wirklich.  Aber ich muss allein sein. Mir geht es wirklich nicht gut, Vincent.  Bitte lass mich in Ruhe. " Vincent nickte.  "Okay, wenn du was brauchst, ruf mich einfach an, ok?" Ich nickte.  "Klar."  Stille. "Ich muss jetzt los.  Mach's gut." Dann verließ ich ihn, ohne noch mal zurückzublicken.

Immer Ich Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt