65. Die Tänzerin

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Zu Beginn der Sommerferien 1988 waren Tony und Stella zusammen mit ihren Eltern bei einer Benefiz-Veranstaltung in einem Museum.

Stella trug ein dunkelblaues Cocktailkleid, dessen Oberteil einfarbig und dessen ausgestellter Rock weiß gepunktet war. Ihre lockigen Haare hatte sie locker hochgesteckt. Tony trug einen dunkelgrauen Anzug mit einem einfarbigen Shirt.

Die beiden standen in der Nähe des Buffets und aßen schweigend ein paar Häppchen.

Tony fand, dass Stella heute extrem still war. Er wollte wissen, was mit ihr los war und fragte sich gerade, wie er das Eis brechen sollte, als sie das Wort ergriff.

„Hmmm, diese Spinat-Feta-Taschen sind wirklich gut", murmelte sie mit dem Blick auf ihren leeren Teller gerichtet.

„Der Kellner hat gerade welche nachgelegt. Soll ich dir noch eine Portion holen?"

Tony hatte sich nichts Böses dabei gedacht, doch Stella richtete jetzt den wohl giftigsten Blick, den er je bei ihr gesehen hatte, auf ihn.

„Findest du etwa, ich esse zu viel?"

„Was?", fragte er verwirrt.

Sie schnaubte beleidigt, drückte ihm ihren Teller in die Hand und lief eilig zur nächsten Toilette.

Tony blickte ihr einen Augenblick hinterher und versuchte, zu verstehen, was da gerade passiert ist.

Den Teller gab er schließlich einem vorbeilaufenden Kellner und folgte Stella zur Toilette.

Er blieb vor der geschlossenen Tür stehen, klopfte vorsichtig an und öffnete sie einen Spalt. Er wollte nicht einfach in die Damentoilette hineinmarschieren.

„Stella ist alles in Ordnung?", rief er gerade so laut, dass sie es drinnen hören konnte.

„Lass mich in Ruhe, ich bin auf Toilette!"

„So klingt das aber nicht. Bist du allein da drin?"

„Nein hier sind noch andere."

Eine Frau kam gerade aus dem Raum heraus, schüttelte schmunzelnd den Kopf und formte mit ihren Lippen ein lautloses „Nein".

„Eine zieht sich gerade um", fügte Stella hinzu.

„Tatsächlich? Das macht mich neugierig!", antwortete Tony, bevor er den Mut fasste, um durch die Tür in den Raum zu schlüpfen.

Als er sich umsah, war niemand zu sehen. Er beugte sich herunter und sah nur in einer Kabine ein Paar Füße. Wie er vermutet hatte, war Stella allein hier und hatte sich schniefend in dieser Kabine verschanzt.

„Hey, du hast mich angeflunkert – hier ist gar keine nackte Frau!", bemerkte er in der Hoffnung, sie damit aus der Reserve zu locken.

„Was machst du hier drin?", protestierte sie.

„Ich will wissen, was los ist. Vielleicht kommst du da einfach heraus und erzählst mir, was so schlimm an Spinat-Feta-Taschen-Nachschub ist."

„Es ist nichts!"

„Dann reden wir eben über nichts."

Er hörte, wie sie etwas Papier abriss, sich die Nase schnäuzte und dann die Spülung betätigte. Schließlich kam sie aus der Kabine heraus und sah ihn mit geröteten Augen und verlaufenem Make-up an.

„Du bist so ein Sturkopf!"

„Ich will nur wissen, was ich angestellt habe."

„Nichts."

„Du heulst wegen nichts?"

Sie hatte die Arme verschränkt, kniff die Lippen zusammen und blickte angestrengt zur Decke. Als ihr eine Träne die Wange hinunter lief, nahm Tony sie in den Arm. Sie lehnte sich einen Augenblick an ihn an.

Die Wege der Zeit (Avengers FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt