2. Der 90-Jährige

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Zwei Wochen später war die Grippewelle verflogen und die Klinik wieder nahezu vollständig besetzt. Rachel, die Arzthelferin und Estelle, die zweite Ärztin in Stellas Praxis hatten ihren Dienst wieder aufgenommen.

Estelle ging am Morgen als Erstes die Patientenakten der letzten Wochen durch, um die Abrechnung zu machen, und stieß auf eine Unstimmigkeit.

Eine Akte war scheinbar aus dem System gelöscht worden.

Stella gesellte sich zu ihr und suchte selbst noch einmal nach der Datei.

Sie erinnerte sich an den Mann, der mit seinem Auge bei ihr war. Und sie erinnerte sich, dass sie seine Daten geöffnet und ergänzt hatte.

„Das kann eigentlich nicht sein. Die beiden Neuen müssen seine Akte richtig gespeichert haben, denn ich hatte sie im Behandlungszimmer geöffnet. Ich habe sogar einen Befund hinterlegt und sie mit einem Termin bei Ferguson verknüpft. Hast du schon mal bei der IT nachgefragt, was da passiert ist?", fragte Stella.

„Ja", seufzte die Schwarzhaarige. „Sie sagen, ich soll ein Bug-Ticket anlegen und sie schauen es sich dann an."

„Ist er denn zu seinem Termin bei Ferguson aufgetaucht?"

„Ich habe ihn gefragt, aber du weißt ja, wie schlecht der sich an seine Patienten erinnert."

Stella nickte nachdenklich und nahm sich dann ihre Terminliste vor, um sich auf den Tag vorzubereiten.

„Du hattest für heute noch nicht so viele Termine, also hat Rachel dir kurzfristig noch einen längeren für eine Routineuntersuchung eingeplant", merkte Estelle an. „Wir haben gleich seine Akte angefordert, denn er ist nicht von hier."

„Okay", sagte Stella und wollte die digitale Akte öffnen. „Ist das der Termin um 10?"

„Ja, die Akte kam per Fax."

Stella stutzte. „Warum per Fax?"

„Na ja, ich weiß nicht, entweder hat er mir eine falsche Dienstnummer gegeben oder die haben einen Fehler gemacht."

Estelle schlug die Mappe auf, um sie vor Stella hinzulegen. Sie zeigte auf das Geburtsdatum.

„Das ist eine uralte Akte! Der Mann soll 1918 geboren worden sein!", lachte sie. „Und der Typ der gestern vor uns stand sah nicht aus wie 90! Im Gegenteil - er ist groß und stattlich und blond. Kein bisschen grau."

„So ähnlich wie Michael?", fragte Stella schmunzelnd.

„Ja, ein bisschen. Aber größer und muskulöser. Und nicht ganz so braun gebrannt", seufzte Estelle.

„Und du bist sicher, dass du und Michael nicht vorhabt mich zu veräppeln?"

„Nein!", wehrte sich Estelle. „Ich würde mich niemals mit dem für so etwas zusammen tun!"

Stella lächelte. „Na gut, dann lasse ich es auf mich zukommen, frage seine Daten einfach ab und lege eine neue Akte an. Was steht danach an?"

**

Steve war gerade erst in Cape Canaveral angekommen und in einem Motel abgestiegen. Man hatte ihm diese Stadt empfohlen, um ein paar Tage auszuspannen und sich in einer ruhigeren Umgebung als New York an sein neues Leben heranzutasten. Diese Stadt sei sowohl ein geschichtsträchtiger Ort, als auch einer, der für Aufbruch steht. Steve wusste nicht so recht, ob er überhaupt bereit war, sich mit der Geschichte der letzten Jahrzehnte auseinanderzusetzen. Es war alles ziemlich überwältigend. Aber es erschien ihm im Moment auch nicht besser im hektischen, lauten New York zu bleiben, deswegen war er der Empfehlung gefolgt.

Die Wege der Zeit (Avengers FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt