01 | mutter und tochter

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E l i z a

„Jamie Rose Evans, komm endlich her ! Wir sind sowieso schon spät dran und müssen dich doch noch zu Tante Hannah bringen !", rufe ich ungeduldig nach meiner dreijährigen Tochter, die irgendwo in der Wohnung rumgeistert, anstatt sich endlich ihre Schuhe anzuziehen, damit wir los können.

Ich bin sowieso schon angespannt genug, zupfe ständig unruhig an meinem Rock herum und hadere mit dem dummen Gedanken, mir erneut etwas anderes anzuziehen.

Zum dritten mal heute.

Aber nein, mein Outfit ist für die Geburtstagsfeier meines Vater, durchaus angemessen und weder zu übertrieben, noch zu leger. Ein letztes mal werfe ich einen prüfenden Blick in den Spiegel und begutachte kritisch mein schlichtes Make up, bestehend aus Mascara und einem dezenten Lidstrich, bevor ich mich in Richtung Wohnzimmer drehe.

Gott lass mich diesen beschissenen Tag überstehen, ohne vollkommen durchzudrehen. Zum Glück gibt es auf solchen Veranstaltungen immer literweise Alkohol, denn das Ganze erträgt man nur auf Valium oder mit einer Menge Alkohol.

„Komme Mommy !"

Ihre kindliche Stimme kommt gerade bei mir an, da schießt mein kleiner Wirbelwind auch schon um die Ecke und verliert dabei beinahe das Gleichgewicht. Nur mit viel Glück, kommt Jamie sicher vor mir zum stehen und lächelt mich unschuldig an.

Natürlich hat mein Baby, ihren heiß geliebtem weißen Plüsch-Hasen unter dem Arm und trägt ihre neue schwarze Lederjacke über ihrem heutigen Outfit, bestehend aus Jeans und rosafarbenen Shirt. Sie liebt diese Jacke heiß und innig und trägt sie im Moment ständig, seitdem Hannah sie ihr vor drei Wochen geschenkt hat, mit der Begründung, jedes Mädchen bräuchte eine vernünftige Lederjacke im Schrank.

Ich sehe es schon auf uns zukommen, meine Tochter wird jedes Mal eine neue bekommen, wenn die alte zu klein wird oder kaputt geht. Ernsthaft Jamie wird von ihrer Patentante und auch allen anderen viel zu sehr verwöhnt. Es grenzt an ein Wunder, wenn sie später nicht vollkommen verzogen ist.

Leider muss ich zugeben, dass sie gerade einfach zu süß aussieht. Mit diesen strahlend blauen Augen, die Jamie ganz eindeutig von ihrem Vater hat, den sanften dunkelbraunen Locken, die ich vorhin zu zwei Zöpfen geflochten habe, der kleinen Stupsnase und dem bezaubernden lächeln, sieht sie aus wie ein kleiner Engel.

Mein kleiner Engel.

Ganz automatisch verziehen sich meine Lippen zu einem sanften lächeln und die Enge in meiner Brust, die ich immer bekomme, wenn ein Besuch bei meinem Vater ansteht, lockert sich wieder ein wenig. Ich habe keine Ahnung, wie sie das schafft, aber diese Wirkung hat sie schon seid ihrer Geburt auf mich.

Schnell schüttele ich den Gedanken ab und helfe ihr mit den schwarz-weißen Converse Sneakern, die perfekt zu der rockigen Jacke passen und schnappe mir den kleinen Rucksack, der mit ihren Schlafsachen für heute Nacht gefüllt ist.

Bewaffnet mit dem Rucksack, meiner schwarzen Handtasche und Jamie an der Hand, werfe ich einen letzten prüfenden Blick über die Schulter, als wir die 3-Zimmer Wohnung verlassen und ich die Tür hinter uns zuziehe. Hoffentlich haben wir alles.

Am Fahrstuhl gehen wir wie gewohnt vorbei, denn der braucht immer eine halbe Ewigkeit und nach einem Blick auf mein Handy, gerate ich sowieso schon leicht in Panik und merke, wie mir der Schweiß ausbricht. Denn trotz aller Hoffnung, ist es schon 16:48 Uhr und ich werde mal wieder zu spät kommen. Marge, die ‚neue' Frau meines Vaters, wird mich eindeutig umbringen.

„Jamie nicht trödeln."

Gestresst sehe ich hinter mich und binde mir, während des Laufens meine dunkelbraunen Locken, die ich vorhin erst eine Dreiviertelstunde mit allem möglichen bearbeitet habe, zu einem hohen Zopf zusammen. Jamie hingegen macht keinerlei Anstalten, der Aufforderung nachzukommen und tapst nur langsam eine Treppenstufe nach der anderen runter.

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